
Romuald Hazoumé: Politische Kanisterkunst
Kunst von Romuald Hazoumé Afrikanisches Roulette
Bei schwarzafrikanischer Kunst geht es fast immer um Klischees: Masken und Skulpturen gehören in die Kategorien "primitive", "archaische" oder "spirituelle" Kunst, Gemaltes, Gedrucktes oder Gewebtes tendiert stets in Richtung rätselhaftes, bedeutungsvolles oder schlicht attraktives Kunstgewerbe.
Solche Vorstellungen nimmt der westafrikanische Künstler Romuald Hazoumé auf die Schippe, wenn er über sich und seine Kunst sagt: "Von einem Afrikaner erwartet man, dass er Masken macht - also machte ich Masken". Jetzt zeigt der aus Benin stammende Hazoumé in einer Ausstellung in Bern rund 30 Arbeiten: Installationen, Skulpturen, einige Bilder mit rätselhaften Symbolen. Und natürlich auch Masken.
Aber seine Arbeiten haben mit dem an Flughäfen und auf Märkten verkauften Ethno-Kitsch nichts zu tun. Schon das Material passt nicht zur Vorstellung von traditioneller Stammeskunst aus Holz, denn Hazoumés Masken etwa bestehen aus alten Plastikkanistern, aus Metall- und Stoffresten, Draht, Schrott, Seilen, Kunsthaaren, Bürsten, Holzabfall und Zivilisationsmüll wie Brillengestellen, Plastikmessern oder Schallplatten.
Fetischmasken aus Brillen
Aus solchen Alltagsabfall macht Hazoumé seine Kunst, die mit Sehgewohnheiten bricht, weil seinen Geister- oder Fetischmasken und Skulpturen schon durch das billige Abfallmaterial jeder kultische Zweck genommen wird. Trotzdem verbinden seine Arbeiten die kulturelle Tradition Afrikas mit der Gegenwart, und Hazoumé erzählt mit ihnen alte und neue Geschichten.
Wie zum Beispiel die, dass in Benin jede Frisur eine Bedeutung hat und der Status einer Frau daran ablesbar ist: In die Höhe stehende Haare signalisieren zum Beispiel "Ich bin frei", ein Knopf mitten im Haar heißt, dass die Frau geschieden ist, aber gerne wieder eine Beziehung hätte.
In der Berner Ausstellung zeigt Hazoumé dazu einige Masken: für den prächtigen Frisur-Aufbau der Kanister-Maske "Waxomaniaque" verwendet er die in Afrika allgegenwärtigen, mittels Wachs hergestellten baumwollenen Batikdrucke. So fällt "Miss Nucléaire" mit roten Federn, schwarz umrandeten Augen und einem knallroten Mund sehr geheimnisvoll aus, die Maske "Iroquois", wie der Name schon andeutet, eher punkig-indianisch.
Auch politisch lassen sich die Arbeiten Hazoumés lesen. Mit der Verwendung von Zivilisationsmüll will er ebenso auf globale Wirtschaftskreisläufe von Export und Re-Import hinweisen wie auf die koloniale Ausbeutung von Rohstoffen und menschlicher Arbeitskraft.
Eindrucksvoll sind auch die ausgestellten Installationen: Fahrräder, Mopeds und andere umgebaute Gefährte etwa, dicht behängt mit etlichen Kanistern. Für ein paar Euro schmuggeln Fahrer nachts solche mit Benzin gefüllten Behälter über die Grenze zwischen Nigeria und Benin - und zwar unter Lebensgefahr: Ein kleines Leck reicht, das Benzin entzündet sich und tötet den Fahrer mit einer heftigen Detonation. "Losfahren heißt, einverstanden mit dem Tod zu sein", sagt Hazoumé dazu, und dass er gerade diese Arbeiten, die er "Roulette Béninoise" nennt, auch als Kommentar zur Politik in Afrika versteht.
Vergleich von Flüchtlingen und Sklaven
Geboren wurde Hazoumé 1962 in Porto Novo in Benin, seine Familie gehört dem Stamm der Yoruba an, und obwohl er katholisch erzogen wurde und ein französisches Gymnasium besuchte, kennt und versteht er die Religion und die Kultur seiner Ahnen. Ihn prägt sowohl europäische Bildung als auch afrikanische Tradition.
Als Halbwüchsiger malte er nach eigenen Angaben nur nebenbei - bis ihn eine Deutsche ermutigt habe, mit Kunst sein Geld zu verdienen, so Hazoumé in einem Interview. Als er dann 1989 zum ersten Mal im Centre Culturel Français in seinem beninischen Wohnort Cotonou ausstellte, entdeckte ihn ein französischer Kurator und vermittelte ihm eine Ausstellung.
Damit begann eine Karriere, deren vorläufiger Höhepunkt 2007 Hazoumés Teilnahme an der Documenta 12 in Kasseln war. Dort zeigte er vor dem Foto eines Strandes ein riesengroßes Schiffsmodell aus Kanistern, davor der Schriftzug "I Have a Dream I Want to Stay at Home". Afrikas Flüchtlingsströme seien genauso verheerend wie die Sklaverei, sagte er damals.
Kein Wunder also, das Hazoumés Schaffen mit Stammeskunst kaum noch etwas zu tun hat, und kein Wunder, dass er die Anerkennung des westlichen Kunstmarkts immer noch ironisch kommentiert. Zum Beispiel dann, wenn er zu Ausstellungseröffnungen im wallendem afrikanischen Gewand erscheint - weil er den Weißen zeigen wolle, "was ein Afrikaner ist".
"Kunst und Nachhaltigkeit Vol. 4: Romuald Hazoumè" : Die Mobiliar, Direktion Bern. 2. September bis 5. Februar 2016.