Satire-Missverständnis China wirft deutschen Medien vulgäre Berichterstattung vor

Kanzlerin Merkel, Chinas Vizepräsident Xi Jinping: "Gemein und vulgär"
Foto: DDPAusländische Medien und Korrespondenten sind in letzter Zeit verstärkt unter Druck der chinesischen Behörden geraten. Erst nach längerem Zögern verlängerte das Pekinger Außenministerium zum Beispiel jetzt die Arbeitserlaubnis von ZDF-Korrespondent Johannes Hano.
Auch andere ausländische Berichterstatter wurden teilweise über Wochen hingehalten, bis ihre Pressekarten und damit ihre Aufenthaltserlaubnis für China erneuert wurden. Einige Korrespondenten wurden zuvor ins Außenministerium einbestellt und ermahnt. Das Journalistenvisum ist jeweils bis zum Ende des Jahres gültig.
Für den ZDF-Korrespondenten setzten sich deutsche Politiker und die Leitung des Fernsehsenders bei der chinesischen Regierung ein. Der Sender hatte Peking mit einem Beitrag des SPIEGEL-ONLINE-Satirikers Martin Sonneborn erzürnt.
Sonneborn hatte sich während der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2009 darüber lustig gemacht, wie deutsche Journalisten über China berichten . Er sprach in den Messehallen Chinesen auf Deutsch an, um daraufhin etwas anderes zu übersetzen, als sie geantwortet hatten.
Sonneborn und das ZDF hätten "die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt", hieß es daraufhin. Als "gemein und vulgär" empfand das KP-Organ "Global Times" den Beitrag. Dass es sich um Satire handelte und nicht um einen normalen Informationsbeitrag, und dass er von kaum einem Chinesen in der Volksrepublik gesehen wurde, übersahen die Kritiker. Trotzdem entschuldigte sich ZDF-Intendant Markus Schächter schriftlich beim chinesischen Botschafter in Deutschland: "Und ich bitte Sie, dieses Bedauern auch nach China zu übermitteln." Der Sonneborn-Beitrag wurde zudem aus der Mediathek des Senders entfernt.
"Böswillige, falsche Unterstellungen"
Doch der Buchmessen-Clip war nicht der einzige Stein des Anstoßes: Das ZDF habe bei seinen Berichten über die Parade zum 60. Jahrestag der Volksrepublik ein Interview mit einem Passanten sowie die Rede von Staats- und Parteichef Hu Jintao falsch übersetzt, klagte die "Global Times". Die Sendungen hätten "starke Unzufriedenheit" unter den in Deutschland lebenden Chinesen hervorgerufen.
ZDF-Korrespondent Hano streitet die Vorwürfe energisch ab. "Mit böswilligen, falschen Unterstellungen in chinesischen Medien, allen voran der 'Global Times', wird derzeit der Versuch unternommen, das ZDF und andere Medien in der chinesischen Öffentlichkeit zu diskreditieren und als antichinesische Kraft darzustellen. Das ist wohl Teil einer Kampagne, um westliche Medien in China unglaubwürdig zu machen", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Sein ARD-Kollege in Peking, Jochen Gräbert, spricht von einer "gezielten Kampagne gegen ausländische Journalisten".
Dem Chefredakteur der Hongkonger "Far Eastern Economic Review", Hugo Restall, wurde jüngst das Einreisevisum verweigert. Sein inzwischen eingestelltes Magazin gehört mit dem "Wall Street Journal" zum Dow Jones Verlag. Das "Wall Street Journal" hatte in letzter Zeit die in Peking als "Separatistin" verhasste Uigurin Rabeya Kadeer zu Wort kommen lassen.
Anhaltender Ärger über SPIEGEL-Titelgeschichte
Auch der SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE waren in jüngster Zeit Zielscheibe von Kritik. Der jüngste Online-Bericht über die Entlarvung vier mutmaßlicher chinesischer Spione in München, die offenbar die uigurische Exilgemeinde auskundschaften sollten, sei falsch, erklärte die "Global Times" am Donnerstag voriger Woche.
Chinesische Medien halten dem SPIEGEL nach wie vor die Titelgeschichte "Die Gelben Spione" (SPIEGEL 35/2007) vor, die über Industriespionage in Deutschland und Technologieklau berichtete.
Die offensive Medienschelte ist offenbar Reaktion auf das internationale PR-Desaster des Olympischen Fackellaufs im vorigen Jahr. Die Berichte deutscher Medien über China würden "Vorurteile vertiefen", seien "destruktiv" und suchten "ideologische Abgrenzung", klagte der ehemalige Pekinger Botschafter in Deutschland, Mei Zhaorong, auf der Frankfurter Buchmesse.
Der ehemalige Diplomat behauptet, seit dem Amtsantritt von Kanzlerin Angela Merkel berichteten deutsche Journalisten negativer als sonst über China. Wenn die deutschen Medien nicht "aufpassten" und weiter so schlecht über China schrieben, könnte dies die deutsch-chinesischen Beziehungen gefährden, warnte auch der Ex-Botschafter in Berlin, Ma Canrong, im November 2009 auf einer Podiumsdiskussion des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Peking.