S.P.O.N. - Helden der Gegenwart Entrümpeln lernen mit Dr. Döpfner

Wie frei muss sich Springer-Chef Mathias Döpfner wohl jetzt fühlen? Soeben hat er das Erbe seines Vaters im Geiste, Axel Springer, zu großen Teilen verramscht. So viel Kaltschnäuzigkeit kriegen die meisten ja nicht einmal beim Kellerausräumen hin.

Ich gebe es zu, ich bin eine total schlechte Wegschmeißerin. Ich bin der Typ "Kann man noch mal gebrauchen" und "Hab ich 1992 in Frankreich an der Côte d'Azur gekauft bei einem total süßen Opa, der kein Deutsch sprach und ich kein Französisch und der supersüße Ziegenbabys hatte, muss ich also unbedingt aufheben." Entsprechend sieht es bei mir aus. Voll eben. Mit lauter Dingen, die man noch mal benutzen kann, auch wenn es keiner tut.

Umso mehr bewundere ich Leute, die sich von Dingen trennen können. Leute, die Fotos wegschmeißen auf denen Personen drauf sind, deren Namen sie nicht erinnern, Schuhe, die sie seit fünf Jahren nicht anhatten oder Mails, die sie nie wieder lesen werden. Ich habe mir sogar mal ein Feng-Shui-Buch ausgeliehen, um die "Kunst des Entrümpelns" zu studieren, aber von mehr als einem schlechten Buch und einem alten T-Shirt konnte ich mich nicht trennen.

Umso mehr bewundere ich Dr. Mathias Döpfner. Der hat zwar Musik- und Theaterwissenschaften studiert, hat aber so überhaupt keine Probleme, sich von etwas zu trennen, das er als überflüssig erachtet. Von den Printredaktionen und -Objekten seines Hauses beispielsweise. Alles, bis auf die "Bild"-Zeitung und das blaue Auge des Verlags, die ewig angeschlagene "Welt", sortiert er aus. Weil diese Medien keine Zukunft mehr haben, wie er wohl glaubt. Und lustigerweise ist das so ähnlich wie auf dem Flohmarkt, wo Leute auch oft das verkaufen, was sie selbst als Müll wahrnehmen - sie machen jemand anderen damit froh.

In ihrer totalen Spießigkeit vor mir

Im Falle der vielen Blätter ist das die Funke-Mediengruppe. Für das, was Mathias Döpfner als lästigen, todgeweihten Arm seines Verlags ausmacht, geben die ihm noch 920 Millionen Euro. Und weil Dr. Döpfner froh ist, seine Arbeitergaleeren mit der Besatzung nicht komplett verschrotten zu müssen, sondern jemanden gefunden zu haben, der die Flotte übernimmt, leiht er der Funke-Gruppe 260 Millionen, damit sie ihren Kauf bezahlen kann.

Ich hätte das nicht gekonnt. Ich bin ja so eine, die auf dem Flohmarkt die Sachen, die sie schon zum Verkauf auf den Tisch gelegt hat, wieder einpackt. Weil ich denke: "Kann man noch gebrauchen." Oder: "Das hat Opa damals gemacht, das gehört doch irgendwie zur Familie."

Das "Hamburger Abendblatt" zum Beispiel. Wäre ich Dr. Mathias Döpfner, der - zumindest von außen betrachtet - wie eine Art Sohn mit Axel Springers Witwe Friede im Hintergrund das Unternehmen lenkt, würde ich denken: "Das war Axel Springers erste Tageszeitung. Ermutigt durch diesen Erfolg hat er die "Bild"-Zeitung entwickelt, die größte Tageszeitung Europas - das kann ich doch nicht verkaufen!" Und dann würde ich es aus rein nostalgischen Gründen wieder vom Tisch nehmen. Oder die "Bild der Frau". Die läge in ihrer totalen Spießigkeit vor mir, und da ich weiß, dass Frauen so beknackt sind, wie sie in der Zeitung dargestellt werden und ständig Rezepte wollen und sich zu dick fühlen, dächte ich: "Kann man noch gebrauchen!"

Yin und Yang des Springer-Konzerns

Und das bewundere ich an Dr. Döpfner. Rationalität statt Emotionen. Einfach zack und weg das Ding. Ab nach Essen an einen Konzern, bei dem man nicht davon ausgehen muss, dass er auf lange Sicht pfleglich mit dem Erbe und den 900 Mitarbeitern, die ich ihm überlasse, umgehen wird. Aber das ist wahrscheinlich Feng-Shui: Loslassen, sich trennen und den Weg frei machen für Neues.

Und vor allem, sich auf das Wesentliche konzentrieren. In diesem Fall den Kern, der die DNA des Unternehmens ausmacht. Der Springer-Verlag war nie dieses weichgespülte "Hörzu"-Zeug oder die Balkonpflegetipps aus "Bild der Frau". Der Kern des Unternehmens war die zynische, mitunter menschenverachtende und bigotte Haltung der "Bild"-Zeitung und die konservative Ausrichtung der "Welt". Und wenn Mathias Döpfner die nun behält und alles andere ausmistet, dann ist das so, als wenn ich endlich mal den Krimskrams wegwerfen würde. Dann wird nach den Regeln des Feng-Shui der alle Energie stoppende Kram aus dem Weg geräumt. Dann herrscht jene Klarheit, die die Energie braucht, um fließen zu können und ihre Wirkung zu entfalten. Die guten Geister "Bild"-Zeitung und "Welt" sind das Yin und Yang des Springer-Konzerns. Ein Unternehmen, das einst ein Verlag war. Konsequenz, dein Name ist Döpfner.

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