S.P.O.N. - Helden der Gegenwart Die Dose trägt Dessous, hihi
Gibt es außer mir eigentlich noch jemanden, den es unglaublich nervt, wenn Eltern die Gesellschaft für die Blödheit ihrer Kinder in Haftung nehmen wollen? Leute, die die Abschaffung von sich auf ein Lichtsignal öffnenden Türen fordern, nur weil der Lichtmesser die kleinen Gören nicht erfasst? Leute, die das Ende des Gymnasiums verlangen, nur damit keiner merkt, dass ihre Brut zu blöd dafür ist?
Oder jetzt diese Else, die erwirken will, dass der Werberat seine Richtlinien in Bezug auf sexistische Werbung ändert. Nur, weil ihre kleinen Dummbratzen nicht kapieren, dass das doch "ironisch" ist, wenn kaum bekleidete Frauen sich an Männern räkeln oder der Ausschnitt eines üppigen Dekolletés gezeigt wird, die Brüste zusammengequetscht und dann dort steht: "Schrottpresse - Recycling von Schrott und Metall".
Also, abgesehen davon, dass ich davon ausgehe, dass die Kinder der tonangebenden Schicht in diesem Land eh alle hochbegabt sind und ihnen somit auch schon mit fünf Jahren klar ist, dass solche Abbildungen Frauen nicht herabwürdigen, sondern im Gegenteil zeigen, wie selbstreflektiert die Gesellschaft doch ist, also abgesehen davon, kann man das doch auch lernen.
"Ironie für Fortgeschrittene I"
Lernen zu sehen, dass sexistische Werbung immer mit "Augenzwinkern" gemacht ist, dass sie am Ende einfach nur lustig ist. Ich habe das auch gelernt. Auch ich war mal so naiv zu meinen, ich müsse mich beim Werberat beschweren. Damals hatte - wenn ich mich recht erinnere - die Konservenindustrie eine ganzseitige Anzeige geschaltet, in der auf pinkfarbenem Untergrund eine taillierte, mit Dessous bekleidete Konservendose abgebildet war.
Darunter stand: "Wie Frauen - leicht zu öffnen."
Der Werberat konnte meiner Beschwerde, dass dies diskriminierend und herabwürdigend sei, absolut nicht folgen. Er berief sich auf seine Verhaltensregeln und teilte mir mit, dass dem "verständigen Durchschnittsverbraucher" doch klar erkennbar sei, dass die Werbung mit einem "Augenzwinkern" zu verstehen ist. Also lustig, komisch, witzig und überhaupt nicht herabwürdigend.
Ich habe dann lange darüber nachgedacht. Habe die Anzeige gedreht und gewendet. Es blieb eine Dose mit Dessous und der Ansage: "Wie Frauen - leicht zu öffnen". Nachdem aber der Werberat so entschieden in seinem Brief aufgeschrieben hatte, dass dies in keinster Weise diskriminierend sei, war klar: Der Fehler liegt bei mir.
Po in die Luft halten
Und da ich auf der Welt bin, um mich zu entwickeln, buchte ich ein Seminar. Bei Dr. Stange. "Ironie für Einsteiger". Da ich nach dem Power-Wochenende die Anzeige immer noch nicht lustig fand, besuchte ich noch "Ironie für Fortgeschrittene I". Und "Ironie für Fortgeschrittene II". Aber erst das Seminar "Ironie für Volltrottel" bei einem Schweizer Humoranalytiker brachte den Durchbruch. Seither kann ich aus vollem Herzen über diese Dinge lachen und halte auch Rainer Brüderle für einen großen Komiker.
Und nun diese Tante.
Ruft eine Petition ins Leben, um die Änderung der Richtlinien des Werberats zu erreichen. Ihre Forderung: Bei der Überlegung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze des Werberats vorliegt, Grundsätze, die sehr wohl Diskriminierung und Herabwürdigung untersagen, soll nicht länger der "Eindruck des verständigen Durchschnittsverbrauchers" zugrunde gelegt werden. Stattdessen fordert die Tante, das Verständnis von Kindern zu berücksichtigen, die - außer dem hochbegabten Nachwuchs der Gescheiten - zu blöd für Ironie sind. Und sie das, was sie sehen, ernst nehmen. Und als Rollenmodell annehmen.
Weswegen nächsten Sonntag auch noch eine Protestveranstaltung in Berlin stattfindet, mit allem Tamtam. Musik und so. Natürlich kommen da auch die Aufschrei-Elsen und die ganzen anderen hysterischen Weiber, die es einfach nicht kapiert haben, dass es überhaupt nicht sexistisch ist, wenn Frauen auf ihre Körper reduziert werden und sich wie ferngesteuert an jedem Kerl reiben, der Axe unter die Achsel schmiert, statt sich zu waschen. Die finden es ja auch schlimm, wenn für die H&M-Unterwäsche-Werbung Frauen in Pornoposen ihre immerwährende Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr an den Wänden der U-Bahn-Schächte kundtun.
Also ich kann die Aufregung nicht verstehen, schließlich sehe ich seit meinem Seminar unablässig die Ironie darin, wenn Frauen in Betten rumliegen und ihren geringfügig bekleideten Po in die Luft halten. Das ist ganz, ganz große Ironie. Allerdings sehe ich auch noch etwas anderes. Denn ich bin ja nicht nur Männerironie-tauglich, ich bin ja auch dieses empfindsame Wesen, das das Dunkle sieht, das sich hinter dem Hellen verbirgt. Und so blicke ich auf die traurige Seite, die sich offenbart, wenn man bedenkt, dass Männer, zumindest die der Konservenindustrie und die des Werberats, gar nicht unterscheiden können, ob sie eine Frau oder eine Blechdose vor sich haben. Ich sag jetzt mal: "Aua!"