S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Weiblich geht die Welt zugrunde

Leipziger Rektorin Beate Schücking bei ihrer Amtseinführung (Mai 2011)
Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpaAn der Uni Leipzig heißen Lehrende beiderlei Geschlechts in Zukunft Professorinnen. Der vermutlich kurzfristige Versuch erschüttert Deutschland, falls man glaubt, dass das Land in den Print- und Online-Medien korrekt repräsentiert wird. "Eine Vergewaltigung der Sprache", "Die Frauen ticken jetzt echt nicht mehr richtig, wenn die der Meinung sind, dass Männer sich jetzt mit Frauenbetitelung ansprechen lassen müssen", "Es verstärkt sich der Verdacht, dass das weibliche Gehirn doch signifikant anders funktioniert als ein richtiges", "Frauen, die sich durch das generische Maskulinum diskriminiert fühlen, sollten sich ganz ehrlich untersuchen lassen".
Auf geschätzten 678 Kommentarseiten in zehn Printmedien macht sich Empörung breit. Die "Bild"-Zeitung übertitelt etwas, das wir alle nicht lesen wollen, mit "IRRSINN AN DER UNI LEIPZIG". Kurz: Die Republik kollabiert, Massen gehen auf die Straße, endlich, hurra, endlich ist er da, der langersehnte Bürgerkrieg.
Wenn es um Dinge geht, die man eben immer so gemacht hat, wie zum Beispiel Rassismus in Kinderbüchern, Sexismus im Alltag oder unbegrenztes Tempo auf Autobahnen, reagiert der deutsche Mensch sehr empfindlich. Kaum einer scheint kurz innezuhalten und zu sagen: "Ja, stimmt, so kann man das auch sehen. Da werde ich mal drüber nachdenken." Oder: "Aha, so komisch fühlt es sich für einen Mann an, plötzlich mit einem weiblich dominierten Sprachgebrauch konfrontiert zu werden. Ist ja interessant." Oder gar: "Ich verstehe, die Zeiten des Patriachats sind langsam am Ausklingen, in ein paar hundert Jahren gibt es eine Gleichberechtigung und vielleicht auch keine sprachlichen Geschlechtszuweisungen mehr. Und so lange ist diese Lösung eine interessante."
Sklaverei und Prügelstrafe
Nix da. Das Abendland geht in Deutschland immer sofort und irrsinnig schnell unter, wenn man eine Neuerung wagt, etwas gegen das Gewohnheitsrecht unternimmt. Freundlich kann man ergänzen, dass eine leichte Borniertheit kein deutsches Problem ist. Die meisten Menschen wehren sich vehement gegen alles, was ihnen als Bedrohung erscheint. Und eine Bedrohung scheint vielen alles zu sein, was ihre Weltsicht in Frage stellt, ihre Gedanken anzweifelt. Und um die ist es aus reiner Trägheit oft nicht so wahnsinnig erregend bestellt.
Verständlich, denn soll man denn alles immerzu hinterfragen? Neben der Sorge um den Arbeitsplatz, die Familie, das Mountainbike, die Gesundheit. Woher soll man die Zeit nehmen, sich und die Welt andauernd in Frage zu stellen, und wozu soll es gut sein? Wir erregen uns, wenn etwas uns aus dem Tritt bringt, wenn wir merken, dass wir machtlos sind. Kleine Räder in einem Getriebe, das die Welt langsam zu zermahlen droht. Und darum schimpft man, um sich im Anschluss langsam an Neues zu gewöhnen.
Irgendwann siegt meist die Vernunft des Menschen. Keiner würde heute mehr bestreiten, dass es absurd ist, Sklaven zu halten. Oder dass Frauen nicht studieren oder Rad fahren dürfen. Dass es bescheuert ist, wenn Lehrer Kinder schlagen. Selbst dass Hygiene allerlei Krankheiten vermeiden kann, haben wir kollektiv begriffen.
Dass es keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen oder auch Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig wissen, gibt, das werden wir genauso lernen wie vieles andere. Und so lange können wir uns empören und wettern, toben und mit den Beinen stampfen. Irgendwann, falls unser Denken in dem Fall nicht zu langsam war und die Welt nicht weggeschwemmt wird, werden wir gelernt haben, dass es vollkommen Stulle ist, wenn männliche Lehrende Professorin genannt werden. Für einen Augenschlag der Geschichte lang.