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Tageskarte Küche: Seeteufelbäckchen in Totentrompetenmantel

Foto: Peter Wagner

Rezept mit Totentrompetenpilzen Fanfare für Feinschmecker

An den Ahnengedenktagen hält man in anderen Kulturen gern mal einen Plausch mit verstorbenen Verwandten. Unser Totensonntag ist weniger beredt, dennoch können wir kräftig ins Koch-Horn blasen: mit Totentrompetenpilzen.

Nein, so laut wie Trompeten von Jericho sind die "Aahs!" und "Oohs!" der meisten Genießer beim Naschen dieser herrlichen Herbstspeise sicher nicht. Und doch gibt es trotz mächtiger Konkurrenz - Steinpilze, Eger- und Pfifferlinge, Maronenröhrlinge oder Kräuterseitlinge - selten stärkeren Beifall für den Zuhausekochenden wie nach dem Kredenzen von Craterellus cornucopioides, unter Pilzfreunden eher als Herbsttrompeten bekannt.

Diese Familienmitglieder der Leistlingsartigen werden auch Totentrompeten genannt. Der Name kommt erstens von ihrer stark ausgeprägten Trichterform, die an ein Grammophon erinnert - das aber war noch gar nicht erfunden, als der Pilz seinen Namen erhielt. Zweitens weist der Name auf die bevorzugten Lebensumgebung hin: Am liebsten haben die Totentrompeten kalkhaltige Böden unter Buchen - exakt also jene Bedingungen, die Jahrhunderte lang an vielen typischen Bestattungsplätzen herrschten. Unter Buchen begraben, die Leichname im Grabloch zur Desinfektion mit gelöschtem Kalk bedeckt.

Den Hinterbliebenen droht von diesem bodennahen Grabbewuchs keine Gefahr. Die Herbsttrompeten, die nicht nur in Europa (die bei uns im Handel erhältliche Trockenware stammt meist aus den französischen Pyrenäen), sondern auch in Nordasien, Amerika und sogar in Australien zu finden sind, können wegen ihrer Farbe und Form mit keinem bekannten giftigen Pilz verwechselt werden. Sie sehen allenfalls dem Grauen Leistling ähnlich, doch auch der ist ein hervorragender Speisepilz. Noch dazu schmecken sie wesentlich intensiver und leckerer als ihre direkten Trompetenverwandten, die Pfifferlinge. Sie sind rasch gepflückt, leicht zu putzen (Achtung: es könnten noch Insekten im Inneren der Trichter sein!) und eignen sich hervorragend zur Haltbarmachung via Trocknung.

Totentrompeten-Wellness im Butterfond-Whirlpool

Dies umso mehr, da frisch gepflückte Totentrompeten geschmacklich eher enttäuschen und roh noch am besten fein geschnitten mit etwas Olivenöl und ein paar Tropfen altem Balsamico munden. Erst die Trocknung kitzelt den vollen Geschmack aus den Zellen und macht die Pilzblechbläser zu perfekten Zutaten in Fleischfarces (z.B. für gefüllte Perlhuhnsupremes), Spätzle (als Wild-Beilage), als Morchel- oder Trüffel-Ersatz in Frikassees bis hin zur Verwendung als pulverisierter Geschmacksverstärker (ähnlich dem Umami-Booster getrockneter Steinpilze) in Suppen und Saucen.

In unserem heutigen Rezept für "Seeteufelbäckchen in Totentrompetenmantel mit Pilzvariation und Spitzkohl" spielen - neben den jahreszeitlich passenden Tellergenossen Rosenseitling und Buchenpilz - die herbstlichen Trompetenpilze denn auch eine Doppelhauptrolle. Die noch weichen, nur halb getrockneten Pilze werden im heißen Sprudelbad eines Butterfonds ins Leben zurückgeholt. Diese Mischung aus Butter, Geflügelfond und Portwein dient seit vielen Gustatorik-Generationen als eine der schonendsten und zugleich geschmacksintensivierendsten Zubereitungsmethoden für Pilze aller Art - solange die noch nicht vollständig durchgedörrt sind.

Die komplett getrockneten Exemplare bekommen in unserem Gericht keine Renaturierungs-Wasserinfusion. Im Gegenteil: Sie werden mit diversen Pfeffersorten, grobem Salz und schwarzen indischen Senfsaaten zu einer gleichermaßen aromatisch-scharfen wie tiefschwarzen Panade im Mixer zerkleinert.

Dieses grobe Pulver sorgt für Würzung wie auch für Hitzeschutz der Seeteufelbäckchen, die damit paniert werden und auch ohne langes Braten (30 Sekunden in der Pfanne, danach mildes Nachgaren im Backofen) auf dem Teller wie eine Mischung aus Wintertrüffel und vermodertem Holz aussehen. Für die Gäste ist das zunächst einmal ein Schock, der sich aber rasch in schmackiges Wohlgefallen auflöst, sobald der Gaumen signalisiert, dass hier nichts verbrannt ist, sondern nur eine leicht krosse, würzige Panade um ein Stück supersaftigen Edelfisch beim Draufbeißen knackt.

