Skandalkünstler Damien Hirst Einen Schnitt machen in Berlin

Hätte man ihn gelassen, er hätte Berlin zwei Kühe begattende Ochsen geschenkt - in Formaldehyd eingelegt, versteht sich. Aber auch ohne tote Tiere fühlte sich der Engländer Damien Hirst in der Hauptstadt ein Jahr lang heimisch. "Monopol"-Herausgeber Florian Illies erklärt, warum.

Ein Mann, der Haie und Kühe halbiert, gilt in einer geteilten Stadt natürlich als Naturtalent. So reiste eine aufgeregte Begrüßungsdelegation an einem regnerischen Mainachmittag des Jahres 1993 nach Tegel, um den 29jährigen Engländer Damien Hirst vom Flughafen abzuholen. Die Schirmmütze tief im Gesicht, frische Bartstoppeln und ein schelmisches Lächeln auf den Backen, zwei Umhängetaschen in der Hand: So betrat er Berlin. Danach reiste die Delegation mit Hirst sofort in den Hauptsitz der Kunstwelt der Westalliierten: die Paris Bar. Dort überzeugte der junge Engländer die Berliner rasch von seinem Humor und seiner Trinkfestigkeit. Beides hat er sich dann in jenem Berliner Jahr bewahrt, nur die Stammkneipe, die hat er schnell gewechselt.

Wahrscheinlich, weil er instinktiv spürte, daß die Paris Bar schon das Revier war von zu vielen anderen Platzhirschen und Malerfürsten, fand er einen anderen Ort: das Maxwell in der Helmstedter Straße. "Nach dem riesigen Rummel in London um seinen eingelegten Hai war Berlin für Hirst eine bewußt gewählte Auszeit", sagt Werner Többen, der Besitzer des Maxwell. Sein Restaurant in der Helmstedter Straße, ganz in der Nähe von Hirsts Wohnung, wurde schon nach wenigen Tagen für den englischen Künstler zu einer Art Wohnzimmer - und Töppen zu einem engen Freund. Das Maxwell, das inzwischen in die Bergstraße in Mitte umgezogen ist, schmücken bis heute originale Gemälde, die Hirst Töppen geschenkt hat. Besondere Getränkevorlieben hatte Hirst schon im Wilmersdorfer Maxwell nicht: "Bier, Wein, Schnaps, eigentlich alles", so das Fazit eines Trinkgenossen aus jenem Berliner Jahr. Oder, wie es das Magazin New Yorker noch fünf Jahre später formulierte: "Damien likes to mix things up, alcoholically." Wenn er in eine neue Stadt komme, so sagt Hirst, dann müsse er viel trinken, aus Enttäuschung darüber, daß es dort genauso aussehe wie anderswo auch.

Ein Jahr blieb Damien Hirst in der Stadt. Eingeladen hatte ihn, wie so viele andere junge Künstler auch, der Deutsche Akademische Austauschdienst (die schönste unter den sehr wenigen Absagen kam von Matthew Barney, der leider mitteilte, er sei für die nächsten zehn Jahre zu beschäftigt). 1992, als in London die Ausstellung der Young British Artists Furore machte und Hirst mit seinem in Formaldehyd eingelegten Tigerhai zur Ikone der jungen wilden Künstlergeneration wurde, hatte die deutsche Kuratorin Andrea Schlieker Hirst als Kandidaten für das Austauschprogamm vorgeschlagen: Und sowohl die Berliner Jury als auch der Künstler selbst sagten sofort zu. Doch anders als David Bowie oder Iggy Pop, die in den Jahren zuvor nach Berlin gekommen waren, um das zu suchen, was man dann hinterher immer vornehm "Inspiration" nennt, wollte Hirst in der deutschen Hauptstadt nur eines: seine Ruhe. Oder, wie es Hirst einmal sagt: "Ich lebte in Berlin, um der Publicity zu entkommen."

Das war ein guter Plan. Denn als Friedrich Meschede, Leiter des Künstlerprogramms des DAAD, eine Pressekonferenz gab, um Hirst zu begrüßen, hatten zwar die größten englischen Zeitungen einen Reporter geschickt - aber keine Berliner. Auch als Hirst im Sommer für Aufsehen auf der Biennale in Venedig sorgte, weil seine Skulptur zwar den schönen Titel "Mother and Child, Devided" trägt, aber in den Glaskästen nur eine tote Kuh und ihr Kälbchen zu sehen waren, mehrte das nur in seiner englischen Heimat seinen Ruhm.

