Schweizer Buchmarkt Angriff auf die Preisbindung

Seit Jahren kämpft die Schweizer Wettbewerbskommission gegen die kollektive Buchpreisbindung. Jetzt hat sie den so genannten Sammelrevers erneut untersagt. In Deutschland reagiert man gelassen: "Die Entscheidung wird beim Bundesgericht nicht durchgehen", so der Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Bern/Frankfurt - Erneut haben die Hüter der Marktwirtschaft geurteilt: Die Buchpreisbindung ist laut Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) ein eidgenössisches Auslaufmodell - und unzulässig. Der deutsche und der Schweizer Buchhandel sind allerdings entschlossen, erneut bis vor das Schweizer Bundesgericht zu ziehen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zeigte sich zuversichtlich, dass das Gericht die Entscheidung der Wettbewerbskommission kippen werde.

Die Wettbewerbskommission hatte den Sammelrevers erstmals im September 1999 für unzulässig erklärt. Die Kommission verbot damit Buchhändlern und Verlegern, die kollektive Buchpreisbindung aufrecht zu erhalten. Das Gremium befand, das Preisbindungssystem, das 90 Prozent aller in der Schweiz verkauften deutschsprachigen Bücher umfasst, verstoße gegen das Kartellgesetz. Dagegen erhoben der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband sowie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Verwaltungsgerichtsbeschwerden. Im August 2002 hieß das Bundesgericht die Beschwerden teilweise gut und wies den Fall zur Neubeurteilung an die Wettbewerbskommission zurück.

Diese prüfte nun unter anderem, ob der geltende Sammelrevers zu einer Erhöhung der Sortimentsbreite- und -tiefe im Buchhandel, zu einer höheren Produktvielfalt oder einer besseren Beratung führe. Die Kommission sei sich der kulturellen Besonderheit des Gutes Buch bewusst, hieß es in der Mitteilung. Die behaupteten positiven Wirkungen des Sammelrevers hätten jedoch nicht nachgewiesen werden können.

Der deutsche Buchhandel reagierte gelassen auf die Untersagung der Buchpreisbindung. "Die Entscheidung der Wettbewerbskommission wird beim Bundesgericht nicht durchgehen", sagte der Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Christian Sprang. Der Börsenverein werde sich an die Berufungsstelle der Schweizer Wettbewerbskommission wenden und notfalls auch vors Bundesgericht ziehen. Bis zum Abschluss des Verfahrens sei die Buchpreisbindung weiter wirksam.

Nach Sprangs Einschätzung wird die Berufungsstelle voraussichtlich erst im kommenden Jahr verhandeln. Bei einer Einschaltung des Bundesgerichts sei mit einer Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren zu rechnen. Nach seinen Angaben hat der Schweizer Markt für die deutschen Verleger einen Anteil von fünf bis zehn Prozent. Die Schweizer Buchhändler reagierten enttäuscht auf die Entscheidung der Wettbewerbskommission. Men Haupt, Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes, zeigte sich entschlossen, im Gleichschritt mit dem deutschen Buchhandel bis vor Bundesgericht zu ziehen. "Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche", sagte er.

Haupt ist überzeugt, dass sich auch Deutschland und Österreich eine Aufweichung der Buchpreisbindung nicht gefallen lassen werden. Aus diesen beiden Ländern importiert die Schweiz rund 80 Prozent der deutschsprachigen Bücher. Sowohl in Deutschland wie auch in Österreich ist die Buchpreisbindung per Gesetz verankert. Würde die Schweiz die Buchpreisbindung aufheben, bestünde die Gefahr des Reimports. Dies dürften sich die Nachbarländer nicht gefallen lassen, sagte Haupt.

Tatsächlich könnte der Wegfall der Preisbindung für deutsche Verleger und Buchhändler gravierende Folgen haben. Als im Sommer 2001 die österreichische Libro AG und deren Internetfirma lion.cc versuchten, diverse Titel in Deutschland für bis zu 20 Prozent unter dem festgelegten Ladenpreis zu verkaufen, war die Aufregung groß. Die deutschen Verlagshäuser wehrten sich mit einer Liefersperre; der damalige Libro-Chef Andre Rettberg mobilisierte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Zwar konnte sich Libro am Ende nicht durchsetzen, doch der Fall gilt als Blaupause eines Schreckenszenarios, das unbedingt verhindert werden muss.

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