"Hedda Gabler" in München Drang ins Dunkle

Nachdem es Birgit Minichmayr im Film "Gnade" an den Polarkreis verschlug, spielt sie jetzt die "Hedda Gabler" des norwegischen Autors Henrik Ibsen. Eine Rolle, die man von ihr zu kennen meint.
Von Johan Dehoust
Birgit Minichmayr als Antiheldin Hedda: Sie will nicht nur dienen und gebären

Birgit Minichmayr als Antiheldin Hedda: Sie will nicht nur dienen und gebären

Foto: Thomas Dashuber

Birgit Minichmayr ist im Vollrausch. Nicht, weil sie nächtelang durchgefeiert hat, sondern weil sie nur noch an ihre nächste Premiere denkt. Am Freitagabend spielt sie am Münchner Residenztheater die Titelfigur in dem Stück "Hedda Gabler", inszeniert von Intendant Martin Kušej. In den Tagen vor dem ersten Auftritt ist sie stets wie besessen von ihrer Figur. Sie sei fast nur noch auf der Bühne oder sitze in der Kantine und diskutiere mit ihren Kollegen darüber, was man noch besser machen könne, erzählt Minichmayr. Ständig feilt sie an ihrer Hedda. "Ich mag es, wenn man auf den letzten Metern, die man bis zur Premiere hat, in seinen Gedanken noch mal lossprintet", sagt sie.

Dabei müsste ihr die Titelfigur aus dem Stück des norwegischen Autors Henrik Ibsen doch schon bekannt vorkommen. Eine Frau, die zwischen den Männern intrigiert - da war doch was, oder? Richtig, vor vier Jahren spielte Minichmayr am Wiener Burgtheater die Titelfigur in dem Stück "Der Weibsteufel" und wurde dafür anschließend mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. Auch hier war Kušej der Regisseur; er nahm die Inszenierung nach München mit, wo sie noch immer im Repertoire läuft.

Karl Schönherrs "Weibsteufel" ist eine Dreiecksgeschichte, in der zwei Männer - ein Schmuggler und ein Grenzgänger - um eine Frau kämpfen. Eine schicksalhafte Rolle, nach der man Minichmayr selbst gern als "Weibsteufel", als Diva des deutschsprachigen Theaters, etikettierte.

Hedda liebt die Männer nicht

In "Hedda Gabler" geht es jetzt um eine Frau, die sogar zwischen drei Männern steht. Gabler kehrt mit ihrem Gatten Jørgen Tesman (gespielt von Norman Hacker) von der Hochzeitsreise zurück. Eigentlich könnte ihr gemeinsames Eheglück beginnen. Aber: Hedda liebt ihren Mann nicht, auch das Geld ist knapp. Und dann taucht da auch noch Ejlert Løvborg (Sebastian Blomberg) auf, Tesmans alter, ewig konkurrierender Schulfreund und Heddas ehemaliger Liebhaber. Er droht, die von Tesman angestrebte Karriere an der Uni zu gefährden. Anlass für Hedda, um aus ihrem passiven Leben auszubrechen und die Kontrolle über Løvborgs Schicksal zu gewinnen. Als jedoch der Richter Brack (Oliver Nägele) von ihrem Spiel erfährt, versucht er sie zu erpressen.

Von den grundsätzlichen, strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den Stücken "Der Weibsteufel" und "Hedda Gabler" will Birgit Minichmayr allerdings nichts wissen. Es scheint sie zu nerven, im Vorfeld der Premiere ständig darauf angesprochen zu werden. "Die Figuren liegen weit auseinander", sagt die österreichische Schauspielerin. Beim "Weibsteufel" wisse man nie, ob die Frau die Männer liebe oder nicht. Hedda Gabler dagegen liebe die Männer um sie herum definitiv nicht. Tesman gegenüber verhalte sie sich "destruktiv und depressiv" und zu Løvborg pflege sie ein "voyeuristisches Verhältnis".

Auf der dunklen Bühne lodert ein kleines Feuer

"In dem Stück geht um eine bürgerliche Frau, die im Kopf sehr gut analysiert, in welcher Situation sie steckt, aber wahnsinnige Angst davor hat, sich aus ihr zu befreien", sagt Minichmayr. Hedda lehne im Prinzip alles Weibliche ab, sie wolle nicht nur dienen und gebären - wie es um die Entstehungszeit des Theaterwerkes, um 1890, üblich gewesen sei. "Sie ist eine Antiheldin, ein verzogener Charakter." Damit die Konventionen, aus denen sie sich befreit, deutlich werden, spielt das Ensemble im Residenztheater in historischen Kostümen. Um es herum aber ist eine dunkle Bühne, ein Erdloch, in dem nur ein kleines Feuer lodert.

Im Dunklen zu arbeiten, daran scheint sich Birgit Minichmayr momentan immer mehr zu gewöhnen: Im Kino ist sie seit vergangener Woche in dem Film "Gnade" von Matthias Glasner zu sehen. An der Seite ihres Kollegen Jürgen Vogel spielt sie eine Frau, die mit dem Auto ein Mädchen überfährt und versucht, mit diesem Unglück zu leben. Gedreht wurde überwiegend in Norwegen - am Polarkreis, wo es im Winter nur wenige Stunden hell wird. Für ihre Rolle hat sie sogar einen siebenwöchigen Intensivsprachkurs besucht. Und jetzt auch noch Ibsens "Hedda Gabler" am Residenztheater, das Werk eines Norwegers also. Langsam muss sie wirklich aufpassen, nicht ein neues Etikett verpasst zu bekommen. Aus dem Weibsteufel wird sonst schnell eine Frau der Finsternis.


"Hedda Gabler". Residenztheater  München. Premiere am 26.10., weitere Aufführungen am 27. und 29.10. sowie 4.11. Karten unter 089/21 85 19 40,
"Der Weibsteufel" wieder am 31.10. und 1.11.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten