Sendeschluss für "Polylux" Burn-out in der Partyzone
Die jungen Leute sind müde geworden. Ständig müssen sie sich neue verrückte Dinge ausdenken, um von den Alten wahrgenommen zu werden. So richten sie sich heruntergekommene Plattenbautenwohnungen in Ostberlin als Individualpaläste her, halten Mini-Schweine als Haustiere, kleiden sich in selbst genähte Tierfelle oder schlucken Speed als Diätbeschleuniger.
Nun ja, nicht alle diese im Lifestyle-Magazin "Polylux" beschriebenen Phänomene sind so tatsächlich in der Wirklichkeit anzutreffen. Einiges hatten die Macher verdichtet, anderes gar erdichtet; um daraus flotte Beiträge zu zaubern, mit denen die Menschen um Mitternacht herum davon abgehalten werden sollen, ins Bett zu gehen.
Einen wirklich ernüchternden Beitrag gab es nun allerdings ausgerechnet in der letzten Sendung: Da ging es ums "Downshifting", was als schicker Anglizismus erstmal spektakulär klingt, aber nichts anderes meint als den freiwillige Karriereab- oder sogar ausstieg.
Berichtet wurde von einer Mittzwanzigerin, die schon nach fünf Jahren im hoch erhitzten Berliner IT-Betrieb physisch und psychisch am Ende war und sich nun genüsslich dem prekären Leben zwischen WG und Kellnerjobs hingibt: Burn-out in der Partyzone. Im Film sah man sie einmal auch mit Kopfhörer auf der Parkbank, wo sie sinnigerweise das Lied "Kapitulation" von Tocotronic hörte ausgebrannt und voll entspannt.
Für die Macher von "Polylux", die in der Vergangenheit im Finden und Erfinden von Trends wohl nicht minder getrieben waren, kommt ihr "Downshifting" allerdings ganz unfreiwillig und unentspannt. Ende des Jahres, so verkündete der verantwortliche Sender RBB, werde die Sendung eingestellt. Damit hat die Produzentin und Moderatorin Tita von Hardenberg immerhin doppelt so lange durchgehalten wie die im Beitrag vorgestellte Berliner Burn-out-Patientin. Was irgendwie schon beachtlich ist, denn im gewissen Sinne stellte "Polylux" die letzte Seifenblase der New Economy dar die jetzt endlich geplatzt ist.
Nichtigste Abseitigkeiten
Das Lifestyleformat war Ende der Neunziger konzipiert worden, also in einer Zeit, als man mit der richtigen Powerpoint-Präsentation im Rücken unbedarften Investoren ein Maoam-Fruchtgummi als neue Weltraumnahrung verkaufen konnte. Die Schöpfer von "Polylux" sind von diesem Trip irgendwie nie so recht runtergekommen. In fröhlich flimmernden Filmchen priesen sie noch die nichtigste Abseitigkeit als Trend einer heiter beschleunigten Welt. Und wo man mit Erklärungen nicht weiter kam, palaverte man Logiklöcher einfach ironisch zu.
Für das Aus der Sendung dürfte es drei Gründe geben: Erstens erwartet der notorische klamme Kleinsender RBB wegen bevölkerungsspezifischer Faktoren in Berlin und Umland ab Januar 2009 einen Gebührenausfall von 54 Millionen Euro weshalb man sich nicht nur vom inzwischen nicht mehr besonders prestigeträchtigen Prestigeobjekt "Polylux" trennt, sondern auch den Betrieb von Radiomultikulti einstellt.
Zweitens hatten sich die Verantwortlichen einfach zu viele Fehler geleistet. So ließ man vor gut zwei Jahren zum Beispiel in einem lustig gemeinten "Polylux"-Beitrag den Esoterik-Onkel Tom Hockemeyer zu Wort kommen, der wegen seiner Holocaust-Verharmlosung vorbestraft ist.
Für den schon angesprochen Beitrag über Speed-Junkies im Hungerwahn war man hingegen unlängst einem Hochstapler aufgesessen, der sich die Radikal-Diät nur ausgedacht hatte, um auf die zweifelhafte Recherche der Fernsehredakteure hinzuweisen.
Heiterer Modernisierungsoptimismus
Und drittens wird sich wohl auch der Abschied vom Jugendwahn in der ARD aufs "Polylux"-Ende ausgewirkt haben. Zurzeit werden im Ersten ja sämtliche Produktionen aus dem Programm gefegt, die man zuvor aufwändig herstellen und bewerben lassen hat, um ein Publikum jenseits der 60 an den Sender zu binden von der Styling-Show "Bruce" bis zum Kuppelreigen "Ich weiß, wer gut für dich ist!".
Der Traum von einer jüngeren Zuschauerschaft scheint bei der ARD also längst ausgeträumt wie auch die Tatsache beweist, dass der für viel Geld abgeworbene Privatfernseh-Prolo Oliver Pocher inzwischen nicht nur regelmäßig von irgendwelchen Intendanten abgewatscht wird, sondern auch von seinem Chef Harald Schmidt höchstselbst.
Für die geschassten Macher von "Polylux" sollte das kein Grund zum Lamentieren sein. Folgt man dem heiteren Modernisierungsoptimismus, der in ihren Reportagen über ausgebrannte Zwanzigjährige und ausgenommene Dreißigjährige so oft zum Tragen kam, hält das Berlin-Mitte-Leben zwischen Arbeitsamt und Kellnerjob ja einige ganz wunderbare Verrücktheiten parat.
"Polylux", donnerstags, 23.45 Uhr, ARD