Passions-Posse in Oberammergau Jesus darf auch nachts an Kreuz
Oberammergau - Der renommierte Theaterregisseur Christian
Stückl bleibt Leiter der weltberühmten Passionsspiele von
Oberammergau: Die Bürger des oberbayerischen Dorfes unterstützen heute bei einem Bürgerentscheid mit großer Mehrheit Stückls Pläne, das Bibelspiel erstmals bis in die Abendstunden aufzuführen. Damit darf Jesus bei den nächsten Passionsspielen im jahr 2010 auch in dunkler Nacht ans
Kreuz geschlagen werden.
Stückl, der als Intendant des Münchner Volkstheaters 2006 die Eröffnungsfeier der Fußball-WM inszenierte, hatte im Fall einer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt. Bei einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent votierten aber 64,25 Prozent der rund 4000 Wahlberechtigten für seine Pläne. Der Regisseur freute sich über den Vertrauensbeweis. "Ich muss und ich darf weitermachen, sagte er." Ich bin total froh."
Bisher dauerten die über 100 Aufführungen von 09.30 Uhr bis 18.30 Uhr, unterbrochen von einer dreistündigen Pause. Stückl will aus dramaturgischen Gründen den Beginn auf 14.30 Uhr und das Ende auf 22.30 Uhr verlegen. Während der Gemeinderat seine Pläne guthieß, erzwangen 600 Einwohner einen Bürgerentscheid. Viele Hoteliers, Gastwirte und Andenkenhändler waren gegen das Nachtspiel, weil sie Umsatzeinbußen und höhere Kosten für Mehrarbeit in ihren Betrieben befürchteten.
Stückl gab sich ebenso wie seine Gegner nach Bekanntgabe des
Ergebnisses versöhnlich. "Am Ende zählt immer, dass wir alle Passion spielen und auf der Bühne stehen", sagte er. "Ich bin Spielleiter aller Oberammergauer." Der Sprecher der Nachtspiel-Gegner, Florian Streibl, sprach von einer demokratischen Entscheidung, die es zu akzeptieren gelte. "Jetzt müssen wir alle gemeinsam die Passionsspiele 2010 zum Erfolg führen", betonte der Sohn des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Max Streibl, der für die freie Wählervereinigung "Für unser Dorf" im Oberammergauer Gemeinderat sitzt.
Mit dem Bürgerentscheid stimmten die streitbaren Bewohner des
Herrgottschnitzer-Dorfes wieder einmal über die Zukunft ihres
weltberühmten Passionsspiels ab, seit Einführung des
basisdemokratischen Votums in Bayern zum nunmehr fünften Mal. Die alle zehn Jahre aufgeführten Passionsspiele gehen auf ein Pestgelübde von 1633 zurück. Sie bescheren der Gemeinde jeweils einen zweistelligen Millionengewinn.
kai/dpa/AP