Berlin war 1993 kurzzeitig erschöpft, die Olympiabewerbung scheiterte kläglich, die Stadt war leicht verkatert nach dem Rausch der Wiedervereinigung, weit wichtiger als die Ankunft von Damien Hirst war im Mai 1993 für die Zeitungen der Stadt, daß die U2 wieder in der Station Gleisdreieck hielt. Das Jahr in diesem müden Reich des Eberhard Diepgen wurde für Hirst tatsächlich ein stilles Jahr in der Niemandsbucht. Hirsts Hafen war die Wohnung im dritten Stock in der Jenaer Straße 11, nahe dem Bayerischen Platz, eine typische große Berliner Altbauwohnung in den endlosen Gründerzeitwäldern zwischen Wilmersdorf und Schöneberg. Häuser, an deren Fassaden die Balkone so müde hängen wie der Schnurrbart im Gesicht von Otto Sander, dem bis heute berühmtesten Bewohner der Straße.

Und doch hatte der Ort wahrscheinlich genau das richtige Karma: Im Nebenhaus von Hirst, in der Jenaer Straße 9, hatte Klaus Wagenbach in den siebziger und achtziger Jahren sein erstes Verlagsdomizil. Der große linke Hedonist mit Lust an Vermarktung und Hochkultur wäre ebenso ganz nach dem Geschmack des englischen Marketingsgenies gewesen wie der frühere Bewohner der Jenaer Straße 5: Carl Ludwig Schleich nämlich, 1859 geboren, 1922 gestorben, ein besessener Arzt mit großem Hang zum Alkohol und zur Literatur, schrieb hier genau hundert Jahre vor Hirsts Ankunft sein Standardwerk über "Schmerzlose Operationen". Von morgens bis abends, so geht die Kunde, habe Schleich mit großer Leidenschaft Tiere und Menschen aufgeschnitten. Ach, hätte Hirst das gewußt.

Schon damals hatte er, wie William Leith später schrieb, den härtesten Job, den England zu vergeben hat: nämlich auch noch die vierzig folgenden Jahre lang der Skandalkünstler Damien Hirst zu bleiben. So reiste er in die Jenaer Straße 11, wo er ein Jahr lang einfach Mr. Hirst sein konnte. Mit ihm kam Maia Norman, eine bildhübsche blonde kalifornische Surferin und Designerin, die er einige Monate zuvor seinem Londoner Galeristen Jay Jopling ausgespannt hatte. Auch aus diesem Grund waren Damien und Maia froh, der Londoner Höhle des Löwen entkommen zu sein (später fand Jay Jopling dann Sam Taylor-Wood, und alles wurde wieder gut).

Problematisch war 1993 nur, daß Maia in Berlin keine idealen Surfbedingungen vorfand. Doch sie fanden eine interessante Indoor-Lösung: Gemeinsam verankerten sie ein Surfbrett im Boden des Berliner Zimmers, mit Kugellagern drunter, so daß Maia über Eichenparkettbohlen glitt, als seien es Pazifikwellen.

Auf das Jahr in Berlin angesprochen, spricht Hirst, wenn er romantisch ist, "von der schönsten Zeit seines Lebens" oder - nüchterner - von "einer einzigen, großen Party". Viel Alkohol, viele Drogen, viel Spaß. Doch nach mancher versumpften Nacht überraschte Hirst seine Mitbewohner, Trinkgenossen und Geschäftspartner, weil er nach kurzer Dusche auf sein Sofa stieg, zum Telefon griff, um dann für die nächsten Stunden mit hellwachem Verstand, klaren Marketingzielen und großem Willen seine nächste Kunstaktion zu planen.

Schon als Student begründete er seinen Ruhm, als er für seine Studienkollegen des Goldsmith College in London die legendäre Ausstellung "Freeze" organisierte und gleichzeitig in der Galerie von Anthony d'Offay das große Einmaleins des Kunstmarktes kennenlernte. Die Kritiker, aber auch sein Lehrer Michael Craig-Martin sagten Hirst damals eine große Karriere als Kurator und Kunsthändler voraus. Doch der dachte nicht daran, sondern machte die Vermarktung zum Teil seiner Kunst. Schon in London, dann aber auch in Berlin regierte Hirst sein aufsteigendes Reich wie Helmut Kohl per Telefon. Zumindest für die Rechnungsabteilung der Telekom war Hirst, Damien, Jenaer Straße 11, im Mai 1994 also keine unbekannte Größe mehr.

