
Politikerstile: Hoodie oder Hosenanzug?
S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Das Rudel frisst, was anders aussieht
Nach den Erfolgen, ganz gleich bei welcher Partei, ganz gleich bei welcher Wahl, sieht man sie immer springen, Frauen und Männer, von denen Chinesen sagen würden: Gute Güte, die Deutschen sehen sich alle so ähnlich.
Der Misserfolg der Piratenpartei beruht neben Kleinigkeiten wie Planlosigkeit und Selbstzerfleischung auf dem Äußeren der Mitglieder. Tätowierungen, obgleich sehr im Mainstream angekommen, Piercings, Kapuzenjacken, nichts Verrücktes möchte man meinen, doch schockierend für den Großteil der Bevölkerung.
Ein Politiker, der als Vertreter des Volkes gewählt werden will, muss dem entsprechen, was der Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland als ordentlich empfindet. Es hat mit Beigetönen zu tun, mit Messerformschnitten. Nicht auffallen, nicht zu elegant, nicht zu schwarz, zu tailliert - jedes Äußere zu viel ist in Deutschland, als Bewohnerin des befreundeten Auslandes darf ich anfügen, auch in der Schweiz, suspekt.
Der Mensch auf imaginärer Safari
Große Teile der Bevölkerung verunsichern ein Herr Löw oder ein Herr Friedman mit ihrem Hang zu Eleganz. In einer fairen Welt, die es nie geben wird, wäre der Geschmack des Menschen unantastbar. Tolerant begegnete man allem, was einen nicht angreift: Dicken, Dünnen, Außerirdischen.
Menschen, die anders aussehen als man selbst, spiegeln das eigene Unvermögen, sich in schöner Kleidung, mit einer freundlichen Frisur angenehm zu gestalten. Und sei es nur, dass sie da geschmackvoll auftreten, wo der Mensch mit Karohemden und beigefarbenen Dreiviertelhosen herumschlingert. Die Unfähigkeit, einen eigenen Geschmack, um nicht gleich von Stil zu reden, zu entwickeln, manifestiert sich bei den meisten in der Freizeit.
Im Beruf angenommenen oder vorgeschriebenen Codes folgend, greift der Mensch, wenn es darum geht, sich außerhalb des Büros zu bedecken, zu dem, was alle tragen. Karierte Hemden und beigefarbene Hosen. Auch im Programm: die unglaublich clevere Erfindung der Outdoor-Kleidung. Atmungsaktiv, geschmackabweisend, akzeptiert. So trabt der Mensch durch die Innenstädte, sich immer auf einer imaginären Safari befindlich. Das Haar wird dem Friseur anvertraut, der schneidet es ab. Der Mensch will vor allem eines nicht: auffallen. Das Rudel frisst alles, was anders aussieht. Es straft den Außenseiter.
Ist es das, was solche Angst macht? Ist es der Wunsch, nicht aus der Masse zu ragen, gekoppelt mit unausgebildetem Geschmack, der uns nur akzeptieren lässt, was sich innerhalb einer nicht vorgeschriebenen Norm bewährt hat?
Politiker sind nahezu chancenlos, wenn sie gegen die ungeschriebene Kleiderordnung der Masse verstoßen. Der Misserfolg der Piraten ist zu 70 Prozent ein optisches Problem. Der Rest: Mensch. Hätten sich alle wie AfDler gekleidet, mausgrau mit originellen orangefarbenen Akzenten, würden sie heute im Parlament sitzen und sich da weiter streiten, es würden eventuell Ideen entstehen, die größer wären als "Ich will irgendwas mit Menschen machen", und sie würden sie mit der Zeit verraten, sie würden bequem werden und korrupt, genauso wie fast alle anderen.
So ehrenwert der Wunsch ist, seinem Land in neonbeleuchteten Büros zu dienen, so unglaublich langweilig ist es vermutlich, den Großteil seines Tages mit anderen, die aussehen wie man selbst, in Plenarsälen herumzusitzen. Nichts zum Darauf-neidisch-Sein. Galante Überleitung. Ein Ferrari der Überleitungen sozusagen: zum Thema Neid.