Pressefoto des Jahres Kämpfer in der Krisenzone

Ein bewaffneter Polizist, der ein zwangsgeräumtes Haus inspiziert - die Schwarzweiß-Aufnahme des US-Fotografen Anthony Suau ist das Pressefoto des Jahres. Es zeigt wie kaum ein anderes die Folgen der US-Hypothekenkrise, die die Weltwirtschaft an den Abgrund brachte.

Amsterdam - Die Wohnung sieht aus wie ein Trümmerfeld: Kartons liegen herum, Stuhlbeine ragen zwischen Kisten und Matratzen in die Höhe, in Mitten des Chaos steht ein Mann in Uniform, die Pistole schussbereit in beiden Händen. Die Aufnahme könnte ein Dokument des Anti-Terrorkampfes in Afghanistan sein, eine Kriegsfotografie. Tatsächlich aber zeigt sie die USA im Jahre 2008, dem Jahr der Hypothekenkrise.

Der Mann in Uniform ist ein Beamter des Cuyahoga County Sheriff's Department. Er inspiziert ein Haus in Cleveland nach der Zwangsräumung, kontrolliert, ob die Bewohner es tatsächlich verlassen haben. Gemacht hat das Bild der US-amerikanische Fotograf Anthony Suau, es wurde in der Zeitschrift "Time" veröffentlicht. Am Freitag wählte die Jury des renommiertesten Preises für Pressefotografie, der "World Press Photo Awards", sein Krisendokument zum Foto des Jahres. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Die Jury-Vorsitzende MaryAnne Golon sagte, die Stärke des Bildes liege in seiner Doppeldeutigkeit. Es sehe aus wie eine klassische Krisen- oder Kriegsfotografie, "aber es ist einfach nur die Zwangsräumung von Menschen, denen ihr Kredit gekündigt worden ist."

Anthony Suau, 1956 geboren, gehört zu den renommiertesten Fotografen der USA. Für seine eindringlichen Reportage-Bilder von der Hungersnot in Äthiopien wurde ihm 1984 der Pulitzer-Preis verliehen. 1987 gewann Suau den World Press Photo Award mit dem Bild einer verzweifelten Mutter eines Demonstranten, die sich während der Unruhen gegen vermeintlichen Wahlbetrug in Südkorea gegen bewaffnete Polizisten auflehnt. Auch damals war Suau für das "Time"-Magazine im Einsatz. 1991 wurde der engagierte Fotograf zusammen mit mehr als 30 anderen Journalisten eine Woche lang vom Regime des irakischen Despoten Saddam Hussein inhaftiert.

Der World Press Photo Award, der an diesem Freitag zum 52. Mal vergeben wurde, ist der Oscar der Pressefotografie. Neben dem "Foto des Jahres" werden herausragende Arbeiten in zehn Kategorien ausgezeichnet, wobei jeweils erste, zweite und dritte Preise für Einzelbilder und Fotoserien verliehen werden. Eine 13-köpfige Jury bestimmt die Gewinner. Die eingereichten Fotos werden dabei nach ihrem Nachrichtenwert und der kreativen Leistung des Fotografen bewertet.

Zu den weiteren Preisträgern 2008 gehört der Fotograf Luiz Vasconcelos. Für sein Bild einer Frau mit nacktem Kind auf dem Arm, die sich in Manaus gegen die Vertreibung aus ihrem Haus wehrt und sich den gut ausgerüsteten Sicherheitskräften in den Weg stellt, erhielt der Brasilianer den Preis für das beste Bild in der allgemeinen Kategorie "Nachrichten".

Das beste Foto in der Rubrik "Aktuelle Ereignisse in den Nachrichten" kommt aus China: Chen Qinggang fotografierte Rettungskräfte, die einen Überlebenden des Erdbebens von Beichuan bergen.

Mit der Aufnahme eines müden Barack Obama, der im Bus eine Zeitung liest, während sich Ehefrau Michelle an seiner Schulter ausruht, setzte sich die Fotografin Callie Shell bei "Menschen in den Nachrichten" durch. Das Foto aus dem US-Wahlkampf erschien wie das von Suau in der Zeitschrift "Time".

Insgesamt wurden in diesem Jahr 64 Fotografen aus 27 Ländern, darunter auch aus Deutschland, ausgezeichnet. Eingereicht worden waren mehr als 96.000 Beiträge von 5.600 Fotografen aus 124 Ländern. Die ausgezeichneten Fotos werden vom 4. Mai bis 28. Juni in Amsterdams Oude Kerk ausgestellt und dann in einer Wanderausstellung in mehr als 100 Städten zu sehen sein.

Ausgerichtet wird der "World Press Photo Award" von einer gleichnamigen niederländischen Stiftung. Die unabhängige Non-Profit-Organisation wurde 1955 gegründet.

Im vergangenen Jahr zeichnete die Jury den britischen Fotografen Tim Hetherington mit dem Hauptpreis, dem "Foto des Jahres", aus. Seine Aufnahme zeigt einen US-Soldaten, der während einer Feuerpause in Afghanistan erschöpft an einer Hauswand lehnt.

chc/bor/AP

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