Sabine-Christiansen-Talk Gruppenbild mit Domina
Sie ist wieder da, Deutschlands einstige Cheftalkerin im TV-Politrummel. Sabine Christiansen wird für n-tv sechs Gesprächsrunden moderieren - der Auftakt war ernüchternd: Nach einem rasanten Start hatte man schnell vergessen, worum es eigentlich gehen sollte.
Da war sie wieder auf dem Schirm, aus "Gründen der Aktualität" sogar zwei Tage früher als geplant. Zwar sehr spät, um 23.15 Uhr, und "nur" auf dem Nachrichtenkanal n-tv, also mit einem Eishauch sibirischer Michel-Friedman-Verbannung, aber immerhin.
Moderatorin Christiansen: "Haben wir den Bodensatz schon erreicht?"
Christiansens Stimme, immer schon ein wenig metallisch, dabei gern ins geschmiert Messerscharfe changierend, scheint in den vergangenen beiden Jahren noch härter geworden sein. Forciert wie selten und in schneller Folge trieb sie ihre Eingangssätze vor sich her, begleitet von einem filmischen Intro voller Originaltöne, die die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise als Trommelfeuer furchtbar wichtiger Meinungen wirken ließen. Das Publikum saß derweil in Reih und Glied und erinnerte unwillkürlich an einen nordkoreanischen Parteitag.
Auch die fünf - selbstverständlich ausnahmslos männlichen - Gäste wirkten merkwürdig aufgereiht. Allerdings konnten sie sich hinter schicken Pulten verschanzen. In der Mitte thronte Oberstudienrätin Christiansen. Ein Gruppenbild mit Domina.
Links, liberal, egal
Die ideologische Spannbreite der Gesprächsrunde - darunter der frühere CDU/CSU-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, und der amerikanische Top-Manager Martin Richenhagen - reichte von konservativ-liberal bis liberal-konservativ, war also äußerst ausgewogen, während Berlins knarzig sozialdemokratischer Finanzsenator Thilo Sarrazin, demnächst Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, den hängenden linken Flügel geben musste.
Das Setting war also schon mal "Hammer", wie Nina Eichinger, blonde Jurorin von "Deutschland sucht den Superstar", sagen würde. Dummerweise aber hatte man schon gleich nach dem hammerharten Blitzstart vergessen, worum genau es gehen sollte.
Vielleicht um "Mehr Kapitalismus wagen"? Friedrich Merz, nun kurz vor dem endgültigen Rückzug aus der Politik, hatte pünktlich zum Beginn der Krise des Turbokapitalismus im vergangenen Herbst ein Buch mit exakt diesem Titel vorgelegt, der zum Zeitgeist passte wie süßer Senf zu Sushi.
Aus heutiger Sicht würde Merz, der in der zweiten Auflage noch ein kleines Krisenkapitel drangehängt hat, sein Werk lieber "Kapitalismus und Gerechtigkeit" nennen. Dann wäre praktisch alles mit drin. Märkte und Werte, Geld und Gedöns. So wie bei Sabine Christiansens gestriger TV-Premiere.
Bildung ohne Boden
Es ging quer durch den Gemüsegarten, von der "Reichensteuer" bis zur "Bankenaufsicht" (hat total versagt!), vom "dritten Konjunkturpaket" (bloß nicht!), vom "Genmais-Verbot" bis zur "Bad Bank".
Dabei ist zur seit acht Monaten anhaltenden Weltwirtschaftskrise längst alles - und von allen - gesagt, und so war allenfalls interessant, in welchem Ausmaß Sabine Christiansen zur Karikatur ihrer selbst geworden ist. Und wirklich, sie ist ein großes Stück vorangekommen. Man kann nur hoffen, dass sich die wunderbaren Kollegen von "Switch reloaded" auf Pro Sieben der Sache annehmen werden.
Die schönste Frage von Sabine Christiansen lautete: "Haben wir den Bodensatz schon erreicht?" Nein, sie meinte nicht die neue Unterschicht, das soziale Prekariat, sondern die "Bodenbildung", den Fachbegriff aus der Börsensprache, der den Tiefpunkt einer negativen Kursentwicklung bezeichnet, von dem aus es wieder dauerhaft aufwärts gehen kann. Aber das kann man in der Hektik schon mal verwechseln.
"Agenda 09" ist jedenfalls beides: Bodenbildung und Bodensatz. Tiefer geht es nimmer.