"Playboy"-Architektur Im Jagdrevier der Junggesellen
Wer hätte damit gerechnet: "In diesem Magazin geht es um Architektur", schrieb Hugh Hefner 1953 in einem Editorial des "Playboy". Tatsächlich fanden sich außer nackten Mädchen in fast jeder Ausgabe auch Fotostrecken und Reportagen über Wohndesign: Das Magazin veröffentlichte Porträts über Frank Lloyd Wright und Mies van der Rohe, zeigte Richard Buckminster Fullers utopische Architekturvisionen. Und als ultimative Fusion von Erotik und Ästhetik räkelten sich Playmates auf Eero Saarinens knubbelig-bequemem "Womb Chair".
Ab Samstag rückt die Ausstellung "Playboy Architektur" in Frankfurt am Main die Beziehung der Erotikzeitschrift zur Architektur von der ersten Ausgabe bis zum Ende der siebziger Jahre in den Fokus. Die Zeit nach 1979 deckt die Schau nicht ab, weil danach das Design aus dem Heft verschwand: Zwar kalauern Männer noch heute, den "Playboy" der Inhalte und nicht der nackten Frauen wegen zu kaufen - aber keiner hat je behauptet, das Magazin wegen der guten Einrichtungstipps zu schätzen. Als Anfang der Achtziger die Konkurrenz zu anderen Erotikzeitschriften wie "Hustler" oder "Penthouse" immer größer wurde, besann sich auch der "Playboy" im Wettbewerb auf die Nacktheit; die Architektur verschwand.
Durch ein Archiv mit alten Heften (zum Durchblättern!) und fünf Pavillons, unter anderem zu Innenarchitektur, Stühlen und Literatur mit Bildern und Modellen (auch von Hefners eigenem legendären Rundbett), beleuchtet die Ausstellung umfassend Wohndesign im "Playboy"-Universum. Jedoch verbeugt sie sich vor der Leistung des "Playboys" als Vorreiter des Avantgarde-Designs so tief, dass sie verpasst, durch kritische ausführlichere Betextungen den Hintergrund der Ästhetik ausführlich aufzufächern. Die Ausstellung verharrt beim provokanten, aber eben auch oberflächlicheren Reiz, der aus der Verbindung zwischen Erotikmagazin und Wohndesign entsteht.
Ausgewildert im Wohnbereich
Dabei existiert Architektur - wie ansprechend sie auch sein mag - ja nie um ihrer selbst willen, sondern spiegelt über ihre Funktion stets ein Stück Gesellschaft. Ästhetisches Bewusstsein bildete für Hefner einen Baustein eines neuen Lebensstils, zu dem er den amerikanischen Hetero-Mann seit der ersten Ausgabe des Magazins 1953 erziehen wollte. Noch bevor Rock'n'Roll populär wurde, entwarf Hefner als Gegenentwurf zur amerikanischen Vorstadtidylle der fünfziger Jahre einen Männertyp, der sich nicht als Ehemann mit einer Frau, sondern als Liebhaber mit möglichst vielen umgab - der nicht nur sexuell komplett selbstbestimmt lebte, sondern auch den häuslichen Raum für sich eroberte. Bis in die Sechziger beschäftigten sich fiktive Bildstrecken im "Playboy" mit diesen Bachelor Pads, also Junggesellenwohnungen, in denen Hausfrauen komplett durch Küchenmaschinen ersetzt wurden und die neuen Haus-Dandys sich an Eero Saarinens "Tulip Chair" mit seiner wie ein Frauenrücken geschwungenen Lehne erfreuen konnten.
Gleichzeitig war im "Playboy" aber das progressive Design Ausdruck einer radikalen Emanzipation des Mannes - bei der sich die Frau aber ganz und gar nicht auf Augenhöhe befand. So hatte das perfekte Bachelor Pad die Funktion, eine Frau erst zu verführen - und sich dann ihrer möglichst schnell zu entledigen: "Was die Vergnügungen angeht, so enthält einer der Hängeschränke von Knoll unter den Fenstern eine komplette Bar. Dadurch kann der gewitzte Junggeselle im Zimmer bleiben, während er einen Cocktail für seine ihrem Schicksal ergebene Beute mixt", informierte das Magazin - klingt heute putzig, war damals voller Ernst. Andere Artikel erläutern, wie sich Saarinens "Womb Chair" problemlos nach rechts oder links schieben ließ, um den Arbeits- in einen Schmuseplatz zu verwandeln, oder zeigen den berühmten Liegesessel P 40 von Borsani, der sich durch einen Metallmechanismus flugs vom Sofa in ein Bett verwandeln lässt.
Letztlich unterstützt die Ausstellung durch ihren unbedingten Fokus auf den "Playboy" als "einflussreichem Förderer der Moderne" (Pressetext) somit auch implizit ein fragwürdiges Frauen- und Männerbild. In anderen Männerzeitschriften dieser Zeit mussten die Männer in der Wildnis Enten schießen oder Forellen fangen, im "Playboy" wurde der Mann eben im bisher weiblich besetzten Wohnbereich ausgewildert - was in der "Playboy"-Logik aber nicht bedeutete, dass die Frau gleichzeitig das Haus verlassen durfte, um zum Beispiel einer Berufstätigkeit oder anderen Dingen im öffentlichen Raum nachzugehen. Sondern den Junggesellen in den Fotostrecken des "Playboys" als stets williges, aber nie bedrohliches Mädchen von nebenan umgab. Mit dieser monatlichen Beruhigungsdosis nackter Frauen fühlte sich der Leser trotz der Tipps zum Einrichten nicht weibisch oder gar homosexuell - sondern wie ein James Bond ohne Außeneinsatz.
"Playboy Architektur, 1953-1979", Deutsches Architekturmuseum , Frankfurt am Main, 15. Februar bis 20. April 2014
Eine gute Vorbereitung auf den Ausstellungsbesuch bietet das Buch "Pornotopia - Architektur, Sexualität und Multimedia im 'Playboy'" von Beatriz Preciado, Verlag Klaus Wagenbach