Neues Stück von Kathrin Röggla Konferenz!

Kathrin Röggla gilt als die Reporterin unter den Dramatikern: Jetzt hat sie den vor allem aus Konferenzen bestehenden Arbeitsalltag von Politikern in die unheimliche Komödie "die unvermeidlichen" gepresst - die kommt ganz ohne Politiker aus. In Mannheim wird das Stück uraufgeführt.
Kathrin Rögglas "die unvermeidlichen": Polit-Stück, das ohne Politiker auskommt

Kathrin Rögglas "die unvermeidlichen": Polit-Stück, das ohne Politiker auskommt

Foto: Christian Kleiner

Sie müssen ein Plappermaul haben. Sie müssen Dampfplauderer sein, Labertaschen, Quasselstrippen. Sie müssen reden, oft ohne zu wissen, was sie sagen: bei der Bildungskonferenz, der Finanzkrisenkonferenz, der Defizitkonferenz, der Atomendlagerkonferenz, der Klimakonferenz, der Luftfahrtskonferenz, der Migrationskonferenz, der Sicherheitskonferenz, der Pandemiekonferenz, der Konferenz, bei der sie nicht wissen, was sie soll.

Nein, nein, gemeint sind nicht Politiker, das wäre uns als Kritik zu platt, gemeint sind Simultandolmetscher, ohne die auf internationalem Konferenz-Parkett nichts geht. Die Schriftstellerin Kathrin Röggla, 39, hat sie zu den Hauptfiguren ihres neuesten Stückes gemacht und dieses nach ihnen benannt: "die unvermeidlichen". Es ist ein Polit-Stück, das ohne Politiker auskommt, entstanden als Auftragswerk für das Festival "Frankfurter Positionen", das dieses Jahr den Titel trägt: "Gemeinsam im Niemandsland - über die Zukunft sozialen Handelns". Uraufführungs-Regisseur Marcus Lobbes bringt das Stück zunächst in Mannheim heraus.

Akribisch recherchiert

Die Österreicherin Röggla gilt als Autorin mit journalistischem Ansatz, als "Reporterin unter den deutschsprachigen Dramatikern", wie die "Süddeutsche Zeitung" einmal geschrieben hat, weil sie akribisch recherchiert, bevor sie Stimmen realer Personen zu einem fiktiven Theaterstück collagiert. Für "die unvermeidlichen" hat sie etliche Konferenzen besucht, hat mit etlichen Dolmetschern gesprochen und ist zu dem Schluss gekommen, dass "das Tagesgeschäft oft erschreckend banal ist" - auch weil es eine Ausnahme ist, wenn wirklich einmal eine Entscheidung getroffen wird.

Im Februarheft der Fachzeitschrift "Theater der Zeit" ist das Stück abgedruckt, in einem begleitenden Interview erklärt Röggla, wie sie es verstanden haben möchte: "Das Stück ist eine Komödie", sagt sie, "aber eine unheimliche." Das kann man unterschreiben, ohne Wenn und Aber.

Rögglas Simultandolmetscher sind Übersetzungsmaschinen, die nicht ins Stottern geraten dürfen; auf dem Heimweg nach der Konferenz übersetzen sie Straßenschilder und Werbeplakate, weil sie niemand abschaltet. Die Politikerfloskeln klingen aus ihren Maschinen-Mündern noch floskelhafter: "Wir müssen an den Staatshaushalt denken." "Wir müssen an den Handel denken." "Wir müssen ans Außenhandelsdefizit denken."

Scheintote am Rednerpult

Begriffe wie Stresstest, Generationengerechtigkeit und Ankurbelungsfuror machen den Dolmetschern das Leben schwer: immer neue Fachvokabeln, "modische Neologismen", für die es keine adäquaten Übersetzungen gibt. Noch mehr leiden sie unter den Scheintoten am Rednerpult, blassen Bürokraten, denen auch die gelungenste Übersetzung kein Leben einhauchen könnte. Und am meisten frustriert sie, dass es bei der Konferenz maximal zu einem Minimalkonsens kommen wird, mal wieder. Da fehlen einem doch die Worte!

Die Dolmetscher sind Teil des Politsystems - und gleichzeitig Symbole der Politikverdrossenheit. Sie müssen reden, reden, reden, aber sie sind sprachlos. So sprachlos, dass die Gespräche, die sie untereinander führen, abseits des Dolmetschens, dominiert sind von Banalitäten: von Kollegentratsch und Eifersüchteleien, von Genörgel und Geprotze; politische Inhalte spielen keine Rolle.

Und so kann der Leser des Stückes nicht einmal erahnen, um was für eine Konferenz es sich eigentlich handelt. Als sei das Thema einerlei.

Zukünftig finden Sie die KulturSPIEGEL-Tageskarte Theater mittwochs auf SPIEGEL ONLINE; erstmals am 9. Februar. Samstags gibt es dafür ab kommender Woche im Wechsel die Tageskarten Jazz und Klassik.


die unvermeidlichen. Uraufführung am 6. Februar, Voraufführung am 5. Februar, weitere Aufführungen 19. Februar sowie 1., 11. und 20. März im Nationaltheater Mannheim , Studiobühne, Kartentelefon 0621/168 01 50, zudem Gastspiel bei den Frankfurter Positionen  am 9. Februar, Frankfurt LAB, Schmidtstraße 12, Kartentelefon 069/40 58 95 20.

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