Nazi-Günstling Arno Breker Modellstreit mit Bildhauer

Arno Breker war der Lieblingsbildhauer Hitlers, seine grimmigen Muskelmänner Ikonen der Nazi-Kunst. Jetzt soll sein Werk ausgestellt werden: Verklärung oder Aufklärung?
Von Jenny Hoch

Wer war der Mann, der von Hitler und Dalí gleichermaßen verehrt wurde? Der seine Kunst in den Dienst des Nationalsozialismus stellte und gleichzeitig vom Regime Verfolgten half? Der Bildhauer Arno Breker war ein Mensch voller Widersprüche, seine Biografie eine exemplarisch deutsche Geschichte. Talent, Mitläufertum, künstlerische Ächtung - das sind deren Koordinaten.

Nach der Diskussion um die Verhüllung der Breker Statuen am Berliner Olympiastadion anlässlich der Fußballweltmeisterschaft sorgt nun eine geplante Ausstellung in Schwerin für Debatten. Am 21. Juli soll im dortigen Schleswig-Holstein-Haus eine Schau mit rund 70 Arbeiten des umstrittenen Bildhauers eröffnen. Gezeigt werden sollen neben jenen streitbaren Entwürfen und Skulpturen aus der Nazizeit auch frühe Plastiken aus den zwanziger Jahren und Arbeiten aus der Zeit nach 1945. Inzwischen schlägt der Fall Breker bundesweit Wellen, und die Verantwortlichen wirken aufgescheucht von so viel Medieninteresse. "Mindestens anderthalb Stunden" verbringe er täglich mit Anfragen von Journalisten, sagt Schwerins Kulturdezernent Hermann Junghans (CDU).

Fast scheint es, als produziere das beschauliche Städtchen den Sommerloch-Aufreger des Jahres. Doch ganz so leicht lässt sich das Thema nicht abtun. Denn die Schweriner Stadtoberen lehnen sich weit aus dem Fenster: Noch nie zuvor ist eine derart umfassende Schau von Hitlers Lieblingsbildhauer in Deutschland in einer öffentlichen Einrichtung gezeigt worden. Dazu kommt, dass die Ausstellung, die vorwiegend aus Leihgaben von Brekers Witwe besteht, auch mit staatlichen Geldern von Stadt und Land finanziert wird.

"Unkunst des Nationalsozialismus"

Gehören die Werke eines Nazi-Bildhauers also ins Museum? Nein, sagen Kritiker, die - zumal jetzt im Wahljahr - die Vereinnahmung der Präsentation durch die rechtsextreme NPD fürchten. Nein, sagt auch die Direktorin des Staatlichen Museums Schwerin, Kornelia von Berswordt-Wallrabe. In einer schriftlichen Erklärung bescheinigt sie den während der NS-Zeit entstandenen Arbeiten Brekers "Ästhetik ohne Ethik". Die Werke heute zu zeigen, bedeute, "die Unkunst des Nationalsozialismus im Sinne der Kunst diskutieren zu wollen und Breker letztlich salonfähig zu machen".

Ähnlich argumentiert der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, der in Schwerin nicht mehr ausstellen will, obwohl ihm für 2007 eine Schau eigener Werke angeboten wurde: "Es besteht der Verdacht, dass in Schwerin in Wahrheit an der Rehabilitation Brekers gearbeitet wird", sagte Staeck der "Schweriner Volkszeitung". Der Nazi-Günstling habe sich gegenüber der Kunst und einem humanen Menschenbild schuldig gemacht und sein Verhalten nie bereut.

Mythenproduktion durch Heimlichtuerei

Der langjährige Leiter des Schleswig-Holstein-Hauses, Rudolf Conrades, verteidigt dagegen sein Projekt. Man veranstalte keine Hommage, sondern eine kritisch kommentierende Ausstellung: "Das Thema muss endlich auf den Tisch, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann", sagt Conrades, der die Schau auch kuratiert hat. Und weiter: "Ich glaube nicht, dass jemand wegen der Ausstellung Lust bekommt, NPD zu wählen." Er sehe die Gefahr vielmehr in der ständigen Heimlichtuerei um Breker: "Das produziert doch erst den Mythos."

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass spricht sich ebenfalls für die Schau aus. Sie könne einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Geschichte leisten, sagte Grass der dpa. Wenn die Ausstellung dokumentarisch und informativ gestaltet sei, könne sie Antwort auf die Frage geben, warum sich Arno Breker, genau wie viele andere Künstler auch, von den Nationalsozialisten hat korrumpieren lassen, erklärte der Schriftsteller.

Auch Kulturdezernent Junghans ist von der Notwendigkeit, sich im Zuge der Aufarbeitung der NS-Zeit mit Arno Breker auseinanderzusetzen, überzeugt. Man habe die Ausstellung ursprünglich schon 2005 geplant, da sie dann jedoch mit dem 60. Jahrestag des Kriegsendes zusammengefallen wäre, habe man sie verschoben. Junghans: "Jetzt ist die Zeit reif." Man wolle besonders die Wechselwirkung von Ideologie und Kunst zeigen.

Muskelbepackte "Herrenmenschen"

Tatsächlich war der Weg Arno Brekers zum Staatskünstler des Nazi-Regimes lang, Möglichkeiten, sich anders zu besinnen, hätte es genügend gegeben. Nach einem Bildhauer-Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie entschließt sich der Sohn eines Steinmetzes 1927 nach Paris zu gehen, dem damaligen Zentrum moderner Plastik. Dort lernt er neben Aristide Maillol auch Jean Cocteau kennen, mit dem er bis zu dessen Tod 1963 eng befreundet blieb. Trotz seiner Erfolge in Frankreich zieht er 1934 nach Berlin, wo er schnell zum Günstling Hitlers aufsteigt. Er wird Professor an der Kunsthochschule und darf das "Reichssportfeld" sowie den "Ehrenhof" der Reichskanzlei mit Skulpturen - hauptsächlich nackten, muskelbepackten "Herrenmenschen" - schmücken.

Nach 1945 wird Breker als "Mitläufer" entnazifiziert, nicht zuletzt, weil der Verleger Peter Suhrkamp zu Protokoll gab, von ihm aus dem KZ gerettet worden zu sein. "Ich verdanke Arno Breker mein Leben" heißt es in einer eidesstattlichen Erklärung vom August 1946. Nach dem Krieg bleibt Breker vom Kunstbetrieb geächtet: Obwohl Dalí ihn als "Prophet der Schönheit" verherrlicht und er für seine Porträtbüsten geschätzt wird, die Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer oder Ludwig Erhard bei ihm in Auftrag geben, bemängeln Kritiker seinen glatten, idealisierenden Stil.

Neben Gustaf Gründgens und Leni Riefenstahl ist Arno Breker sicherlich als weitere ambivalente Figur des "Dritten Reiches" anzusehen. Allerdings muss sich erst zeigen, ob die Ausstellung ihren eigenen Ansprüchen, die kritische Auseinandersetzung mit Brekers Werk zu ermöglichen, gerecht wird, oder ob die Falle der Glorifizierung ein weiteres Mal zuschnappt.

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