Presserat rügt häufiger Schleichwerbung und Opferfotos

Zeitunkskiosk in Bonn: Mehr Beschwerden dank Social Networks
Foto: dapdBerlin - Die Deutschen beschweren sich immer häufiger über falsche oder unkorrekte Berichterstattung in den Medien. Wie der Deutsche Presserat meldet, seien bis Ende November 1573 Beschwerden eingegangen. Man rechne mit insgesamt 1700 Einlassungen für das Jahr 2010.
Die Folge der höheren Anzahl von Beschwerden: Der Presserat hat 2010 deutlich mehr Rügen ausgesprochen als noch im letzten Jahr. Insgesamt seien 36 öffentliche und sieben nicht-öffentliche Rügen erteilt worden, sagte Geschäftsführer Lutz Tillmanns. 2009 wurde 22 mal öffentlich und acht mal nicht-öffentlich gerügt.
Die Rüge ist die schärfste Sanktion des Selbstkontrollorgans der Verlage. Eine öffentliche Rüge muss das betroffene Medium selbst abdrucken. Nicht-öffentliche Rügen werden dann ausgesprochen, wenn ein Abdruck der Rüge den Opferschutz verletzen würde. Geldbußen gibt es nicht.
Die höhere Zahl der Beschwerden erklärt der Presserat damit, dass sich Leser zunehmend über soziale Netzwerke austauschen und Links zum Beschwerde-Formular der Pressewächter weiterleiten.
Der Großteil der Beschwerden richtete sich gegen Boulevardmedien. Bei der letzten der jährlich vier Sitzungen erteilte der Presserat am 1. und 2. Dezember allein 15 Rügen.
Die Aachener Ausgabe der im Springer-Verlag erscheinenden "Bild"-Zeitung und deren Online-Ausgabe wurden wegen eines Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte eines Mordopfers öffentlich gerügt. Die Zeitung und das Online-Portal hatten einen Arzt aus dem Rheinland, der erschossen worden war, mit abgekürztem Namen genannt und ihn mit einem Foto gezeigt. Der Beschwerdeausschuss stellte fest, dass das öffentliche Interesse an diesem Fall nicht den Persönlichkeitsschutz des Opfers überwog. Die identifizierende Darstellung sei nicht gerechtfertigt gewesen.
In 14 Fällen rügte der Presserat die Verletzung des im Pressekodex vorgeschriebenen Gebots der klaren Trennung von Redaktion und Werbung. In elf Fällen seien redaktionell gestaltete Anzeigen erschienen, die nicht als solche gekennzeichnet worden seien.
In all diesen Fällen ging es um dasselbe Kosmetikprodukt, das von scheinbar unabhängigen Konsumenten und Experten angepriesen wurde. Tatsächlich handelte es sich um bezahlte Werbung. Diese muss allerdings nach dem Pressekodex so gestaltet sein, dass sie für die Leser als Anzeige erkennbar ist. Wegen solcher Schleichwerbung gerügt wurden die bunten Blätter "Heim und Welt", "Lea" (beide Klambt-Verlag), "Alles für die Frau", "Tina", "Mach mal Pause", "Laura","Das neue Blatt", "Freizeitwoche", "Das Neue" sowie in zwei Fällen "Die neue Frau" (sämtlich im Bauer-Verlag erscheinend).
Die Boulevardzeitung "Berliner Kurier" wurde ebenfalls wegen Verletzung des Trennungsgrundsatzes gerügt. In der Zeitung und in ihrer Online-Ausgabe war über eine Mittelmeerkreuzfahrt berichtet worden. Ohne nachvollziehbaren Grund gab die Zeitung nur einen einzigen Anbieter an, dazu Preis und Reiseroute. Am Ende des Artikels standen die Telefonnummer und die Website des Reiseveranstalters. Der Beschwerdeausschuss erkannte darin Schleichwerbung - und rügte. Auch "TV14" (Bauer) und "TZ-Online" (Ippen-Gruppe) wurden wegen Schleichwerbung gerügt.