RTL-Serie "Bauer sucht Frau" Der Frontpuff der Nation
Über das komplizierte Paarungsverhalten von Großstädtern wurde ja schon eine Menge geforscht. Die Frauenzeitschriften sind voll von Strategien, Analysen und deprimierenden Statistiken zum Thema. Im Herzen aber hofft wohl jede Leserin, dass eine Kontaktanbahnung auch ohne eine solche quasi-wissenschaftliche Vorbereitung stattfinden kann. Doch ach, die Städte sind inzwischen voll von Frauenverstehern und Korrektheitsaposteln. Wünsche werden verklausuliert, Begehren wird sublimiert. Wo bleiben denn da die Liebe und die Triebe?
Auf dem Lande natürlich! Da sprießen sie wie eh und je, ungedrosselt vom lustzersetzenden Wortgeschwurbel der modernen Mediengesellschaft. Die RTL-Doku-Soap "Bauer sucht Frau" zeigt ein paar der letzten martialisch direkten männlichen Exemplare, für die eine Beziehungsaufnahme nicht viel komplizierter erscheint, als auf der Viehauktion einen Zuchtbullen für die Kühe daheim zu ersteigern: passt schon. Oder eben auch: passt nicht.
Über die vergangenen Wochen hat sich die Kuppelshow zu einem wahren Quotenrenner entwickelt, man kratzt inzwischen an der Acht-Millionen-Marke. Gestern brachte es die Sendung auf einen neuen Rekordwert: 7,84 Millionen Zuschauer und 24,8 Prozent Marktanteil. Soviel fährt die ARD sonst am Sonntag ein, wenn es mit dem "Tatort" wirklich gut läuft. Für das Programm an Montagabend, das fast alle Sender für schmalformatige Serien zerstückeln, bedeutet so eine Aufmerksamkeitsballung deshalb eine kleine Sensation.
Gestern konnte man sich in "Bauer sucht Frau" wieder ein Bild davon machen, was die Nation vor den Bildschirm treibt: Kerle aus allen Regionen des Landes, die ziemlich genau sagen können, wie die weibliche Verstärkung für ihren Hof auszusehen hat. Ob Münsterland oder Oberbayern - das Anliegen ist immer das gleiche. Die Anbahnung allerdings variiert ein bisschen, schließlich gibt es auch unter Landwirten unterschiedliche Temperamente.
Wie Rollmöpse in einer Konservenbüchse
Bauer Bruno zum Beispiel ist eher der romantische Typ, der seine Anja mit einem schönen Geschenk überrascht: Nach ein paar Tagen auf dem Hof richtet er der Umworbenen das Schlafzimmer seiner verschiedenen Großmutter her, auf dass sie es noch gemütlicher bei ihm habe. "Ich wollte zeigen, dass ich für eine neue Frau auch etwas Neues tun will", erklärt der Milchwirt, während er Omas Aussteuer für die neue Liebe entstaubt. Später badet Bruno mit seiner Anja noch in einem traurig blubbernden Whirlpool, in dem die beiden wie Rollmöpse in einer Konservenbüchse aussehen.
Bauer Bernhard gibt sich da lässiger. Der "raubeinige Rinderwirt", wie er in der Sendung gefühlte 200-mal alliterationsselig bejubelt wird, zündet sich und seiner Silke zum vorläufigen Abschied eine Zigarette an. Als ihm die Frau um den Hals fällt, behält er seine Hände in den Taschen. Vorher hat man ihn gesehen, wie er zur Musik von Johnny Cash Heu zusammenharkt. Weniger cool verhält sich da Kleinbauer Furthi ("29, hatte noch nie eine Freundin", wie es während der Sendung immer wieder heißt): Mit hochrotem Kopf jagt er die Städterin Alexandra von seinem Hof. Die hatte sich schon in einer früheren Sendung geweigert, die Kühe zu melken, und zeigte sich in der gestrigen Folge nun auch noch beim Ausmisten renitent.
