
Rezept für Hühner-Wraps Wickel sie ein, die Reste
Über die prinzipiellen Probleme, die uns das gemeine, nasenlose Haushuhn bei der Umsetzung des hippen "Nose to tail"-Kochmegatrends macht, hatten wir in der vergangenen Hühnertopf-Tageskarte bereits nachgedacht und entsprechende Strategien entwickelt, wenigstens von Schnabel bis Bürzel so viel wie möglich kulinarisch zu verwerten.
Wer schlau war, hat zum Beispiel die Reste der in diesem Rezept gekochten Suppe entweder direkt eingefroren oder zuvor durch Einreduzieren zu einer Art Hühnerfond komprimiert und danach praktisch portionierbar in Eiswürfelbeutel abgefüllt und gefrostet. So was kann man immer gebrauchen. Nur heute nicht, da kommt das im Zuge der Suppenproduktion angefallene Brustfleisch zum Einsatz.
Die extrem mageren Brüstchen sind durch das lange Kochen natürlich geschmacklich ausgezehrt und eher trocken und zäh. Genau dadurch aber qualifizieren sie sich perfekt zur Proteinlieferantin für unseren ansonsten durch Mayo-Creme und allerlei saftigem Gemüse ausreichend angeschmierten Snack.
Weltweit wird gewickelt
Generell ist das Einwickeln (engl. "to wrap") allerlei essbarer Zutaten in platte Teigfladen ja ein alter Hut: Im arabischen Raum wird seit Jahrhunderten das Döner-Rollenvorbild Schawarma in dünnes Fladenbrot gewickelt serviert, die asiatischen Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winter-Rollen sind Legende, der im Türkenimbiss beliebte Dürüm Döner - ein kulinarisches Kind der neunziger Jahre - kommt eingerollt im hauchdünnen Yufka-Teig oder in der Pizza-Abart Lahmacun, die Franzosen wickeln seit je alles Mögliche in ihre Crêpes und Galettes, und auch Muttis gerollter Frischkäse-Lachspfannkuchen sorgt immer wieder für kleine Silvesterpartyfreuden.
Ob der Wrap sich nun ursprünglich von Nordmexiko aus über Texas in die USA ausbreitete oder der Wickelsnack-Migrationsstrom genau andersherum floss, ist weitgehend unerforscht, aber auch nicht von welternährungsrettender Bedeutung. Einerseits würden Mexikaner ihre Tortillas niemals freiwillig mit Weizenmehl herstellen. Warum auch, ergibt ihre Methode, eingeweichte und anschließend unter großem Druck gepresste Maiskörner direkt zu Teig zu verarbeiten, weitaus bessere Tortillas. Nur wenn sie wickeln wollen wie die Gringos, nehmen sie für ihre Burritos immer öfter Weißmehl, was in den nördlichen Landesteilen prompt zu einem USA-ähnlichen Anstieg der Adipositas-Raten geführt hat.
Selbstgemachte Tortillas mit freier Mehlwahl
Längst gibt es für die praktisch vorbereitbaren, gut zu transportierenden und meist im Gegensatz zu vielen anderen Fast Foods auch ohne klebrig-glänzende totalverschmierte untere Gesichtshälfte essbaren Wraps auch hierzulande fertige Weizen-"Tortillas" im Supermarkt. Kann man nehmen, kann man aber auch mit wenig Aufwand, dafür aber garantiert ohne Chemiezusätze, selber backen, was den Vorteil der (fast) freien Mehlwahl mit sich bringt: Vollkorn-Sorten sind ebenso möglich wie Buchweizen, Maismehl oder als Beimischung auch Kichererbsenmehl. (Grundrezept siehe nächste Seite).
In diesen Fällen aber stets den noch warmen Fladen wickeln, sonst besteht Reiß- oder Bruchgefahr. Ansonsten ist das Wrapping recht ungefährlich, man kann alles, was kleiner ist als eine Wachtel, bequem einrollen, wobei es prinzipiell dem Geschmack und dem Verzehr-Handling stark entgegen kommt, wenn die Zutaten vor dem Rollen sehr klein oder zumindest in dünne Streifen geschnitten werden.
Beim Wrap ist es wie in der Liebe: Erlaubt ist alles. Zumindest alles, was auch sonst gut zusammenpasst. Nur bei der Wahl der Creme sollte auf eine angenehme Fettbalance mit den restlichen Zutaten geachtet werden. Wir brauchen, obwohl wir die ausgelaugten Suppenbrüstchen geschmackvoll kalt marinieren, als Ausgleich für das noch immer recht trockene Fleisch eine etwas üppigere Mayo, die wir aber mit Hilfe von körnigem Senf, Crème fraîche, etwas Bindemittel und feinsinniger Estragonparfümierung aus der Pommes-Schranke-Diaspora retten.
So schafft es sogar das staublungige Suppenhuhn, unseren Gaumen mit seinen Überresten locker um den Finger zu wickeln.
