
Nazi-Raubkunst: Diffamiert, beschlagnahmt, zwangsversteigert
Bayerische Staatsgemäldesammlungen Görings "Eurydike" als Nazi-Raubkunst anerkannt
München - Bis heute sind Herkunft und Besitzverhältnisse vieler Kunstwerke, die von Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, nicht geklärt. Jetzt wurden in München drei solche Bilder den rechtmäßigen Erben zugesprochen.
Dabei handelt es sich um zwei Aquarelle des Expressionisten Max Pechstein und um ein Gemälde von Narcisse Virgilio Díaz de la Peña (1807-1876) aus der Schule von Barbizon. Die Pechstein-Bilder "Weißes Haus" und "Wiesental" gehörten ursprünglich dem jüdischen Kunsthistoriker und bedeutenden Kunstsammler Curt Glaser aus Berlin, der 1933 in die USA emigriert war. Vor seiner Ausreise musste er seine umfassende Kunst- und Grafiksammlung versteigern, darunter auch die beiden postkartengroßen Aquarelle. Sie gingen zuerst an die Nationalgalerie in Berlin, 1937 wurden sie als "entartete Kunst" beschlagnahmt. Über das Ehepaar Fohn kamen die Bilder schließlich 1964 zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
"Für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen steht außer Zweifel, dass Prof. Curt Glaser ein Verfolgungsschicksal erlitten hat", teilten die Staatsgemäldesammlungen am Mittwoch in München mit. Die Verauktionierung seiner Kunstbibliothek werde als "verfolgungsbedingter Verlust" gewertet. Die Aquarelle können trotzdem in München bleiben. Die Erben würden angemessen entschädigt, heißt es in der Mitteilung.
Ein Geschenk für Göring
Das Werk "Die verletzte Eurydike" von Díaz de la Peña stammt aus der Sammlung der jüdischen Hamburger Bankiersfamilie Behrens. Die Familie überlässt das Gemälde dem Museum für zehn Jahre als Dauerleihgabe. Das Bild wurde unter dem NS-Regime ebenfalls zwangsweise versteigert und wechselte dann mehrfach den Besitzer, bis es der damalige Inhaber Oscar Henschel, Inhaber der Henschel Flugzeug Werke AG Berlin, Anfang der vierziger Jahre dem Reichsmarschall Hermann Göring schenkte. Mit der Aufteilung der "Göring Sammlung" wurde das Gemälde schließlich im Jahr 1961 Eigentum der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die dieses Werk nun ebenfalls restituiert haben.
Die Suche nach Nazi-Raubkunstwerken wird in Deutschland in der Internet-Datenbank Lost Art koordiniert. Dort können Privatpersonen nach der Herkunft geerbter Kunstgüter fahnden. Allein in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen müssen nach Museumsangaben rund 4400 Gemälde und 770 Skulpturen, die nach dem Machtantritt der Nazis 1933 in die Bestände aufgenommen wurden, auf ihre Herkunft untersucht werden. Die Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Andrea Bambi schätzt, dass es bei jedem einzelnen Werk zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauert, bis die jeweilige Herkunft geklärt ist.
Für viel Aufsehen hatte zu Beginn des Jahres 2013 ein SPIEGEL-Bericht gesorgt, demzufolge in deutschen Museen erbeutete Kunstwerke und Schmuckstücke von Nazi-Größen lagern. Im Depot der Pinakothek der Moderne in München etwa fand sich eine Platinuhr, die Adolf Hitler seiner Geliebten Eva Braun schenkte.