Sibylle Berg

S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Teilen wir uns doch einfach den Mann

Alles, was man nicht selbst bewirtschaften kann, ist ein Zuviel an Besitz. Trotzdem glauben wir zu Recht eher an das Teilen von Gegenständen und Gütern als an den friedlichen Austausch von LebenspartnerInnen.

Die Sharing-Gesellschaft - das heißt: wir teilen Autos, Wohnungen, Kleidung, Kunst oder LebenspartnerInnen - ist eine wundervolle Utopie . Ein wenig wie funktionierender Kommunismus. Wer könnte ernsthaft dagegen sein, sich selbstfahrende Autos zu teilen? Das Teilen der Wohnung, hier wird immer AirBnB aufgeführt, hingegen ist noch ein zutiefst kapitalistisches Modell.

Einen Schritt weiter geht man da in der Schweiz, wo knapper Wohnraum geteilt wird . Das könnte eine wirklich radikale Form des Teilens werden, junge Familien könnten mit Älteren oder mit körperlich Eingeschränkten zusammenleben und sich die Betreuung von Kindern teilen, oder man geht einen Schritt weiter und teilt sich die LebenspartnerInnen .

Auch diese Idee scheint bestechend im Sinne von Karl Marx: Alles, was man nicht selbst bewirtschaften kann, ist ein Zuviel an Besitz. Man schaue sich das Elend der meisten Paare an. Sie changieren immer zwischen dem Wunsch, nach gelungener Alterung auf Parkbänken zu hocken (Kommt dieses Bild eigentlich aus amerikanischen Filmen? Ich wollte noch nie auf einer Parkbank sitzen, dem mangelnden Unterhautfettgewebe geschuldet und dem daraus resultierenden Druckschmerz, und warum auf Bänken lungern, wenn man andernorts eine Schlägerei anzetteln kann?), und dem nach gutem Sex.

Das ist also der nicht lösbare Widerspruch in Liebesbeziehungen: Gemeinsamkeit im Alter - oder Geilheit. Das ist also Grundproblem langer Beziehungen, die nicht zu Ende gedacht wurden.

Rausch und Gemütlichkeit? Bullshit!

Ich bezweifle, dass das Partnersharing-Modell mit dem menschlichen Wunsch nach einer Familie vereinbar ist. Denn eine Familie, die auch aus nur zwei Personen bestehen kann, ist mehr als bestechend gelebte Sexualität. Die volle Wucht einer Familiensituation entfaltet sich gerade erst mit dem von vielen gefürchteten Alltag. Mit dem Zusammen-Leben, dem Tausend-kleine-Dinge teilen. Eine Parallelwelt entstehen lassen, die einen vor der Erkenntnis der Vergänglichkeit schützt.

Das, liebe CDU, ist Familie, die geschützt gehört, und egal, wer mit welchem Geschlecht sie bildet. Keine Ahnung, ob Sharing-Modelle in diesem Kontext funktionieren können. Ich, als Überlebende mehrerer Weltkriege, denke immer, es kann nicht alles geliefert werden im Leben, und in allen Bereichen ist der Mensch einsichtig und weiß, dass er nicht zugleich auf mehreren Kontinenten zu Hause sein kann, und auch der glänzenden Ausübung vieler Berufe sind Grenzen gesetzt.

Aber Beziehungen sollen immer alles leisten - Gewohnheit und Rausch, Leidenschaft und Gemütlichkeit. Bullshit.

Eine Familie ist, ob mit oder ohne Kindern, die revolutionäre Zelle, die bei Funktionieren Schutz gegen die Verblödung ist, gegen den sinnlosen Konsumismus, gegen Angst und Einsamkeit. Diese Intimität einer Zweiergemeinschaft zu teilen, scheiterte in vielen Versuchen, in Kommunen und Stämmen.

Ich glaube eher an das Teilen von Gegenständen und Gütern als den friedlichen Austausch von LebenspartnerInnen. Aber vor 50 Jahren konnte sich auch keiner vorstellen, dass die Einflugschneise von Verkehrsflugzeugen von Drohnen gefährdet werden. Soweit zum Thema menschliche Intelligenz, die vielleicht nie für die Verwirklichung großer Utopien reichen wird.

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Foto: SPIEGEL ONLINE
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