Rezept für Hühner-Wraps (Snack für 4 Personen)
Vorbereitungszeit: 20 Minuten (plus 30 Min. Marinierzeit)
Zubereitungszeit: 10 Minuten
Schwierigkeitsgrad: Einfach
Zutaten
200 g gekochtes, kaltes Hühnerbrustfleisch (z.B. vom ausgekochten Suppenhuhn)
3 EL Sojasauce
1 EL Worcestersauce
2 EL Walnussöl
1 Prise bunter Pfeffer aus der Mühle
70 g Champignons
50 g Radicchioblätter
75 g Romana-Salatblätter (grüner Teil)
50 g weiße Zwiebel
50 g Apfel
50 g Selleriestange
1 Eigelb
2 EL körniger Senf
2 TL frischer Zitronensaft
0,5 TL feines Meersalz
85 ml Walnussöl
100 g Crème fraîche
1 EL fein gehackte Estragonblätter
1-2 TL Pfeilwurzelmehl (Bindemittel aus dem Reformhaus)
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
1 Prise Zucker
4 weiche Wrap-Tortillas (aus dem Supermarkt oder selbst gemacht siehe unten)
Zubereitung
Hühnerbrustfleisch in möglichst feine Streifen schneiden und in der aus den restlichen Zutaten angerührten Marinade 60 Min. einlegen, dabei öfter umrühren. Das Gemüse putzen (Sellerie unbedingt schälen) und in möglichst dünne Streifen schneiden; Sellerie danach in feine Würfelchen.
Eigelb mit Senf, Salz und Zitronensaft mit Schneebesen verrühren, langsam das Öl einarbeiten, bis eine cremige Mayonnaise entsteht. Crème fraîche und Estragon einrühren, mit dem Pfeilwurzelmehl (oder entsprechend kleineren Menge Xanthan) zu einer festen Creme binden, am Ende mit Pfeffer, Zucker und evtl. etwas Salz abschmecken.
Beschichtete große Pfanne mit Pinsel dünn mit Pflanzenöl bestreichen, die Wrap-Tortillas nacheinander bei großer Hitze 30 Sek. je Seite braten, vor dem Belegen nicht ganz abkühlen lassen.
Tipp: Die Wrap-Tortillas kann man ganz einfach auch selber backen, wenn man keine Lust auf die typischen Zusatzstoffe der Fertigware (Kaliumsorbat; Diglyceride etc.) hat: 200 g Weizenmehl (oder hälftig mit anderer Mehlsorte mischen) mit 150 ml Wasser, 1 TL Backpulver, 0,5 TL Salz, 2 EL Pflanzenöl und eine Prise Zucker zu einem homogenen Teig verkneten, 30 Min. in Frischhaltefolie verpackt ruhen lassen, danach auf bemehlter Arbeitsfläche zu dünnen Fladen ausrollen und in beschichteter Pfanne 3 Min. backen (nicht länger, sonst werden sie zu fest und brüchig).
Anrichten
Die Creme gleichmäßig auf die Teigfladen verstreichen, unten ca. 4 cm frei lassen. Das Gemüse auf die mit Creme bestrichenen Stellen verteilen. Unbestrichenen Teil umklappen und den Fladen zu einem nach unten hin schmal zulaufenden Wrap rollen. Unteres Ende nach Belieben mit passend zugeschnittenem Butterbrotpapier und Bindeschnur einpacken - damit bleiben die Hände garantiert sauber.
Küchen-Klang
Aus demselben Kulturkosmos wie die Tortillas kommt zumindest muttersprachlich gesehen Jarabe de Palo, die Band um den Sänger und Rock-Gitarristen Pau Donés aus Barcelona, der auch auf dem aktuellen Album "Somos" (Skip) wieder mitreißenden Funky-Hispano-Rock abliefert, diesmal unter anderen unterstützt von dem italienischen Kollegen Jovanotti. Wem das zu spanisch vorkommt und generell mehr Lust auf echte (Welt-)musikalische Abenteuer hat, wird von einem anderen Saitenquäler besser bedient: Dominic Miller, seit Jahrzehnten auch Stings Haus- und Hof-Gitarrist, ist für "ad hoc" (Q-Rious) mit einem Haufen vertrauter Kollegen wie dem Bassisten Lars Danielsson, Xaver Naidoos Percussionisten Rhani Krija oder der albanischen Koloratursopranistin Eda Zari nahezu unvorbereitet ins Studio gegangen und wunderte sich danach selbst, wie aufregend die "ad hoc"-Symbiose aus Modern Jazz, zeitgenössischer Klassik, Electronica und Ethno-Beats geworden ist.
Getränketipp
Ein leichtes Bier passt gut zu den Hühner-Wraps, aber auch ein fruchtiger, mineralischer Weißwein, der so abrockt wie der vom Langenlonsheimer Kult-Winzer Martin Tesch zunächst exklusiv für das Backstage-Catering der Toten Hosen gekelterte, inzwischen aber frei verkaufte "Weißes Rauschen" 2012 Riesling trocken*.
*Bezugsquelle:
"Weißes Rauschen" 2012 Riesling trocken.