Alle, die in diesem und in späteren Jahren mit Hirst zusammentrafen, schildern ihn als eine außerordentlich charismatische Person. Sobald genug Menschen im Raum waren, legte er los, selbst verkrachte Existenzen im Holsten-Eck in der Tauroggener Straße, die sich seit Jahren verzweifelt an ihrem Berliner Kindl festhielten, brachte er zum Tanzen, obwohl sie kein Wort Englisch verstanden. Von Hirsts Entertainerqualitäten erzählt auch der Film "Freeze", den die BBC über Hirst drehte und in dem er unter anderem einen Patienten spielt, der sich beim Zahnarzt Donald Pleasance unter den Bohrer legen muß. Einmal wurde der Film in Berlin gezeigt, an einem winterlichen Sonntagnachmittag in der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße: Der Film ist ein Heidenspaß, skurril, wild, ernsthaft, so wie Hirst selbst, und als Nebendarsteller verpflichtete er die erste Liga der Young British Artists: Angus Fairhurst, Sarah Lucas, Tracey Emin, Liam Gillick.

Auch in Berlin entwickelte Hirst schnell magnetische Wirkung. Seine Wohnung wurde zu einem begehrten Treffpunkt der Berliner Kunstszene, denn zu den überraschenden Zusatzqualifikationen des Damien Hirst gehören seine Kochkünste. Wenn er nicht mit seiner geliebten Maia und seinen Freunden ins thailändische Restaurant "Edd" in der Goebenstraße ging, dann kochte er selbst. Wer die Fotografien anschaut, auf denen er mit fast diebischer Freude einen Truthahn stopft, sieht, daß für Hirst offenbar auch das Kochen nur eine andere künstlerische Form ist, geschickt mit toten Tierkörpern umzugehen. Egal ob Tigerhai in Formaldehyd oder Truthahn im Ofen: Damien Hirst ist besessen von der Vanitas, all seine Kunst und all sein Leben ist ein Besingen und ein Bannen der Vergänglichkeit. Schon als kleiner Junge tröstete er seine grippekranke Großmutter mit dem freundlichen Hinweis: "Wenn Du stirbst, stopfe ich dich einfach aus."

Auch am Silvesterabend 1993 lud Hirst gemeinsam mit seinen Berliner Freunden Nicole Hackert und Bruno Brunnet in die Jenauer Straße 11 ein. Nach dem halben Jahr in Berlin war der Bekanntenkreis gewachsen, fast hundert Leute drängten sich in der Altbauwohnung, auf dem Balkon stand in klirrender Kälte ein Campinggrill, auf dem Hirst virtuos Sate-Spieße drehte, bevor er wie ein Irrwisch in die Küche zurückrannte, um nach dem Truthahn zu sehen und zwischendurch im Berliner Zimmer mit einem großen Sprung auf den Tisch die anderen zum Tanzen und Singen zu animieren. Unmengen an Krachern hatten Hirst und Stephan Landwehr, sein Berliner Freund, gekauft, um zehn begannen sie, erinnert sich Landwehr, doch schon um halb elf war alles verballert. Dann warf man Blumentöpfe vom Balkon - auch kein schlechtes Geräusch. Der 31. Dezember 1993 war eine große Party - selbst für Leute, die mit diesem Wort sonst zurückhaltend sind.

Gegen halb zwölf klingelte es, und Martin Kippenberger stand in der Tür. Er hatte den Abend in der Paris Bar begonnen, merkte jedoch irgendwann, daß die Kunstszene an diesem Tag in der Jenaer Straße zu bleiben schien und war ihnen dann mißmutig nachgezogen. Er blickte in die Wohnung, in der in ohrenbetäubender Lautstärke Musik lief, die Menschen lachten und schrien, und er sah, wie sie alle um den Fixstern Damien Hirst kreisten. Zwei Alphatiere, Auge in Auge. Da schlug Kippenberger seinen Schal wieder um und ging. Es war kurz vor zwölf, als die Raketen in den Himmel stiegen - und vom Balkon in der Jenaer Straße sahen die küssenden Paare unten im Dunkeln Martin Kippenberger einsam seines Weges ziehn.

