Rudi Carrell "Mein Leben war aufregend genug"

Er war das Herzblatt der deutschen TV-Unterhaltung, und das rund vierzig Jahre lang. Rudi Carrell erlag am Freitag einem Krebsleiden. Die Trauerfeier hat bereits stattgefunden - im engsten Familienkreis, wie es der Entertainer gewünscht hatte - aus Angst vor den Jacob-Sisters und ihren Pudeln.

Bremen - Bei seinem letzten Fernsehauftritt blieb der Entertainer stumm. Ausgerechnet er, der Witzeerzähler und vielseitige Unterhaltungskünstler, der mit seinen oft derben Kalauern gern über die Stränge schlug. Stand ohne ein Wort zu sagen am Rand der Bühne von "Sieben Tage, sieben Köpfe", der Show, die er erfunden hatte. Dennoch behielt Rudi Carrell die Fäden in der Hand. Die Strippe, an der er zog, war an einem Glas Wasser befestigt, das direkt vor dem Carrell-Bewunderer Harald Schmidt stand. Das Glas kippte um, der Inhalt ergoss sich direkt über Schmidts Hose. Carrell drehte sich um und verließ ohne einen Mucks die Bühne. Zum allerletzten Mal.

Als Anfang 2005 bei dem Kettenraucher Lungenkrebs diagnostiziert wurde, hatte Carrell es mit Fassung getragen. Über seinen nahenden Tod sprach er offen und, wie gewohnt, mit beißendem Spott: "Ich werde noch lange als Wiederholung weiterleben."

Dennoch verabschiedete sich der Showmaster, dessen drolliger niederländischer Akzent längst zu seinem Markenzeichen geworden war, mit rührenden Dankesworten: "Deutschland hat mir zehnmal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe", sagte er. "Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben."

Carrell zählte zu den großen Stars der deutschen Fernsehgeschichte: Mit "Am laufenden Band" moderierte er in den siebziger und achtziger Jahren eine der erfolgreichsten Spielshows Deutschlands, später hatte er Erfolge mit "Rudis Tagesshow", "Herzblatt" und zuletzt mit "7 Tage, 7 Köpfe" auf RTL. Für seine Arbeit erhielt Carrell zahlreiche Preise, darunter mehrere Goldene Kameras, Bambis und 1985 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.

Vom Bauchredner zum Fernsehstar

"Mit Rudi Carrell verliert die deutsche Medienlandschaft eine ihrer prägendsten Persönlichkeiten", sagte Radio-Bremen-Intendant Heinz Glässgen. "Die Zuschauer liebten sein lockeres Auftreten. Mit Humor und Originalität hat er sein Publikum begeistert."

Carrell wurde am 19. Dezember 1934 im niederländischen Alkmaar als Rudolf Wijbrand Kesselaar geboren. Als er 1951 seinen Vater, einen mittelmäßig erfolgreichen Entertainer, bei einem Gastspiel ersetzte, entdeckte er sein Talent und schlug sich seitdem als Zauberkünstler, Bauchredner und Entertainer durch. 1959 wurde er durch einen selbst gestalteten Fernsehauftritt über Nacht in seinem Heimatland bekannt. Mitte der Sechziger kam er zu Radio Bremen, bei dessen Publikum er auf Anhieb glänzend ankam.

Die Trauerfeier fand bereits am Sonntag im engsten Kreis der Enkelkinder und Verwandten aus Holland statt: "Wir wussten seit eineinhalb Jahren von der Krankheit und waren auf den Abschied vorbereitet." Schon vor seinem Tod hatte Carrell in einem bewegenden Interview mit dem "SZ"-Magazin betont, dass die Fans keinen Abschied würden nehmen können. Eine öffentliche Beerdigung hatte der TV-Entertainer abgelehnt: "Aus Angst vor den Jacob Sisters! Mit ihren komischen Pudeln zerstören sie doch jede Atmosphäre", spottete Carrell über den Auftritt der Schwestern bei der Beerdigung des ermordeten Rudolph Moshammer im vergangenen Jahr. Seine Kinder habe er beauftragt, seinen Leichnam einäschern zu lassen und "irgendwo einen Grabstein" hinzusetzen. Die Frage, ob er an ein Leben danach glaube, hatte er verneint: "Dann ist es eben aus. Aber mein Leben war aufregend genug."

Bier und Zigaretten als Leibspeise

Laut eigenem Bekunden hat ihn die Diagnose Lungenkrebs nicht überrascht: "Hätte ich eigentlich schon längst haben müssen! Ich habe immer fünf Tage vor einer Show so gut wie ohne Essen gearbeitet, nach einer Show nur Bier getrunken und mindestens sechzig Lord Extra am Tag geraucht." Er habe gewusst, "das geht irgendwann schief".

Raubbau am eigenen Körper - Hingabe ans Publikum: Carrells Leben fand auf der Bühne statt. Mit Humor und Eigensinn hat er sie verlassen.

aki/hoc/AP/ddp

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