ProSieben-Zweiteiler "Der Bibelcode" Cosma Shiva riskiert 'ne dicke Lippe
"Es wird Schreckliches passieren ... der Papst ... du musst es verhindern." Viel mehr kann der hinterrücks erschossene Mann nicht hervorbringen, dann erstickt seine Rede im Blutstrom, der aus seinem Mund quillt.
Für die junge Polizistin Johanna (Cosma Shiva Hagen), der die Aufforderung gilt, bedeuten die letzten Worte des Sterbenden gleich mehrere existentielle Rätsel: Erst kurz zuvor hatte der Mann sie mit der Behauptung, ihr totgeglaubter Vater zu sein, zu dem Treffen gelotst. Nun erweist er sich als brillanter Bibelforscher, der gefährlichem Geheimwissen auf der Spur war und sie hat mit einem Amulett und seinen Habseligkeiten auch seine Bedrohung geerbt.
In der Wohnung des Ermordeten trifft Johanna auf Spuren der Verwüstung und den verdutzten französischen Religionswissenschaftler Simon (Olivier Sitruk), der für den Forscher gearbeitet hatte. Gemeinsam entdecken sie mehrere Reisepässe, Geld und einen Laptop, den sie kaum geöffnet haben, als ihnen schon die ersten Kugeln um die Ohren fliegen.
Nach einer halsbrecherischen Flucht über die Dächer Münchens machen sich die beiden daran, zu ergründen, was so brisant ist, dass höchste Kirchenkreise dafür über Leichen gehen. Es scheint sich um einen Code zu handeln, mit dessen Hilfe sich dem Urtext der Heiligen Schrift düstere Prophezeiungen entnehmen lassen, die bei rechtzeitigem Erkennen abwendbar sind ...
Da wären wir also wieder, mag sich der Zuschauer denken: Ein unfreiwillig zusammengespanntes Protagonisten-Team geht auf mythologisch verbrämte Schnitzeljagd. Kaum ist die gestrige RTL-Suche nach dem "Schatz der Nibelungen" absolviert, lädt ProSieben zum nächsten aufgedonnerten Entertainment-Event.
Einzige Frau unter lauter Kirchenmännern
Führte das gestrige Drachenblut-Abenteuer auf die Insel Rügen, unter den Kölner Dom und zum Schloss Neuschwanstein, so bilden hier München und Graz, Avignon und Rom und im morgigen zweiten Teil sogar die Wüste Negev die pittoresken Schauplätze. Und so wie die Nibelungen-Ausschlachtung an den Kinohelden "Indiana Jones" erinnerte, lassen hier Dan Brown und sein "Da Vinci Code" grüßen.
Ob die zeitliche Nähe der beiden ähnlich gelagerten TV-Stoffe dem nunmehr zweiten Bewerber um die Publikumsgunst guttut, darf bezweifelt werden. In jedem Fall ist sie programmplanerisch gewagt, weil sie bei der von den Kommerzkanälen umworbenen Zielgruppe Übersättigung riskiert.
Für ProSieben wäre das ein bedauerlicher Effekt ist man doch stolz auf die von Christoph Schrewe inszenierte Eigenproduktion (Buch: Timo Berndt, Georg Lemppenau). "Ganz in der Mystery-Tradition" seines Hauses verortet Christian Balz, Leiter deutsche Fiction bei dem Münchner Sender, den Stoff und verweist auf "Das Jesus Video" (2002) und "Das Blut der Templer" (2004) mit Harald Krassnitzer als Gralshüter.
Tatsächlich spielt "Der Bibelcode" frei nach dem 1997 erschienenen gleichnamigen Bestseller des US-Autors Michael Drosnin in einer ähnlichen Liga: hart an der Grenze zum Albernen und mit einigem Trash-Appeal. Aber er traut sich auch was.
So ist die Besetzung der schmolllippigen Nina-Hagen-Tochter Cosma Shiva als Action-Heroine à la Angelina Jolie in etwa so schräg wie die von Unterhaltungsurgestein Joachim Fuchsberger als Papst Innozenz V.
Beide schlagen sich achtbar: Bemerkenswert, wie Cosma Shiva Hagen dem Druck standhält, dass die Kamera praktisch ununterbrochen an ihren Lippen hängt und sie die kompletten 180 Minuten als einzige Frau unter lauter Kirchenmännern und Kuttenträgern zu bewältigen hat.
Sportlich-ironische Dialoge
Selbst die verschärften Anforderungen des zweiten Teils, in dem sie einem Sandsturm trotzen, seherische Fähigkeiten entwickeln und ein Virenattentat vereiteln muss, spielt sie unbekümmert weg. Und die Szenen mit dem alten Wallace-Mimen und Showmaster Fuchsberger als grundgütigem Heiligen Vater, auf den am Ende des ersten Teils als Cliffhanger ein Messerattentat verübt wird, bewirken sogar eine gewisse Rührung.
Wirklich ernst nehmen kann man das Geschehen nicht aber das verlangt ja Gott sei dank auch keiner. Im Fall der 27-jährigen Hauptdarstellerin mag man sich sogar einbilden, sie gelegentlich ganz leicht grinsen zu sehen, und ein paar sportlich-ironische Dialoge hat man ihr auch gestattet.
Wenn etwa ihr bebrillter Sidekick wieder mal erfolgreich etwas aus dem phönizischen Hebräisch übersetzt hat, dabei aber auch nur kryptische Prophezeiungen ("Die 86 markiert den sterbenden gelben Mann") zutage fördert, entfährt ihr schon mal ein ketzerisches "Na, super, dann ist ja alles klar". Und als sie der Papst-Gegenspieler Kardinal Rhades (James Faulkner) mit salbungsvollen Worten für seine Feuer-und-Schwert-Lehre gewinnen will, herrscht sie ihn an: "Kommen Sie aufn Punkt!"
So transportiert sie auf subtile Weise die einzige Haltung, mit der sich der Film goutieren lässt: Freude am Trash, und bloß nicht zu hoch hängen, das Ganze. Dass ProSieben im Anschluss eine "Galileo Mystery"-Ausgabe über Geheimbotschaften in der Bibel nachlegt, steht ja auf einem anderen Blatt.
"Der Bibelcode", heute und morgen, 20.15 Uhr, ProSieben