Und das Jahr 1994 wurde dann tatsächlich eher das des Damien Hirst. Schon im Herbst hatten Hirst und Bruno Brunnet, die die englische Bildhauerin Rachel Whiteread miteinander bekannt gemacht hatte, für dessen Räume in der Wilmersdorfer Straße 60/61 eine ganz besondere Ausstellung ausgeheckt. Er wollte keine Tiere einlegen, sondern "beautiful drawings" zeichnen. So hieß dann auch die Ausstellung, die vom 10. Januar bis 5. Februar zu sehen war - im Erdgeschoß in der räudigen West-Berliner Einkaufsmeile gegenüber vom Woolworth's bei Bruno Brunnet Fine Arts.

An den Wänden hingen ein paar Blätter mit kreisförmigen runden Strichen, in der Mitte stand seine Zeichenmaschine mit Papier und Stiften. Eine Ausstellung über die Frage von Autorschaft und Originalität: "We had a few drinks and after a bit of thought, a drunken conversation, some singing, that kind of thing, there we were, working out the catalogue size." Im Katalog sieht man auch die Konstruktionszeichnung der Zeichenmaschine: eine Bohrmaschine mit aufmontierter Platte (Hirst und Brunnet bauten sie dann mit Stephan Landwehr in dessen Rahmenwerkstatt). Und davor ein Foto von Damien Hirst als Clown, fotografiert von seiner Mutter. Er fühle sich, so sagt er über die Zeichenmaschine, wie ein Architekt, der ein Haus entwirft. Denn natürlich braucht es Maurer, die es dann hochziehen. Die Zeichenmaschine, die von Hirst später noch um eine Gemäldemaschine ergänzt wurde, mit der seine berühmten Spritzbilder entstanden, hatte für ihn eine besondere Bedeutung. "Jeden Tag gehst du in dein Atelier, und da ist dieses sich drehende Ding in Dir, es endet nie, du bist zufrieden. Die Zeichnungen sind ein Symbol für diese Situation."

Es gab damals nur wenige Sammler, die realisierten, was diese kleine Ausstellung bei Bruno Brunnet Fine Art bedeutete, aber kurz nach Ausstellungsende meldete sich Wulf Herzogenrath von den Staatlichen Museen. Allerdings mit einem delikaten Anliegen: Ob wohl seine Frau Stephanie im Mai die Malmaschine für einen Tag ausleihen könne für das Schulfest der Grundschule in Grunewald? Man kann sich gut vorstellen, wie andere Künstler auf eine derartige Anfrage reagiert hätten: Sie fragen den - nach David Hockney - berühmtesten englischen Künstler, ob er seine Zeichenmaschine kostenlos für ein Schulfest ausleiht? Damien Hirst jedoch fand es super. Und sagte: "Yes, it's a pleasure." Die Herzogenraths hatten Hirsts Anliegen instinktiv begriffen, denn es ging ihm mit der Maschine auch darum, daß er all den Leuten, die sonst zu seinen Werken "Das kann ich auch" sagten, antworten konnte: "Dann macht mal - und fühlt, wie es ist, Künstler zu sein." So reiste der echte Hirst unerkannt für einen Tag in die Grundschule in der Delbrückstraße. Herzogenraths Söhne David und Philipp malten eine große Pappe: "Jeder Mensch ist ein Künstler. Jeder kann malen. Hier!!!" - "Für DM 1 pro Bild." Die Scheibe rotierte dann den ganzen Tag lang. Direkt daneben gab es "Deftiges nach Hausfrauenart", auch diese Nachbarschaft hätte Hirst gefallen.

Nach der Zeichnungsausstellung begann Hirst von seinem Sofa in der Jenaer Straße 11 aus, seine nächsten Ausstellungen zusammenzutelefonieren. Er plante große Museumsausstellungen in Amerika, im Milwaukee Art Museum und in Dallas, wo er viele seiner Medizinschränke ausstellte, Holzkästen, bis oben gefüllt mit Drogen oder Pillendosen, manche mit dem schönen Titel "God". Zugleich dachte Hirst intensiv nach über seine Ausstellung, die der DAAD allen seinen Stipendiaten zum Abschluß einrichtet. Er hatte die Idee, seine großen Themen Sexualität und Vergänglichkeit in einer großen Skulptur zusammenzuführen. Ihr Titel: "Couple, fucking, dead (twice)". In zwei riesigen Glasvitrinen sollten zwei Ochsen stehen, die jeweils Kühe begatten - alle mausetot, selbstverständlich. Man sollte dem langsamen Verfall dieses Coitus interruptus' zuschauen.