Was ist das Geheimnis von "Bauer sucht Frau"? Im Grunde genommen folgt die Serie, die inzwischen in der dritten Staffel läuft, in ihrer Stoßrichtung all den Retro- und Reise-Soaps der vergangenen Jahre: Kandidaten, die des Strampelns im Hamsterrad der Dienstleistungsgesellschaft müde sind, suchen nach einer Erfüllung jenseits urbaner Ablenkungen und vorgefertigter Lebensentwürfe. Ob ferne Zeiten ("Experiment Steinzeit" etc.) oder ferne Länder ("Unser neues Leben" etc.) - Abenteuer außerhalb der aufgeräumten Wohnzimmerwelt sollen neuen Schwung ins Familien-, Beziehungs- oder Single-Dasein bringen.
Unheimliche Reise in die deutsche Provinz
Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah: Gleich hinter der Stadtgrenze fängt doch schon das wilde, das exotische, das archaische Leben an. Kann es für eine Städterin eine unheimlichere Reise geben als die in die deutsche Provinz? Wo das Korn fröhlich sprießt, die Kühe glücklich muhen, aber immer weniger Frauen die harte Landarbeit auf sich nehmen wollen? Das weibliche Geschlecht ist hier eindeutig in der Unterzahl, zumindest die jüngeren Jahrgänge desselbigen. Auf den Höfen hausen die Kerle zigfach alleine - oder nur umgeben von ebenfalls schwer vermittelbaren Brüdern und griesgrämigen Müttern.
RTL übernimmt da mit "Bauer sucht Frau" eine moralisch bedenkliche Aufgabe: Der Sender karrt die jungen Frauen dorthin, wo sie gebraucht werden. Ein bisschen erinnert das Unterfangen an einen Soldatenpuff im Ersten Weltkrieg.
Denn trotz all der Liebeleien, die hier zuweilen heuschoberknarzend ins Bild gesetzt werden: Der materielle Aspekt spielt bei der rustikalen Beziehungsanbahnung eine wichtige Rolle. Natürlich muss die Chemie stimmen zwischen Bauer und Landwirtschaftsnovizin, aber vor allem muss auch die Leistungsbereitschaft der Kandidatinnen erkennbar sein. Von den Müttern auf den Höfen werden sie schon mal auf ihre zukünftigen Aufgaben eingestimmt; auch werden Anweisungen gegeben, wie der Sohn nach getaner Arbeit kulinarisch zu beglücken sei. Dass einige der stadtflüchtigen jungen Frauen aus offensichtlich wirtschaftlich instabilen Verhältnissen in ein archaisches Abhängigkeitskonstrukt steuern, macht die Sache erst recht prekär.
Possierlicher Witz und plumpes Timing
Dass es auch zeitgemäß und ohne zotigen Chauvinismus geht, zeigt zurzeit der NDR mit der ebenfalls enorm erfolgreichen Sendung "Land & Liebe", von der heute Abend um 21 Uhr eine weitere Folge läuft. Wie "Bauer sucht Frau" nahm sich auch die Kupplershow im Dritten das britische Format "The Farmer Wants A Wife" aus dem Jahr 2001 als Vorlage. Beim NDR werden jedoch auch männliche Stadtgewächse an einsame Landfrauen vermittelt, und Moderatorin Ina Müller spricht ihre nicht immer höflichen Texte so frisch und frei, als habe sie sie eben gerade erdacht.
Ganz anders Inka Bause in "Bauer sucht Frau", die aussieht wie eine blonde Doppelgängerin von der RTL-Allzweckwaffe Birgit Schrowange und stets betont lässig an ein Gatter gelehnt ebenso betont lockere Texte spricht. Umständlich wird hier jede amouröse Verstrickung verbal ausgewalzt. Der Inszenierungsstil ist entsprechend schleppend und zermürbend redundant: Wenn der Bauer seiner Liebsten in einer Szene einen Kuchen backt, kann man sich sicher sein, dass er in der nächsten Szene in die Kamera sprechend mitteilt, dass er seiner Liebsten einen Kuchen gebacken hat. Ein bisschen wirkt die Sendung in ihrem possierlichen Witz und plumpen Timing, als sei sie in den Anfangstagen des Privatfernsehens entstanden.
Gerade darin mag das Geheimnis ihres Erfolges liegen. Die totale Entschleunigung, die in dieser Retro-Soap betrieben wird, harmoniert bestens mit dem rückwärtsgewandten Geschlechterbild: Fernsehen aus dem letzten Jahrhundert.