Schlag den Raab Keile für die Killerplauze

Boxsportlich war's albern, unter Showkriterien urkomisch: Auf ProSieben bezog TV-Clown Stefan Raab ordentlich Keile vom Karlsruher Fliegengewicht Regina Halmich. Wird sich der Entertainer dafür später am Eisbär-Jungen Knut rächen?

Das Perfide ist: Er kann machen, was er will, und gewinnt immer. Natürlich hat Regina Halmich Stefan Raab am Freitagabend tüchtig verprügelt. Sechs Runden lang trommelte die Profiboxerin ihre kleinen harten Fäuste elegant und unangestrengt auf die 88 Kilo schwere Kölner Landplage, haute ihn ein paar Mal fast K.o., und behielt nach dem Sieg durch Punkten selbstverständlich den ausgedachten Titel der "Weltmeisterin sämtlicher Klassen", den die "Killerplauze" ihr im Hinkampf vor sechs Jahren schon einmal abnehmen wollte.

Aber verloren hat der Entertainer trotzdem nicht. Fernsehunterhaltungstechnisch jedenfalls: Wer ihn nicht mag, der schaute umso lieber zu, wie die Schläge auf die breite Metzgerzahnleiste prasselten. Wer ihn mag, der respektierte seinen Mut und seine Genialität in Sachen Show. Denn es war ein extrem ungleicher Boxkampf, den Raab und Halmich dort im Ring vollführten, und auch in weiten Teilen keine Top-Show. Dafür wurde zu viel Zeit gestreckt, wurden zu viele Wiederholungen, zu viele Werbepausen geliefert, und die Vorkämpfe waren auch nur Dehnungsübungen mit Fallobst. Oder wie es Mit-Moderator und Ex-Box-Weltmeister Dariusz Michalczewski beim lahmen Kampf von Schwergewicht-Nachwuchs Sebastian Köber gegen Luis Oscar Ricail auf den Punkt brachte: Von dem Argentinier hat man noch nie etwas gehört. Und bei 20 verlorenen Kämpfen von 40 ist klar, für welchen Zweck der arme, zum Boxen zu moppelige Ricail vom Veranstalter bezahlt worden war.

Auch der Kampf der sagenhaft schnellen Fliegengewichts-Weltmeisterin Susianna Kentikian gegen Maria Jose Nunez Anchorena sollte vor allem die Werbepausen umrahmen. Doch das ist eben auch typisch Boxen, genau wie das Nummerngirl, der Expertentalk und die Promi-Besserwisser – tout Köln saß in der gleichnamigen Arena, 19.500 grölende Zuschauer, darunter Anke Engelke, Helge Schneider, Dolly Buster und eine ganze Menge töftes, echtes Boxpublikum mit schiefen Nasen, Bräunungsstudio-Lederhaut und ekeligem Metallschmuck.

Kaulquappe mit Kampf-Iro

Am Ende des langen Abends wurde die Show aber doch schön: Halmichs Walk-In zu Doro Pesch live war ein Fly-In – die kleine Karlsruherin wurde in einem funkensprühenden Käfig von der Arena-Decke heruntergelassen, während die wie ein langsam in die Jahre kommendes Hardrock-Pin-up geschmückte Doro dazu ihre Mähne schmiss. Raabs Walk-In war ein Roll-In – zu Edwin Starrs "War" kam er in einem Show-Panzer, und offenbarte einen zünftigen Kampf-Iro, der ihm noch mehr das Aussehen einer bösen Kaulquappe gab.

Der Hauptkampf selbst war, abgesehen von den geisttötenden Werbepausenunterbrechungen, unter Box-Gesichtspunkten albern, aber unter Show-Kriterien lustig. Immer wieder ruderte Raab mit seinen langen Armen hilflos in der Gegend herum und erinnerte sich nicht mehr daran, was er in der fünfwöchigen Trainingsphase an Technik zu lernen versucht hatte. Immer wieder kriegte er Schlagseite und stolperte in die Seile. Immer wieder klammerte er sich kraftlos an die freundlich lächelnde Weltmeisterin und bewies, was bei diesem – im Gegensatz zum ersten Aufeinandertreffen der beiden – jeder vorausgesagt hatte: Eine Profiboxerin schlägt jeden Mann. Auch wenn er einen eisernen Siegerwillen, die Traute und über 30 Kilo mehr Masse mitbringt. Diese Wahrheit hat Raab der Öffentlichkeit immerhin beigebracht, unfreiwillig - vor dem Hinkampf, bei dem Halmich Raab die Nase brach und ihn klar besiegte, hatte noch in weiten Kreisen die Ansicht gegolten, man müsse nur genug genetisch bedingtes Testosteron vorweisen, um eine Box-Weltmeisterin in die Knie zu zwingen.

Den besseren Trashtalk im Vorfeld hatte Showmulti Raab jedenfalls. "Wenn ich fertig bin, fahr' ich nach Berlin und verprügelt' den Eisbären Knut", hatte er auf der Pressekonferenz vor dem Kampf gesagt und es mit diesem Super-Bonmot zu Recht in alle Medien geschafft. "Last night I strangled a snake and murdered a brick - I'm so mean I make medicine sick!" – der König des Boxens, Muhammad Ali, wusste ebenfalls, wie man die Öffentlichkeit anständig amüsiert und dabei jenen eigenwilligen, selbstbewussten und trotzdem urkomischen Schalk im Nacken festhält. Unnötig zu sagen, dass das die einzige Gemeinsamkeit zwischen Raab und Ali ist.

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