
Medienkunstpreis: Fernsehen ist vorbei
Medienkunst Fernsehen ist ja wohl durch
Wer kennt sie nicht, die flimmernde Kunst von Nam June Paik? Zum Beispiel die steinernen Buddhas, die wie zur Zwangsmeditation vor pixelrauschenden Fernsehern ohne Programm sitzen. Oder die strahlenden Monitore im Schoß einer Cellistin, die nicht nur bewegende Musik, sondern auch bewegte Bilder gebiert. Nam June Paik (1932-2006), der diese elektronisch stimulierten Bild-Ikonen erfunden hat, gilt als Pionier der Medienkunst. Er lehrte als Professor in Düsseldorf seine Akademiestudenten die Kunst der flimmernden Bilder und führte seit den sechziger Jahren vor allem an Rhein und Ruhr den neuen medialen Kunstbegriff "Fluxus" in Form von Konzerten und Performances vor.
So entstand zum Beispiel während eines Fluxus-Festivals in Bochum in Schaufenstern und auf den Plätzen eines Einkaufszentrums auch Paiks Arbeit "TV Cello" mit Charlotte Moormann, die heute im Besitz der Bochumer Kunstsammlung ist. Ein guter Grund dafür, dass das Bochumer Kunstmuseum in diesem Jahr Gastgeber für den sechsten Medienkunstpreis der Kunststiftung NRW ist, der nach dem großen Mentor Paik benannt wurde. Alle zwei Jahre wird der mit 25.000 Euro dotierte Preis vergeben, und die Ausstellung dazu wird immer an verschiedenen Orten im Bundesland Nordrhein-Westfalen gezeigt.
Sieben Künstlergruppen und Künstler sind dieses Mal für die Shortlist mit ihren Werken nominiert worden, wer von ihnen den "Nam June Paik Award 2012" bekommt, entscheidet die Jury am 31.10.
Ein Teppich als Hauptakteur
Medienkunst ist bis heute ein offener und auch umstrittener Begriff, der sich mit der Digitalisierung so schnell wie keine andere Kunstgattung erweitert hat. Paik begann in den sechziger Jahren mit "Aktionsmusik", es folgten mit analogen Videosynthesizern manipulierte Fernsehbilder, die er in den achtziger Jahren in riesigen Monitortürmen zeigte. Seine Motivation verkündete er 1965 bei einem Happening in Wuppertal: "Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert, jetzt schlagen wir zurück."

Heute gibt es in der Medienkunst zwar immer noch Sound-Installationen, computergenerierte Bilder und Videos, aber die Themen sind nicht mehr "Fernsehen", sondern kulturelle Netzwerke, Computerlinguistik oder Wechselbeziehungen zwischen Bild und Ton. Das zeigt auch die Bochumer Präsentation der sieben Shortlist-Kandidaten. Unter ihnen sind mit Florian Hecker und Cevdet Erek allein zwei Documenta-Teilnehmer.
Der Wiener Hecker zum Beispiel studierte nicht nur Kunst, sondern auch Computerlinguistik und Psycholinguistik. Seine Sound-Installationen mischen Kompositionen der Nachkriegsmoderne, elektro-akustische Musik, aber auch nicht-musikalische Sound-Elemente miteinander. Er bringt sie in zwei voneinander unabhängigen Drei-Kanal-Kompositionen zusammen, von denen die eine im Uhrzeigersinn kreist, und die andere dagegen. So muss sich der Zuhörer selbst im Raum verorten, um die hörbaren Bewegungen des Sounds zu verfolgen.
Auch Cevdet Erek ist ein Grenzgänger zwischen den Disziplinen - er studierte Architektur und Musik in seiner Heimatstadt Istanbul. Sein Werk setzt sich mit Architektur und Klang, mit Rhythmus und Raum auseinander. Instinktive Logik und rationale Vorstellung werden auf ganz eigene Art und Weise in seiner Arbeit "SSS - Sahil Sahnesi Sesi/Shore Scene Soundtrack" miteinander verschränkt, und Erek präsentiert das in seinem Video allein mit zwei Händen und einem Teppich als Hauptakteur.
Familientreffen am virtuellen Kaminfeuer
Burak Arikan, der in Istanbul und New York lebt, bringt ein komplexes Wissen als Künstler, Designer und Ingenieur mit. Sein Thema ist die einzigartige Welt, in der er sich bewegt: der internationale Kunstbetrieb mit seinen unendlichen Netzwerken, geheimen Verflechtungen und internen Gesetzmäßigkeiten. Nominiert sind außerdem Thomas Köner (Nizza/Belgrad), Nomeda & Gediminas Urbonas (Vilnius, Litauen) Gisela Motta und Leandro Lima, sowie Carlos Fadon Vicente (alle São Paulo). Alle suchen sie die Brücke zwischen wissenschaftlicher Recherche und ästhetischer Darstellung.
Der französische Ausstellungsarchitekt Thibaud de Ruyter hat alle Exponate in ein wohnzimmerartiges Gesamtszenario eingebettet, in dem die eigenwilligen Sounds, flimmernden Bilder und virtuellen Analysen das gute alte Kaminfeuer ersetzen sollen, um das sich so gern die familiäre Gemeinschaft gruppiert. Damit sich die Szene des internationalen Kunstbetriebs und ihre komplexe Community auch wohlfühlen. Am Ende ist man schließlich auch so etwas wie eine Familie.
Nam June Paik Award 2012 Bochum. Kunstmuseum. 31. Oktober 2012 bis 13. Januar 2013. Öffentliche Preisvergabe am 31.10. um 19 Uhr.