Neues Esoterik-Magazin "Happinez" Heut' geh'n wir zum Schamanen!

"Happinez"-Cover: "Durch eine spirituelle Transformation praktisch ausgelöscht"
Hilfe! "Happinez" ist da. Das Magazin für "Menschen, die interessiert sind am Entdecken ihrer Innerlichkeit". Das "den Graben zwischen dem Geist und dem Herzen überbrücken" möchte. Das die erste deutsche Ausgabe in rosaroter Blumen-Ästhetik dem Thema "Liebe" widmet, dabei Duftkerzen entzündet, Kristall-Wasserstäbe zum Übertragen von Heilkräften anpreist (49 Euro pro Stab) und in neun Rosa-Schattierungen bedruckte Bring-mehr-Liebe-in-Dein-Leben-Karten zum Heraustrennen dazulegt. Das dazu Fotos von lächelnden, Sandalen tragenden Frauen in Yogastellungen abbildet, die aussehen, als ob sie ein dringendes Bedürfnis quält - und letztlich in einer dermaßen großen Ansammlung von Eso-Binsenwahrheiten kulminiert, dass einem der Kopf schwirrt.
Chefredakteur des aus Holland importierten Lizenz-Magazins ist Uwe Bokelmann, der gleichzeitig die Bauer-Hefte "TV Hören und Sehen", "TV 14" und "Welt der Wunder" leitet. Erscheinen soll "Happinez" vierteljährlich, eine Test-Ausgabe ließ man "wegen der sehr guten Resonanz aus dem Anzeigenmarkt sowie Expertenkreisen" (Verlagsmitteilung) gleich ausfallen und platzt mitten in den boomenden Wellness-Markt.
Welche Experten den Daumen für das Magazin hoben, erfährt man nicht, aber einige ihrer Kollegen kommen in Ausgabe eins gleich selbst zu Wort: Was sagt "der amerikanische Bestseller-Autor und spirituelle Coach Gregg Braden"? "Unsere Gefühle sind so etwas wie der Schlüssel zum Universum." Aha. Was die Autorin von "Alchemie der Liebe"? "Wir alle tragen Monster in unserer Seele, die wir besiegen müssen, um der Liebe eine Chance zu geben." Oje. Und was meint "Happinez"-Kolumnist und Buchautor Eckhart Tolle ("Eine neue Erde"), dessen alte Identität "mit 29 durch eine spirituelle Transformation praktisch ausgelöscht wurde"? "Sobald wir nach dem Glück suchen, werden wir es nicht finden." Ach so.
"Eine nackte, kalte Form von Sexualität"
Durch wie viele Glückskekse sich die vom Heinrich Bauer Verlag ausgesuchte und esoterisch instruierte Redaktion sich für einen solchen Haufen wahlweise nichtssagenden oder hanebüchenen Mist wohl mampfen musste, möchte man gar nicht wissen. Möchten "wir" gar nicht wissen: In dem sogenannten "Mindstyle Magazin" gilt die erste Person Plural. Die Texte sind größtenteils in der "Wir"-Form geschrieben. "Wir" sehnen uns nach Liebe, "wir" gehen zu Schamanen, "wir" machen täglich Yoga, und statt Safer natürlich lieber Tantra Sex, denn Nicht-Tantra-Sex ist "eine nackte, kalte Form von Sexualität", echte Hingabe dagegen "ein wenig so, als sage man dem Universum: Ich bin offen für alles, was das Leben mir zu geben vermag".
Es ist schon beeindruckend, was der redaktionsinterne Mindstyle-Magazin-Zufallsgenerator, der mit den Keywords Liebe, Leben, Universum, Spiritualität, Reise, kaltgepresstes Öl, innerer Raum und Tantra gefüttert wurde, alles an - auf den ersten Blick - unterschiedlichen Texten ausspucken konnte. Immerhin waren sogar ein paar Kochrezepte dabei!
In der nächsten Ausgabe wird "Liebe" mit "Zeit" ausgetauscht, die Duftkerzen riechen nach Vergissmeinnicht, und Eckhart Tolle schreibt irgendetwas á la "Kräht der Hahn auf dem Mist/ dann verändert's sich Wetter/ oder 's bleibt wie es ist". Mal sehen, wie viele von "uns", von uns Frauen natürlich, denn Werbestrecken, Esofarben und Inhalt deuten auf eine Zielgruppe von Leserinnen über 30, dieser Unsinn tatsächlich interessiert. "Gerade in unsicheren Zeiten haben Menschen einen Wunsch nach positiver und inspirierender fundierter Unterhaltung. Mit 'Happinez' wollen wir ihnen genau das geben und die Leserinnen auf dem Weg zum ganzheitlichen 'Glücklich sein' mitnehmen", schwärmt Jörg Hausendorf, Geschäftsführer der Bauer Women GmbH. Die Suche nach Sinn und spiritueller Tiefe sei "ein fundamentales Bedürfnis unserer Zielgruppe".
"Wir" anderen lesen dann doch lieber den "Skeptiker".