S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Das Schleudertrauma des Geistes
Giovanni Zarrella, Patrick Nuo und Mette Marit waren dabei, Frau Professor Miriam Meckel fand trotz ihres Leidens noch die Kraft, ein Buch darüber zu schreiben. Es war das heiße Ding des letzten Jahres: der Burnout. Die polyglotte Überschrift für den einfachen Fakt: Schnauze voll. Auch wenn es erst herauszufinden gilt, wer Herr Zarrella und Herr Nuo sind und warum sie so viel gearbeitet haben, dass sie daran zusammengebrochen sind, stellt sich die Frage, woran die Bewohner der westlichen Welt gerade kollektiv zu leiden scheinen.
Psychologen rätseln, Fachleute erklären, der Burnout ist das Schleudertrauma des Geistes, eine unklare Geschichte. Die auf den soliden Füßen der Depression steht, die ja auch mal das heiße Ding war, das Millionen zu Therapeuten trieb, bis es Psychopharmaka gab. Und wunderbare Einnahmen für die Pharmaindustrie, die ja auch von irgendetwas leben muss. Dabei ist die Depression der natürliche Geisteszustand des denkenden Menschen, und Arbeit ist generell eine Zumutung.
Wir, die Menschen der westlichen Welt, neigen dazu, es ehrenwerter zu finden sich in den Kollaps zu arbeiten, als eine Depression zu pflegen. Ein Wort, das für uns noch immer so klingt, als säße jemand in der Küche und aus der Wand wüchse ein Geweih, die Katze ist tot und der Strom abgeschaltet. Wir in der westlichen Welt murmeln von Selbstversklavung, Konsumterror, Kapitalismusdiktatur. Statt einmal eine kleine Reise in ein beschauliches Land der Dritten Welt (sagt man das so eigentlich noch, oder heißt es heute "Länder deren pro Kopfeinkommen unter hundert Dollar im Jahr liegt") zu wagen.
Sie hülfe zumindest bei der Erkenntnis, dass andere Länder auch schöne Töchter und Söhne haben, die mitunter fünfzehn Stunden am Tag arbeiten, um sich im Anschluss auf einem Lehmboden zur Ruhe zu legen. Vermutlich haben sie alle einen Burnout, sind aber für den Absatz pharmazeutischer Markenprodukte nicht so interessant. Weshalb wir immer noch davon träumen, dass der herzensgute Vietnamese das Rad in Sachen entspannter Lebensführung erfunden hat.
Das Leben ist eine Demütigung
Der Burnout meint etwas wie: Ich arbeite zu viel, ich bin traurig weil ich die Sinnlosigkeit meiner Tätigkeit und meines Lebens begriffen habe. Eine Erkenntnis zu der ich mich beglückwünschen könnte, allein, es fehlt mir die Kraft dazu. Immer etwas müssen müssen, und meist etwas, das man im engeren Sinne, ohne Leidenschaft betreibt, ist abstoßend und macht krank.
Einen Ausweg gibt es nicht, es sei denn, man bezieht eine dieser Höhlen auf La Graciosa. Einer Insel bei Lanzarote, die so absurd öde ist, dass sich außer dreier dort Geborener und einiger unerschrockener Neurodermitiker keiner dort aufhalten mag. In dieser Höhle könnte man darüber meditieren, warum der Mensch Burnout sagt, wenn er Nichtstun und an die Wand schauen meint.
Bestehen wir auf Heizung und Kleinwagen, müssen wir arbeiten, immer mehr, weil es gilt, sich gegen sieben Milliarden zu behaupten, die auch eine Heizung und einen Kleinwagen wollen. Und das macht krank, egal, wie wir es nennen, denn das Leben ist eine Demütigung, der man nur mit geisteskrankem Optimismus oder einer gepflegten Trauer begegnen kann. Aufmunternd klopfe ich allen Leidenden auf die Schulter und wünsche ihnen gute Besserung.