Pisa - der Geschlechterkampf Einparken auf dünnem Eis
Keine Frage, da ist nichts zu machen. Die Wissenschaft sagt: Frauen sind klüger als Männer. Das liegt schon alleine an dem doppelten weiblichen X-Chromosom, auf dem die Intelligenz-Gene geparkt sind. Apropos: Frauen können selbstverständlich besser einparken als Männer. Schauen Sie nur einmal genau hin! Sie verrichten mühelos mehrere Tätigkeiten gleichzeitig (Telefonieren, mit den Kindern reden und gleichzeitig den Shopping-Kanal verfolgen: Multi-Tasking), haben eine präzisere räumliche Vorstellung von den Dingen (vor allem von Schuhen), kombinieren schneller und sind auch sonst dem so genannten starken Geschlecht in nahezu allen geistigen Belangen überlegen. Einzige Ausnahme ist die korrekte Erklärung der Abseitsregel im Fußball.
Nur gestern Abend war es ein bisschen anders. Das muss am Wetter gelegen haben oder an der angespannten Atmosphäre im Studio. Im "Pisa-Geschlechterkampf" der ARD, der fast drei Stunden währte, gewannen jedenfalls die Männer ganz unerwartet deutlich mit 54,5 gegen 37,9 Punkten. Wahrscheinlich hat es an den Fragen gelegen. Geschichte und Politik, Philosophie und Literatur, Kunst und Geographie kamen nicht vor.
Die Ausgangsbedingungen schienen allerdings fair: Je sechs männliche und weibliche B- und C-Prominente (Wer, bitte, ist Lisa Ortgies?) präsidierten ihren jeweils 120 namenlosen GeschlechtsgenossInnen, die einem repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt entsprachen. Also verkündete es Moderator Jörg Pilawa, der zu Beginn auf Schlittschuhen die glatte Eisfläche der Geschlechter-Arena betreten hatte. Metapher, ick hör Dir trapsen: Dünnes Eis, rutschiges Gelände! Aha.
Kleines Fernsehwunder
Zusätzlich streute Pilawa Salz aufs Eis, als er den traditionellen Gruß in die heimischen Fernseh-Wohnzimmer mit dem Hinweis verband, die Frauenhäuser und Bahnhofskneipen hätten 24 Stunden geöffnet. So wurde häuslicher Unfriede geradezu geschürt, während doch gerade jetzt, in diesen dunklen krisenhaften Zeiten, Versöhnung statt Spaltung angesagt ist.
Stutzig machte den emanzipierten Mann, der natürlich eine Freundin aufs Fernsehsofa gebeten hatte, auch die Tatsache, dass wieder einmal, wie zu Zeiten von "Der goldene Schuss" oder "Dalli Dalli!", eine Frau als Assistentin des großen Moderators engagiert worden war. Politisch korrekt wurde ihr zwar ein männlicher Pisa-Experte zur Seite gestellt, doch Assistentin Inka durfte letztlich auch nur wie einst die Blondmäuse bei Vico Torriani und Lou van Burg lächelnd die neuesten Ergebnisse zum Besten geben.
Nachdem Barbara Eligmann - "Frauen sind cleverer" - und Jan Fedder - "Männer kaufen nicht so viele Schuhe" - noch einmal die strategische Ausgangslage der feindlichen Truppenverbände formuliert hatten, ging es los mit den zwanzig Fragen aus vier Wissensgebieten, die angeblich allesamt auf dem Niveau von Neuntklässlern, also 15-jährigen Schülern lagen.
Und hier geschah nun das kleine Fernsehwunder: Schon bei der erste Frage aus der Kategorie "Sehen, Hören und Verstehen" übertrug sich die aufgeheizte Wettkampfatmosphäre vom Fernsehstudio ins Wohnzimmer: Wer hat genauer beobachtet, besser zugehört, schneller kombiniert? Wo stand noch mal das Auto nach dem ersten Linksabbiegen, haben sich die Tauben wirklich nicht bewegt, wie oft können acht verschiedene Frauenhosen kombiniert werden und wie war das noch mal mit der Rolltreppe und dem Dreisatz?
Rauchende Köpfe und Kugelschreiber
Aus den tiefsten Tiefen der kollektiven wie individuellen Erfahrungen stiegen die uralten schulischen Prüfungs- und Versagensängste herauf, zugleich aber auch der unbedingte Wille zum Sieg - offenbar eine anthropologische Konstante, die sich prinzipiell an jeden Unsinn heften kann. Egal. Es war ja nur ein Spiel.
Binnen Sekunden jedenfalls verwandelte sich ganz Fernsehdeutschland an diesem regnerischen Samstagabend in ein Energiefeld der rauchenden Köpfe und übers Papier flitzender Kugelschreiber.
Gegen alle wissenschaftliche Erkenntnis triumphierten die Männer, denen möglicherweise das schnelle Knopfdrücken bei den Multiple-Choice-Fragen (A, B, C oder D) habituell und haptisch entgegenkam. Und zu Hause, es soll hier nicht verschwiegen werden, wurde ein paar Mal das brennende Feuerzeug geschwenkt, Teil eines virilen Lichtermeeres, das den Olli Kahn in uns zum Leuchten brachte. Nicht unbedingt schön.
Das unheimliche Wesen am Steuer
Auch nicht schön war aber die Bemerkung der Freundin auf dem Sofa, womöglich sei bei den 120 weiblichen Publikumskandidaten die statistisch höhere Zahl der "Hausfrauen" (gegenüber den "Hausmännern") entscheidend für das schlechtere Abschneiden. Sollte Mann dies nun als weiblichen Rassismus gegenüber dem eigenen Geschlecht brandmarken und die Frage aufwerfen, wieso eine intelligente Mutter mehrerer Kinder die Wahrscheinlichkeit eines täglichen Unterwäschewechsels der männlichen Gesamtpopulation weniger gut berechnen könne als ein arbeitsloser Gabelstaplerfahrer aus Neuruppin?
Freilich änderte auch dieser kleine Disput nichts an dem desaströsen Umstand, dass ein Drittel aller deutschen Männer ihre Unterhosen nur alle paar Tage wechseln. Den emanzipatorischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte allerdings bewiesen auf wunderbare Weise einige der eingestreuten Einspielfilme aus den fünfziger und sechziger Jahren, in denen zum Beispiel von einem geradezu exterrestrischen, unheimlichen Wesen namens "Frau am Steuer" die Rede war, die durch obstinates Langsamfahren "den Verkehr behindert" und in Parkhäusern ihren Wagen "verbissen bis aufs Dach steuert, weil es hier wieder hell wird". Da kennt sie sich wieder aus, die Frau am Steuer, sollte das heißen. Doch warum fährt sie dann überhaupt ins Parkhaus? Dies sind freilich Fragen aus der grauen Vorzeit, die die moderne Geschichte des Fortschritts mit der Einführung des videoüberwachten Frauenparkplatzes längst positiv beantwortet hat.
Es ist völlig klar, dass Frauen klüger sind als Männer, besser einparken können und viel sensibler und verständnisvoller mit allen Dingen des Lebens umgehen. Nur gestern Abend war es eben ein bisschen anders. Wie heißt es am Ende von Billy Wilders "Some like it hot", nachdem Jack Lemmon auf dem rasenden Motorboot die Frauenperücke vom Kopf gerissen hat: "Nobody is perfect!"