So behandelt, kann sogar Fisch am Totensonntag ein echter Burner werden.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurden die Totentrompeten als Familienmitglied der Stoppelpilze bezeichnet. Korrekt ist aber, dass sie zur Familie der Leistlingsartigen gehören (so wie auch die Pfifferlinge). Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Rezept für Seeteufelbäckchen in Totentrompetenmantel mit Pilzvariation und Spitzkohl (Hauptgericht für 4 Personen)

Vorbereitungszeit: 20 Minuten

Zubereitungszeit: 25 Minuten

Schwierigkeitsgrad: einfach

Zutaten

Pilze
50 g halbtrockene Trompetenpilze (beim Gemüsehändler vorbestellen)
150 g farbige Speisepilze (z.B. gelber oder rosafarbener Seitling)
150 g braune kleine Speisepilze (z.B. braune Buchenpilze)
250 ml Geflügelfond
50 g Butter
50 ml alter Portwein
1 Prise Kräutersalz
1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer

Seeteufelbäckchen
4 Stück Seeteufelbäckchen à jeweils ca. 150 g (Alternative: Seeteufelfilets als Medaillons quer zur Faser geschnitten)
3 El Olivenöl
10 g getrocknete (gedörrte) Totentrompeten
1 El schwarze Senfkörner ("Graines de moutarde noir d'inde")*
1 Tl schwarzes Salz aus Hawaii (Alternative: grobes Meersalz)
0,5 Tl schwarze Pfefferkörner
1 Stück Bengalischer Pfeffer (aus dem Gewürzfachhandel; Alternative: doppelte Menge schwarzen Pfeffer benutzen)
1 Stück Eiweiß
etwas Mehl

Spitzkohl
1 Stück Spitzkohl
50 g sehr fein gewürfelter Tiroler Räucherbauchspeck
20 g Butter
50 ml Geflügelfond
1 Prise Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 Prise frisch gemahlene Muskatnuss
1 Prise Kreuzkümmel, gemahlen

Sauce
100 ml Dünstflüssigkeit der Totentrompeten
75 ml Portwein
1 Prise Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
etwas Speisestärke
30 g eiskalte Butter

Zubereitung

Pilze
Alle Pilze sorgfältig putzen: matschige Stellen abschneiden, Saitlinge quer halbieren und dicke Stielansätze abschneiden (aber den Zusammenhalt nicht beschädigen); Buchenpilze vom Strunk entfernen (sie werden einzeln gebraucht).

In Sauteuse Fond und Portwein um ein Viertel reduzieren, Butter und Gewürze einrühren. Bei mittlerer Hitze und geschlossenem Deckel die halbtrockenen Totentrompeten 30 Min. sanft dünsten. Abseihen, Flüssigkeit (Butterfond) auffangen und bereit halten; Pilze warm stellen.

Seeteufelbäckchen
Seeteufelbäckchen sorgfältig parieren (alle Häutchen abschneiden). Auf Krepp trocknen und beidseitig leicht mehlieren. Aus den restlichen Zutaten (außer Eiweiß und Öl) im Mixer eine nicht zu pudrige Panade mixen (es sollten zwischen den Fingern noch kleine Stückchen tastbar bleiben).

Bäckchen erst in Eiweiß wenden, abtropfen und dann in der schwarzen Panade panieren. Panade gut andrücken.

Olivenöl in Pfanne heiß werden lassen (darf nicht rauchen). Bäckchen je Seite 30 Sek. braten, dann auf Teller in den auf 120 Grad vorgeheizten Backofen geben und 10 Min. fertig garen.

Spitzkohl
Äußere Blätter vom Kohl entfernen, längs halbieren, vordere Spitzen und den Strunk abschneiden. Mit großem, sehr scharfen Messer Kohlhälften in möglichst dünne Streifen schneiden.

Speckwürfelchen in beschichteter Pfanne oder kleiner Wokpfanne auslassen, Kohl und restliche Zutaten zugeben, unter ständigem Rühren 5 Min. dünsten.

Sauce
Restliche Pilzflüssigkeit bis auf 2 El mit dem Portwein aufkochen, nach Belieben mit Stärke binden, mit Salz und Pfeffer abschmecken und direkt vor dem Servieren mit der Butter abglänzen.

Anrichten

In getrennten kleinen Pfannen etwas Butter schmelzen und die restlichen Pilze nach Sorten getrennt kurz andünsten, Temperatur reduzieren, je 1 El Butterfond zugeben. 5 Min. dünsten.

Je nach Laune entweder bürgerlich oder sterneküchenmäßig anrichten. Ersteres: Kohl in die Mitte von gut geheizten Tellern verteilen, Bäckchen auflegen, Pilze drumherum verteilen, Sauce angießen.

Schicker: Kohl mit Servierringen anrichten, Bäckchen mittig teilen und auf Kohl legen, wenige Pilze dekorativ anordnen und Sauce erst mit Esslöffel zu dickem Strich aufziehen, der dann mit einem kleineren Löffel geteilt wird. Restlichen Kohl und Pilze à part servieren.

Küchen-Klang

Nur den Namen des Instruments hat der Berliner Trompetendozent Jotham Bleiberg mit den hier zubereiteten Pilzen gemeinsam - andererseits sorgt der brodelnde Salsa-Timba-Mix der CD "Havana Berlin" (Rough Trade) seiner Band Mi Solar für sonnige Küchentöne in einer ansonsten von Novembernebel und Totengedenken geprägten Jahreszeit.

Getränketipp

Dieses Gericht ist ein gutes Beispiel dafür, dass zu Fisch nicht automatisch immer jeder Weißwein passt. Als Weißen könnte man einen buttrigen, barrique-gereiften Übersee-Chardonnay reichen, wir tranken jedoch lieber einen 2007 Rosso Riserva Guardiolo D.O.C.*, der mit 80 Prozent Sangiovese strahlende Eleganz ausstrahlt, durch die Beimengung der kraftvollen, in Kampanien und der Basilikata wachsenden autochtonen Rebsorte Aglianico aber im kleinen Fass eine großartig strukturierte, in ihrer Mürbheit perfekt zu Pilzen passende Tanninbalance aufbaut.


*Bezugsquellen:
Schwarze indische Senfkörner; 
2007 Rosso Riserva Guardiolo D.O.C. 

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