Phantom PeterLicht Hommage an die Glühbirne
"Ich sehe 0815 aus", hat der Mann, der sich PeterLicht nennt, in dieser Woche in einem Radiointerview auf Bayern2 gesagt und sich dann vom Moderator einen neckischen Spruch in den Mund legen lassen: "Hemd, Hose, Schuhe, Gesicht fertig ist der PeterLicht". Wie ein Backrezept für eine Kunstfigur. Als wäre es ein Kinderspiel, sie zu erschaffen.

Künstler PeterLicht: Von der Kunstfigur zur Kunst
Foto: Christian KniebsGanz so einfach ist es dann doch nicht: Der Mann hinter PeterLicht wird erst zu PeterLicht, indem er sein Gesicht streng geheim hält und vor dem Zugriff der Medien verbirgt. Wie eine Marke ohne Logo. Fotos des Liedermachers und Literaten werden zwar gedruckt und gesendet, aber sein Kopf ist nie zu sehen, zumindest nicht von vorne. Oft ist er verdeckt, etwa von ins Bild montierten Flugobjekten wie Tassen oder Bücher. Bei einem Auftritt in Harald Schmidts Fernsehshow durfte ihn die Kamera nur kinnabwärts zeigen, beim Wettlesen um den Klagenfurter Bachmannpreis nur von hinten.
Seinen bürgerlichen Namen hält er geheim, Fragen zu seiner Biografie beantwortet er nicht. Ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Medien, das freilich einem tieferen Sinn folgt: Musik und Texte sollen für sich stehen.
Wer PeterLicht schon einmal gesehen hat, etwa bei einem seiner Konzerte, erzählt von einem mittelgroßen Mann Mitte 30 mit mittelblondem Haar. Ziemlich mittelmäßig. Eine geniale Idee also, den Medien dieses Bild zu entziehen, um ein prägnantes Medienbild zu erzeugen. Genial, aber mit einem Problem: PeterLichts Texte und Lieder werden nun nicht über seine Biografie und sein Gesicht vermarktet, sondern eben darüber, dass sie nicht über seine Biographfie und sein Gesicht vermarktet werden. Es gibt keinen Ausweg, kein richtiges Leben im Falschen, und so dominiert das Bilderverbot alle Berichte und Gespräche über ihn: Ach, das ist doch der, der sich nicht fotografieren lässt!
Höchste Zeit also, endlich von der Kunstfigur zur Kunst zu kommen: An den Münchner Kammerspielen kuratiert PeterLicht vom 24. Januar bis 8. März das "Festival vom Unsichtbaren Menschen". Die Leitfrage des Kapitalismuskritikers: "Gibt es einen individuellen Menschen? Oder ist Individualität nur ein Marketingtool?"
Zum Auftakt stellt PeterLicht bei einem Konzert sein aktuelles Album "Melancholie und Gesellschaft" vor. Der Titel des ersten Songs auf der Platte ist "Räume räumen", und so heißt auch ein Theaterabend, der unter PeterLichts Regie am 31. Januar Premiere feiert. "Die Besucher dürfen keine konventionelle Aufführung erwarten, bei der der Vorhang aufgeht und ein Stück gespielt wird", sagt der betreuende Dramaturg Björn Bicker. "Es ist eher eine theatrale Installation." Grundlage des Abends ist der Text, mit dem PeterLicht 2007 den 3sat- und den Publikumspreis beim Bachmannwettbewerb gewann: "Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends". Hinzu kommen Songs seiner Alben.
Zu Beginn wird der Raum leer sein, bis auf 1400 Glühbirnen unter der Decke eine Hommage an die so in Verruf geratenen Klimakiller. Auch Stühle für die Zuschauer wird es nicht geben. Nach und nach schleppen die 14 Akteure es sind Schauspieler, Tänzer und Musiker dann immer mehr Möbel herbei. "Eigentlich stehen die Zuschauer permanent im Weg", sagt Dramaturg Bicker. "Sie müssen sich ihren Ort immer wieder neu suchen." Im Prinzip funktioniere der Abend wie ein Ameisenhaufen: "Man weiß nicht, was geschieht und ob das Ganze einer Ordnung folgt."
Im weiteren Verlauf des Festivals wird der Jesuit Friedhelm Mennekes mehrmals im Theater predigen, die Hamburger Radiokunst-Gruppe Ligna gestaltet die interaktive Performance "Der neue Mensch" und das Duo Datenstrudel erschafft in einem Live-Workshop den fiktiven Künstler Neo Dampf, der den realen Künstler Neo Rauch im Google-Ranking verdrängen soll.
Wen das unkonventionelle Programm allein nicht überzeugt, den lockt vielleicht der Programmmacher: das Gesicht von PeterLicht. Die Chancen stehen nicht schlecht, es in den nächsten sechs Wochen in den Kammerspielen live zu sehen.
Festival vom Unsichtbaren Menschen: 24. Januar bis 8. März in den Münchner Kammerspielen, Auftaktkonzert am 24. Januar (eventuell Restkarten an der Abendkasse), Premiere "Räume räumen" am 31. Januar (eventuell Restkarten an der Abendkasse), weitere Vorstellungen am 3., 4. 10., 11., 14., 18. und 21. Februar, komplettes Programm unter www.muenchner-kammerspiele.de , Karten unter Telefon (089) 233 966 00.