RBB-Talk "Thadeusz" Massakrierte Barbiepuppe
Es gibt viele Dinge im Leben, die der Mensch nicht braucht. Schlüsselanhänger aus Rentierknochen zum Beispiel. Oder Handyklingeltöne mit der isländischen Nationalhymne. Noch viel weniger als all das braucht der deutsche Fernsehzuschauer allerdings eine neue Talkshow im Dritten Programm.
Diese schlichte, aber unbestreitbare Tatsache scherte den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) leider wenig, und so startete gestern Abend um 22.15 Uhr "Thadeusz", der 30-minütige "Talk" des 37-jährigen Moderators Jörg Thadeusz, der ab sofort montags bis mittwochs die nationale Fernsehkultur bereichern soll.
In der Medienszene gilt Thadeusz als humorbewehrte Allzweckwaffe. Für seine Außenreportagen bei der WDR-Sendung "Zimmer frei" erhielt er im Jahr 2000 den Grimme-Preis. Beim NDR moderierte er das medienkritische Satiremagazin "Extra 3", vertrat zeitweilig Jörg Pilawa bei der freitäglichen "NDR-Talkshow" und ersetzte, während ihrer Babypause, sogar eine Frau: Tita von Hardenberg bei "Polylux". Daneben fand er noch Zeit, für "Radio 1" zu arbeiten und zwei Romane zu schreiben: "Rette mich ein bisschen" und "Alles schön".
Schrecklich schön ist auch das funkelnagelneue Fernsehstudio, in dem jede Menge Damenschuhe und hochhackige Stiefel für die angemessene Atmosphäre sorgten. Der Gast soll sich ja wohl fühlen. Zum Auftakt kam nämlich Ildikó von Kürthy, 37, "Stern"-Redakteurin und Bestsellerautorin mit einer verkauften Gesamtauflage von 2,5 Millionen Exemplaren. Sie ist die Hera Lind der "Generation Golf".
Ihre Buchtitel sind Programm und haben dem nachkriegsdeutschen Frauenroman eine ganz neue Seichtigkeit des Seins verliehen: "Freizeichen", "Mondscheintarif", "Blaue Wunder", "Herzsprung". Immer ist da irgendein Sven oder Martin, in den irgendeine Elli schwer verliebt ist. Kein Wunder, dass es gleich losgeht mit den Schwierigkeiten, wenn Sven oder Martin oder Florian total offen bekennt: "Du Ellie, es liegt nicht an dir, ich bin einfach noch nicht bereit für eine feste Beziehung!"
"Du Jörg", hätte auch der Fernsehzuschauer schon nach wenigen Minuten sagen wollen, "lass man gut sein. Ich bin irgendwie noch nicht bereit für Deine Sendung."
Aber da hätte man schon wieder die nächsten fünf Sätze verpasst. Denn nicht nur Moderator Jörg Thadeusz, sondern auch der weibliche Gast gehört zur Spezies jener Schnellsprecher, die umso rasanter reden, je weniger sie zu sagen haben. Und so breitete sich ganz schnell eine lähmende Leere im Studio aus, eine schwer lastende Nichtigkeit des Seins, an der auch ein schwarzer Steward in Phantasieuniform nichts ändern konnte. Er brachte zwar Champagner für die weiße Massai, doch das Prickeln blieb im Glas.
Der Rest war Fragetechnik der subtilen Art: "Wie siehst du morgens aus?" "Gibt es neidische Kollegen?" "Woher kommt dein Erfolg?" "Warum gibt es keinen Sex in deinen Büchern?" Gott bewahre. Nein, Ehrgeiz kennt sie nicht, Neid spüre sie nicht und außerdem sei das Bücherschreiben, das ihr Millionen einbrachte, ja "nur ein Hobby" zur "Selbstbefriedigung". Ganz ehrlich. Und über Sex könne man eben nicht leicht und lustig schreiben, meinte von Kürthy, die von Woody Allen wohl noch nichts gehört hat. Oder von Philip Roth.
Einen kleinen Augenblick der Ehrlichkeit gab es dann doch: "Ich mag, was alle mögen", offenbarte die Bestsellerautorin treuherzig. "Ich bin ganz normal."
So kann man es auch formulieren, das sensationelle Erfolgsgeheimnis, auch wenn es da und dort den einen oder anderen geben mag, der nicht mag, was Frau von Kürthy mag. Der Jörg war's jedenfalls zufrieden und bat zur Schuhanprobe ins weibliche Traumreich, dorthin, wo noch kein Mann wirklich war.
Diese dramaturgische Idee war allerdings ungefähr so alt wie das Privatfernsehen, und wieder waren ein paar Sendeminuten geschafft. Einsam perlte derweil das Champagnerglas vor sich hin, und manch einer hätte sich sehnlich gewünscht, dass plötzlich "Dittsche" im gestreiften Siff-Bademantel in die Kulisse gestolpert wäre...
Doch der Sendeablauf war eisern. Er sah vor, dass nach dem weißen Fransenstiefel die Barbiepuppe kommen musste, Anlass für ein Frage-Antwort-Spiel. Doch die offensichtlich überforderte Autorin zog es in einer verzweifelten Übersprungshandlung vor, die Puppe zu massakrieren. Bevor dieser abgründige und womöglich aufschlussreiche Gewaltakt ausgelotet werden konnte, dräuten schon die "sieben fiesen Fragen".
Die fieseste: Ob sie sich von Angela Merkel irgendwie vertreten fühle? Da drückte sich Ildikó von Kürthy, wich aus und schwieg. Verständlich. Ihr Erfolgsgeheimnis könnte Schaden nehmen: "Ich mag, was alle mögen". Wehe, wenn nicht.
Nach knapp 30 Minuten "Thadeusz" bleibt es allerdings das Geheimnis des rbb, was er mit dieser neuen Talkshow will. Die wahrscheinlichste Variante: Der televisionäre Gammelfleischtest. Was schluckt der Zuschauer noch, bevor ihm übel wird?
Stefan Raab machte es zur gleichen Zeit in "TV Total" (ProSieben) schon mal vor, lud dafür aber einen leibhaftigen Geier (samt Betreuer) ins Studio. Und siehe, der Geier verspeiste die vergammelte Leber anstandslos.