Opernstiftung-Debakel Berliner Possenspiele
Der amtierende Berliner Kultursenator Thomas Flierl, PDS, geht. Opernstiftungschef Michael Schindhelm geht (wenn auch nicht sofort, aber doch bereits im April 2007, also vier Jahre früher als geplant). Als Protagonisten bleiben auf der Hauptstadt-Kulturbühne zurück: ein selbstbewusster Klaus Wowereit, der die Kultur zur Chefsache erklärt hat, der Leiter der Staatskanzlei und designierte Kulturstaatssekretär André Schmitz - und Angela Merkel, eine Kanzlerin, die mit Schindhelm per du ist und den sie in einer Rede zum 3. Oktober in Kiel zitierte. "Geh ins Offene", habe ihr der Freund nach der Wende als Widmung in ein Buch geschrieben.
Offen sind jetzt vor allem die entscheidenden Fragen, die Klaus Wowereit zu klären hat: Wer wird neuer Opernstiftungschef? Wie geht es weiter mit der Stiftung - wird sie sich um drei oder nur um zwei Opernhäuser kümmern, da Berlin die Verantwortung für die Staatsoper unter den Linden an den Bund delegieren will?
Und was passiert, wenn Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Merkel hart bleiben und auf die Erfüllung des Kulturhauptstadtvertrags bestehen? Der entlastete Berlin, indem er unter anderem die Finanzierung der Akademie der Künste und die Deutsche Kinemathek übernahm, zur Sanierung der baulich maroden Staatsoper aber nur noch 50 Millionen Euro beisteuert. Den Rest sollen private Spender (30 Millionen) und Berlin selbst bezahlen (50 Millionen).
Schindhelm, der 2004 auf vehementes Betreiben Flierls als Stiftungschef verpflichtet worden war, bekam die Krise nicht in den Griff. Den drei Aufgaben, die er erfüllen sollte - Personal effizienter einsetzen, Aufführungspläne der drei Hauptstadtopern abstimmen und, entscheidendster Punkt, Geld einsparen - wurde er nicht gerecht; seine Haushaltspläne stießen im Senat regelmäßig auf vehemente Kritik.
Schon bei Amtsantritt war der vermeintliche Retter umstritten: Schindhelm hatte sich als Theaterchef in Basel, nicht durch die Sanierung eines Kulturhaushalts profiliert.
Ist die Ostberliner Staatsoper der prominente Zankapfel der Debatte, so ist die Deutsche Oper das heimliche Sorgenkind: Das Haus im Westen der Stadt gilt als direkte Konkurrenz der Staatsoper und ist seit dem "Idomeneo"-Debakel massiv in die Kritik geraten. Nicht umsonst hatte Flierl einmal gesagt, der beste Schutz vor der Entsorgung der Deutschen Oper sei ein Senator aus dem Osten, der gerade ein Westhaus aus taktischen Gründen unmöglich schließen könne.
Auch der Westler Schmitz, der die Deutsche Oper als Verwaltungsdirektor leitete, wird das Haus in der Bismarckstraße schützen. Er hat sich bereits von Wowereit zusichern lassen, dass weder ein Theater noch eine Oper geschlossen werden. Schindhelm legte unterdessen zum Abschied einen Sanierungsplan vor, der einen so genannten Semi-Stagione-Betrieb vorsieht. Die Deutsche Oper würde dann nur noch zwei eigene Inszenierungen pro Jahr liefern, die dann von andern Opernhäusern übernommen werden müssten. Dafür würden dann vier Inszenierungen mit zwei anderen Opernstätten koproduziert werden - eine Idee, die vom konzeptuellen Schulterschluss von Staatsoper und Deutscher Oper ausgeht. Ob Daniel Barenboim, der künstlerische Leiter der Staatsoper, da mitspielen würde, ist allerdings fraglich.
Steht der Deutschen Oper also vielleicht doch das Schicksal der Schiller-Theaters bevor, das als eine der ehemals traditionsreichsten Bühnen Deutschlands von der Großen Koalition Anfang der neunziger Jahre geschlossen wurde und nun vor allem als Spielstätte für Musicals herhalten muss? Das Ende des Schiller-Theaters sollte ein Beitrag zur Sanierung des Berliner Haushalts sein - aus heutiger Sicht wirkt das eher wie eine Posse in Anbetracht des heutigen Schuldenbergs der Stadt von über 61 Milliarden Euro. Um derartiges zu verhindern soll sich Schindhelm jedenfalls schon an höchster Stelle beklagt haben: bei Angela Merkel nämlich, die sich früher selbst dafür eingesetzt hat, die Staatsoper zur bundesfinanzierten Nationaloper zu machen.
Auch Wowereit hat bei Merkel in kulturpolitischer Sache vorgesprochen; das Gespräch muss jedoch in frostiger Atmosphäre abgelaufen sein: Der Regierende Bürgermeister habe seine Ansprüche für mehr finanzielle Unterstützung der Hauptstadtkultur überraschend direkt, ja anmaßend vorgetragen, hieß es aus dem Umfeld der Kanzlerin.
Der angekündigte Abgang Schindhelms ist also auch eine schwierige Premiere für Wowereit auf Berlins kulturpolitischer Bühne. Die Akteure wechseln, die Probleme bleiben.