Bei einem Abendessen bei Stephan Landwehr in Kreuzberg lernte Hirst Peter Dützer kennen, dessen Firma Intermezzo schon damals immer dann gerufen wurde, wenn in einem Museum Dinge gebraucht wurden, die es eigentlich nicht gibt. Dützer schrieb einen detaillierten Kostenvorschlag für zwei Vitrinen: 400 Kilogramm Glas und 250 Kilogramm Stahl sollten verbaut, zwei Behälter angesichts der zu erwartetenden Verwesungsgerüche "luftdicht abgeschlossen" werden, allerdings "mit Abluftleitungen zur Gebäudeaußenseite".

Doch Brandenburgs Kühe konnten aufatmen. Die daadgalerie befand sich nämlich damals über dem Cafe Einstein in der Kurfürstenstraße 58 - und deshalb bekam Friedrich Meschede vom DAAD vom Gesundheitsamt relativ klipp und klar zu hören, daß es "nicht genehmigungsfähig" sei, oben Kühe verrotten zu lassen, während man unten Rinderschnitzel anbiete. So kippte die Ausstellung, Hirst ließ die Kühe wenig später in New York verrotten. Peter Dützer allerdings arbeitet bis heute von Kreuzberg aus für Hirst. Sofort machte der sich pragmatisch daran, eine neue Installation auszudenken. Es entstand eine faszinierende Doppelausstellung, die gleichzeitig in Pittsburgh und Berlin stattfand, ein virtuoses Spiel mit Schmetterlingen und einfarbigen Leinwänden. In Amerika hieß die Ausstellung "A Bad Environment for White Monochrome Paintings" - schlecht, weil die weißen Leinwände am Ende von Schmetterlingsexkrementen verschmutzt waren. In Berlin dagegen hieß sie "A Good Environment for Coloured Monochrome Paintings", denn dort überstanden die blauen Leinwände das weitaus besser.

Damien Hirst kam also Anfang April ins Büro zu Friedrich Meschede und erzählte ihm, statt der vier Kühe brauche er nun viele tausend Schmetterlinge. Und schon am 12. April verschickte der DAAD ein Fax nach London, zur weltweit besten Schmetterlingsfarm London Pupae Supplies. Die Bestellung lautete auf 200 Schmetterlinge von Papilio anchisiades, Caligo Eurilochus und Callima Paralekta und noch einmal 1500 Puppen derselben Sorten. Am Nachmittag des 20. April waren sie schon eingeflogen (nicht selbst, per Kurier), für zusammen 490 Pfund. In der Zwischenzeit waren in den Räumen der daadgalerie zwei gläserne Gänge entstanden, gefüllt mit exotischen Pflanzen und Blumen, in die nun schnellstens die Puppen und Tiere ausgesetzt wurden. Am Abend des 22. April wurde die Ausstellung eröffnet, doch schon am 3. Mai ging ein neues drängendes Fax aus Berlin nach London: "Hilfe, es sind nicht genügend Schmetterlinge geschlüpft, wir brauchen Nachschub, und zwar 500 Stück diesmal von den Sorten Papilio Rumanzovia, Papilio memnon, Idea Leuconoe und Parthenos Sylvia bis zum Nachmittag des 10. Mai."

Am 11. Mai, die neuen Schmetterlinge waren da, prächtig und farbenfroh flatterten einige von ihnen durch die Terrarien, ging Hirst noch einmal mit seiner Freundin Maia in die Ausstellung. Dann packten sie ihre Koffer, nahmen das Surfbrett unter den Arm, packten alles in ihren alten Citroen, mit dem sie ein Jahr lang durch West-Berlin gekurvt waren (an Besuche im Osten erinnert sich keiner ihrer damaligen Gefährten) und verließen ihre Niemandsbucht in Richtung Calais. Unter dem Herzen trug Maia ihren ersten gemeinsamen Sohn Connor, das schönste Mitbringsel, das die beiden aus Berlin nach England nahmen.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten