Ausstellung "Revolution der Bilder" Nieder mit dem Mieder!
Die Moderne begann in Frankreich - zumindest in der Malerei. Aber auch schon vorher, vom 17. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, war das Land Vorbild für die Entwicklung der gesamten Kunst in Europa. Das hing natürlich mit der gesellschaftlichen Entwicklung der Grande Nation zusammen. Wie sich die Malerei und besonders auch der Stand des Künstlers vom gelehrten Maler zum Genie in dieser Spanne verändert hat, zeigt die Ausstellung "Von Poussin bis Monet", die jetzt im Arp Museum Rolandseck und ab Herbst im Bucerius Kunstforum in Hamburg zu sehen ist.
Insgesamt fünfzig Meisterwerke von Malern wie Chardin und Watteau, Renoir, Van Gogh und Cézanne werden gezeigt. Die Hälfte kommt aus den hochkarätigen eigenen Beständen der Sammlung Rau im Arp Museum, die anderen Gemälde sind Leihgaben aus der National Gallery of Ireland in Dublin, die gerade renoviert wird und deshalb ihre Werke erstmals in diesem Umfang nach Deutschland ausleiht.
Beobachten lässt sich dabei auch, dass die Veränderung der Malerei und damit die Entstehung des Künstlerstands nicht erst Mitte des 19. Jahrhunderts stattfand, wovon oft ausgegangen wird, sondern dass sie bereits im Jahr 1648 mit der Gründung der Académie royale de peinture et de sculpture begann.
Bis dahin hatten die Zünfte das Monopol für alle Künste, und damit waren Maler und Bildhauer Berufen wie dem des Anstreichers gleichgestellt. Erst die Akademie-Gründung unter Ludwig XIV. machte die Künstler unabhängig und erkannte ihre Begabung als förderungswürdig an. Zur Ausbildung gehörten nun neben dem Zeichenunterricht und dem Studium der antiken und zeitgenössischen Kunst auch theoretische Fächer wie Anatomie, Geometrie und Perspektive, später auch Geschichte und Geografie. Diesen neuen, gebildeten Künstler setzte der Maler Charles Le Brun gleich in ein Selbstporträt um und etablierte damit einen neuen selbstbewussten Künstlertypus.
Für den beginnenden und vollendeten Umbruch stehen als Fixpunkte der Barockmaler Nicolas Poussin und der Impressionist Claude Monet. Dazwischen, nicht nur durch die französische Revolution, veränderten sich im 18. Jahrhundert alle Bereiche des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Die Aufklärung hatte mit ihrer Hinwendung zu den Naturwissenschaften und zur Vernunft, zu Toleranz und den Menschenrechten schon ihren Teil beigetragen; die Gegenbewegung der Romantik brachte noch einmal neue Perspektiven.
Die Revolution in der Malerei entwickelte sich parallel dazu nicht als ein einziger Bruch, sondern langsam und stetig, in fortlaufenden Umbrüchen, von einem Jahrhundert zum nächsten - und bewegt sich dabei zwischen verschiedenen Polen.
Erhabene Pinselstriche
Mehr und mehr stellten sich im 19. Jahrhundert führende Maler, allen voran Courbet und seine Kollegen der Schule von Barbizon mit Millet und Corot, gegen die vorherrschende Historienmalerei. Sie brachen aus dem rigiden Formen- und Themenkanon des Akademischen aus und erkannten nur die Natur als ihre verbindliche Autorität an. Und nachdem sich eine neue Bürgerlichkeit etabliert hatte, brachte sie zugleich ein neues Selbstverständnis der Künstler als Antipoden hervor, was zur Inszenierung des Künstlers als Bohemien, als Außenstehender der Gesellschaft führte.
Dem realen Leben kann sich der neue Malertypus nicht entziehen, denn seine Auftraggeber sind nicht mehr Adel und Kirche, sondern die neuen Bürger, die ihm zunehmend ein immer besseres Auskommen sichern. Dafür wollen sie für ihre Wohnzimmer Werke mit anderen Bildaufgaben: Ein bürgerlicher Realismus zieht in die Malerei ein, also das reale Leben: In den Küchenstücken und Stillleben ersetzt das Huhn den Fasan, der Fisch die Auster. Auch die Porträts ändern sich: So malt Jean-Siméon Chardin ein frohes Kindergesicht beim Schulunterricht und nennt es "Die kleine Schulmeisterin" - ein Motiv, das die Akademie nie zugelassen hätte.
Gleich mehrere Gemälde in der Ausstellung zeigen, wie das strenge höfische Zeremoniell durch eine lockere Sinnlichkeit mit erotischem Amüsement, am liebsten in der Natur, ersetzt wird. Und es lockert sich nicht nur das Korsett, sondern auch der Duktus - Gefühl kommt ins Spiel.
Schließlich folgt der Durchbruch der Moderne: Der Pinselstrich löst sich vom Gegenstand, bleibt sichtbar, bisweilen sogar fühlbar, wenn er erhaben auf die Leinwand gesetzt wird. Der Impressionismus ist geboren, er wird in der freien Natur praktiziert und spiegelt das Licht in kleinen Farb-Pixeln. Diese Freiheit, direkt zu malen, was man sieht, wird übrigens erst durch die Erfindung der flexiblen Farbtube möglich.
Mit dem neuen Blick auf die Natur ändert sich auch der Blick auf das Innere des Menschen. Es folgt die Entdeckung des Selbst: Aus dem Geiste der Subjektivität entsteht die Romantik, die vor allem einem Gefühl huldigt: der Liebe. Das Moment des Erotischen hält Einzug - und die festverzurrte Kleiderordnung ist dahin.
Ausstellungsangaben:
Revolution der Bilder. Von Poussin bis Monet. Remagen, Kunstkammer Rau im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, bis 6.9.; in Hamburg im Bucerius Kunst Forum vom 10.10.2015 bis 17.1.2016.