Raucherin Annett Louisan "Du fühlst dich wie ein Tier im Zoo"
Als Raucherin hat man in Deutschland zurzeit kein besonders angenehmes Leben: Vor einigen Wochen saß ich in Hamburg auf einer Bank an der Außenalster. Es war ein sonniger Tag, ich las in einem Buch und rauchte eine Zigarette - unter freiem Himmel. Einem Jogger passte das nicht. Er wurde ausfällig und bepöbelte mich, es sei eine Frechheit, dort zu rauchen, wo er Sport treibe.
In München habe ich etwas Ähnliches erlebt: Nach einem Auftritt saß ich mit einem Freund im Biergarten eines Restaurants. Da alle Plätze besetzt waren, fragte uns ein Pärchen, ob es uns störe, wenn es sich an unseren Tisch setzte. Wir verneinten. Als alle am Tisch mit dem Essen fertig waren, habe ich mir eine Zigarette angezündet. Sehr zum Missfallen des anderen Paares, das sich lautstark beschwerte und mich in eine erbitterte Diskussion über das gesundheitliche und gesellschaftliche Übel des Rauchens verwickeln wollte. Die beiden waren Amerikaner, in den USA ist die Ablehnung von Rauchern noch stärker, dort wird jeder mit einer Zigarette im Mund in der Öffentlichkeit entsetzt angestarrt. Aber auch in Deutschland gerate ich immer häufiger in solche Situationen.
Es ist erschreckend, wie wir Raucher in eine Ecke gedrängt werden: Wir werden komisch angesehen, ausgesondert, der Spaß am Rauchen wird uns verleidet. Die Raucherghettos auf Bahnsteigen und Flughäfen sind erniedrigend. Die Leute starren dich an, du fühlst dich wie ein Tier im Zoo. Kaum zu ertragen.
Ich fühle mich diskriminiert, muss mich mit massiver Intoleranz herumschlagen, mitunter sogar mit Aggressionen. Rauchen ist etwas Schlechtes, und damit ist jeder Raucher automatisch ein schlechter Mensch, den man schlecht behandeln darf. Das bekomme ich häufig zu spüren. Manche Nichtraucher fühlen sich durch meine Zigarette angegriffen und bedroht und reagieren völlig überzogen. Sie nehmen mir mit ihrer Intoleranz meinen Freiraum.
Ich weiß, dass Rauchen schädlich ist. Ich bin ja nicht blöd. Aber für mich ist es Teil meiner persönlichen Freiheit als Erwachsene, es trotzdem zu tun. Wenn die Gesellschaft mir sagt, wie ich zu sein und zu leben habe, fühle ich mich beschnitten und kontrolliert. Bei aller notwendigen und wünschenswerten Rücksicht auf Nichtraucher - ich denke, jedem Menschen sollte freigestellt sein, welche Laster er hat. Es sollte beides geben - Orte für Raucher und Orte für Nichtraucher, und jeder sollte die Entscheidung des anderen akzeptieren und Rücksicht nehmen. Deshalb lebe ich auch in Berlin-Kreuzberg, einem Reservat für Freigeister, in dem das Rauchverbot nicht so dogmatisch befolgt wird.
Für mich als Sängerin ist die Zigarette zudem ein ästhetisches Stilmittel, das ich gern benutze, auch auf den Fotos für mein aktuelles Album. Obwohl es heute schon fast anrüchig ist, sich mit Zigarette in der Hand ablichten zu lassen.
Ich rauche oft in Situationen großer emotionaler Spannung. Manchmal auch auf der Bühne. Auch da muss ich mir häufig böse und abfällige Kommentare aus dem Publikum anhören. Manche stören sich daran, gerade weil zu meinen Konzerten auch Jugendliche kommen. Aber ich denke nicht, dass es Aufgabe eines Künstlers ist, Vorbild zu sein oder eine kinderfreundliche Show zu liefern. Ich möchte niemanden erziehen, möchte nicht den Zeigefinger heben. Mir geht es nicht um richtig oder falsch, ich möchte unterhalten und berühren. Und ich möchte ehrlich sein, keine Maske tragen, auch nicht auf der Bühne. Ich bin wie ich bin, dazu gehört, dass ich rauche. Und meiner Stimme tut das Nikotin gut, die kann etwas Schmutz durchaus vertragen.
Rauchen ist ein egoistischer und hedonistischer Akt. Ich bin Genussraucherin. Eine Zigarette zur Belohnung nach gelungener Arbeit, nach dem Essen, nach dem Sex oder zum Wein macht mich glücklich. Ich rauche gern. Zugegeben, wahrscheinlich bin ich auch nikotinsüchtig. Ich bin nicht vollkommen, bin voller Schwächen, aber die gehören zu mir. Und ich bin ein sehr trotziger Mensch: Wenn mir etwas verboten wird, bekomme ich große Lust, es gerade deshalb zu tun. Keine sehr reife Haltung, ich weiß. Vielleicht bin ich einfach noch nicht erwachsen genug, vernünftig zu handeln und mit dem Rauchen aufzuhören. Aber diese Entscheidung würde mir leichter fallen, wenn ich mich nicht ständig mit der Intoleranz vieler Nichtraucher herumärgern müsste.
Aufgezeichnet von Jörg Böckem
Louisan, 31, hat gerade die CD "Teilzeithippie" (105 Music) herausgebracht und geht ab 28.1. auf Tournee.