Ostalgie im Fernsehen Folklore von den DDR-Inseln
Kaum ein Sender, der aktuell keine eigene "Ost-Show" im Programm hat. In "Ein Kessel DDR" (MDR) wollen Gunther Emmerlich und Ex-Eisschnellläuferin Franziska Schenk Themen zwischen FKK und Mauerfall präsentieren. Die "Ultimative Ost-Show" auf Sat 1, moderiert von Boxer Axel Schulz und Ulrich Meyer, soll Alltagsgeschichten aus der DDR erzählen. Der bereits im ZDF bestaunten "DDR-Show" folgen nun noch Oliver Geißen und Kati Witt mit einem "ostalgischen" Rückblick auf RTL.
Angesichts der plötzlichen Fülle an Retro-Shows befürchten immer mehr Historiker, Bürgerrechtler und Politiker eine ungebremste Verharmlosung der menschenunwürdigen Seiten des DDR-Systems. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) mahnte, die DDR müsse "in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit" gezeigt werden. Natürlich habe es auch "Alltag, Glück, Sport, Unterhaltung, Westfernsehen" gegeben. Die DDR sei aber eine Diktatur und Misswirtschaft gewesen, "wir wurden bespitzelt und hinter einer Mauer eingesperrt".
Rainer Eppelmann (CDU), Vorsitzender der "Stiftung Aufarbeitung", sprach von einer unverantwortlichen "fürchterlichen Bagatellisierung der DDR-Geschichte". Wenn nur noch "Spreewaldgurken" und "Trabant-Geschichten" die Sendungen beherrschten und keine Rede mehr von Diktatur, Mauerbau, Staatssicherheit und Wahlbetrug sei, dann stelle sich die Frage, warum die Menschen im Osten 1989 überhaupt auf die Straße gingen. Solchen Fragen wichen die Sender aus.
Die Moderatoren der Ost-Shows, sonst im ehrgeizigen Kampf um die Beste Quote, bewiesen angesichts derartiger Vorwürfe eine seltene Einigkeit. "Es geht um unsere Schwestern und Brüder im ehemals anderen Deutschland und nicht um Folklore aus Haiti oder von den Osterinseln", definierte beispielsweise Ulrich Meyer die Aufgabe seiner Sat1-Show. "Wir wollen die DDR nicht schön reden", erklärte auch der gebürtige Thüringer Gunter Emmerlich. Er wolle sich dem Komplex in seiner Sendung "Ein Kessel DDR" mit "ironischer Distanz" nähern.
Und auch Oliver Geissen will von einer Verharmlosung nichts wissen. "Ich nehme die Vorbehalte sehr ernst", sagte der Moderator. Wozu das führen wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sollen in die "DDR-Show" Elemente seiner erfolgreichen "80er Show" eingebaut werden, seine Partnerin Kati Witt will die Sendung "mit einem Augenzwinkern" moderieren. Witt, unter dem SED-Regime groß geworden, erklärte während der Präsentation des Konzepts der Ost-Show, sie sehe heute vieles lockerer. Ihr Rückblick falle "insgesamt positiv aus, ich bin nicht verbittert."
Und während Sender und Politiker noch darüber streiten, was in eine Ost-Shows gehört, und was nicht, erklärt der Bochumer Historiker Bernd Faulenbach die Shows schlicht für wenig geeignet, das Interesse des Publikums an der DDR-Geschichte generell zu steigern. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass die Zuschauer aus dem Osten ihren Alltag wieder erkennen und West-Zuschauer Neues erfahren würden. Beides sei nicht der Fall. Statt des DDR-Alltags werde ein "buntes Surrogat" geliefert. Dadurch könne allenfalls das Bild einer "harmlosen DDR mit teils skurrilen, teils liebenswerten Zügen" entstehen. Mehr aber nicht.
"Ein Kessel DDR", MDR, Freitag, 21 Uhr; "Meyer & Schulz" - die ultimative Ostshow", Sat 1, Teil 1, Samstag, 20.15 Uhr; "Die DDR-Show", RTL, vier Teile, ab 3. September, 21.15 Uhr