Oliver Kahn als Moderator Auf dem Holzweg

Schwach wie eine Flasche leer: In einer bizarren Plauderrunde zur 100. Ausgabe der N24-Talkshow "Was erlauben Strunz?" erprobte sich Oliver Kahn als Moderator - mit mäßigem Erfolg. Ein Gespräch kam nicht zustande, dafür wurde ihm nahegelegt, doch mal den Jakobsweg zu pilgern.

Der Journalist Claus Strunz und der Fußball-Profi Oliver Kahn treffen den brasilianischen Schriftsteller Paulo Coelho in dessen Pariser Appartement - ein absurdes Drei-Personen-Stück? Nein, nur das ganz normale mediale Boulevard-Theater. Dazu eingeladen hatte gestern um 23.30 Uhr das Senderlein N24 - ein Gag aus Anlass der 100. Ausgabe der Talkshow "Was erlauben Strunz?". Die wichtigsten Erkenntnisse der bizarren Plauderrunde: Kahn kann sich vorstellen, nach Ende seiner Torhüter-Laufbahn den Jakobsweg zu pilgern. Und: Falls er doch eher eine Karriere im Medienbereich anstrebt, sollte er es ohne Strunz versuchen.

Doch der Reihe nach. Um die sicher für alle Beteiligten Publicityträchtige Gesprächs-Konstellation zu verstehen, hilft es, sich zunächst die Protagonisten und ihren Hintergrund zu vergegenwärtigen.

Da ist zunächst der Namenspatron der Sendung: Claus Strunz, im Hauptberuf Chefredakteur der "Bild am Sonntag", der Zeitung mit "mehr Bums" (Eigenwerbung), nebenbei als Aushängeschild des Spartenkanals aktiv und schon durch den Titel seines Formats als Fußball-affin ausgewiesen: Der versucht schließlich aus der Namensgleichheit mit dem Ex-Bayern-Profi Thomas Strunz eine Pointe zu schlagen, indem er die legendäre Münchner Rede des einstigen Bayern-Trainers Giovanni Trappatoni ("Ich habe fertig", 1998) zitiert.

Dann der Bayern-Profi Oliver Kahn, 37, einst als Titan und ehrgeizzerfressener Strafraum-Würger bekannt, aber nicht erst seit seiner WM als Nummer zwei und dem Abschied aus dem Nationalteam auf dem Weg der Läuterung und zunehmenden Vergeistigung. Immerhin ist Kahn auch schon selbst als Buchautor ("Nummer eins") und Objekt feuilletonistischer Betrachtungen ("Oliver Kahn und die Dinge des Lebens" auf 3Sat) hervorgetreten.

"Haben Sie denn Bälle zu Hause?"

Und schließlich der brasilianische Bestseller-Autor Paulo Coelho ("Der Alchimist"), ein 59-jähriger Mann mit angedeutetem kleinen Hippie-Zöpfchen, der von der Kritik zumeist als Esoterik-Spinner verrissen wird, nach verkaufter Auflage aber der neben Gabriel García Márquez meistgelesene lateinamerikanische Schriftsteller der Welt ist.

Dass die drei für die Jubiläumsausgabe des Strunz-Formats im Kaminzimmer von Coelhos Pariser Appartement zusammenkamen, lag offiziell an einer verlorenen Wette: Torhüter Kahn hatte mit dem "BamS"-Mann gewettet, dass Deutschland Weltmeister werde - falls nicht, werde er die Moderation der Strunzschen Jubiläumssendung übernehmen. Und als Gesprächspartner hatte er sich eben Coelho gewünscht, den er auf einer Bambi-Verleihung kennen gelernt hatte und dessen "Alchimisten" er bewundert. An sich ein hübscher Gag, das Ganze - der nur darunter litt, dass Strunz offenbar zu eitel oder zu besorgt war, Kahn die am Wochenende aufgezeichnete Sendung ganz zu überlassen, und selbst als eine Art Interview-Coach am Tisch Platz nahm.

So durfte Kahn zwar die Eröffnungsfrage stellen und zunächst darüber staunen, dass in der Wohnung des Schriftstellers keine Bücher in den Regalen stehen (Coelhos mäßig plausible Entgegnung: "Haben Sie denn Bälle zu Hause?"). Doch ein wirklicher Dialog zwischen dem Sportler und dem Literaten kam in der halbstündigen Sendung nie zustande. Im Grunde - und dem eingeblendeten Textband "Oliver Kahn - Seine erste Talkshow" zum Trotz - wurde sogar eher Kahn befragt - in der Hauptsache von Strunz, wobei Coelho dann etwas sinnlos daneben saß. Krampfig gerieten Strunz' Überleitungen. Da war wohl einem Redakteur das Handke-Buch "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" als mögliche Verbindung zwischen Literat und Ballfänger eingefallen, und so durfte Kahn darlegen, dass ein Torwart beim Elfmeter eigentlich nur gewinnen kann - viel bitterer sei es, einen Treffer aus dem Spielverlauf heraus zu kassieren. Dann ging's noch mal ausführlich um seinen Umgang mit der Degradierung zur Nummer zwei, während Coelho Belangloses über die brasilianische Nationalmannschaft beisteuerte.

Ein gewisser boulevardesker Unterhaltungswert kam nur auf, als Strunz die Rede auf Coelhos Pilgerreisen-Buch "Der Jakobsweg" brachte und tatsächlich formulierte, Kahn habe während der WM ja den "Lehmannsweg" erduldet. Ob der Autor nicht einen Tipp habe für den nächsten Lebensabschnitt des Fußballers, fragte Strunz, und Coelho riet Kahn zum Antritt der Pilgerreise. Der zeigte sich grundsätzlich interessiert - verwies aber auf derzeit noch bestehende Terminschwierigkeiten.

Sollte er nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn doch eher einen Job in der Medienbranche anpeilen, empfehlen wir schon mal die Emanzipation von "Bams"-Mann Strunz. Vielleicht wäre ja das Arte-Format "Durch die Nacht mit..." eine Alternative. Da könnten sich Kahn und Coelho noch mal ohne Moderator in Paris treffen - und womöglich wirklich ins Gespräch kommen.

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