Sonnenschirmständer Die haben einen Schatten!

Nicht wirklich sexy, so ein Sonnenschirmständer. Aber sie müssen nun einmal schwer sein. Oder? Es gibt Klassiker unter den Sommerprodukten, die von Designern noch mal neu erfunden werden - mit erstaunlichen Ergebnissen. Zum Beispiel auch dieses hässlichste Ding unter der Sonne.

Mal ehrlich, es gibt doch wirklich niemanden, der Sonnenschirmständer für die Krone der Schöpfung hält. Diese abgeschabten Plastikdinger, in die man Sand oder Wasser füllen muss, damit sie Windböen standhalten, im Zweifel noch ein paar Bürgersteigplatten als Gewichte drauf. Und immer poliert man sich den Zeh, wenn man sie barfuß beiseiteschieben will.

Und doch scheinen sie eines jener Dinge zu sein, deren Unzulänglichkeit man einfach hinnimmt. Was soll man schon ändern. Sie sind scheinbar wie Sonnenbrillen oder Zelte - sie sind, wie sie sind. Zuendedesignt.

Von wegen! Wir stellen in einer kleinen Serie fünf dieser generalüberholten Sommerprodukte vor, für die Designer derart überraschende Lösungen gefunden haben, dass sie dafür mit jeder Menge Design-Preisen ausgezeichnet wurden. Und kaum etwas hat einen Relaunch so nötig wie die hässlichsten Dinger unter der Sonne: Sonnenschirmständer eben.

Genau das hat sich Ludger Kötter-Rolf auch jahrelang gesagt. Früher löste er das Problem asketisch: "Wir haben es immer vermieden, Sonnenschirme zu benutzen." Stattdessen: eine Rollo-Sonnensegel-Konstruktion. Und dann kam ein Frühling, in dem seine Familie protestierte - und der Kölner Ingenieur sich etwas Neues ausdachte für die Terrasse. Und das passierte so:

Die Schattenseite von Sonnenschirmständern

Die Sonnenschirmständer, die es gab, fand Kötter-Rolf einfach zu "unbefriedigend, groß, schwer und hässlich". Das Gefühl kennen wir. Und dann entdeckte er noch die teuren, "die man wie einen Fiffi hinter sich herziehen kann". Kam beides natürlich nicht in Frage. Zumal er die teuren Holzbohlen der Terrasse nicht beschädigen wollte.

Tataa, die Lösung!

Eine Halterung mit Anker  schafft Abhilfe. Wie bei einem Schiff, das festmacht - in diesem Fall aber eben in den Fugen zwischen den Terrassenplanken herabgelassen und dort verankert. Ein Edelstahlkreuz oder - wem's besser gefällt - eine Scheibe über den Holzbohlen halten dagegen. Heißt: Nun muss nicht mehr der Ständer selbst das Gegengewicht sein - man delegiert diesen Job kurzerhand an die Planken. Und das Konstrukt ist filigran genug, dass man es auch einhändig ein- und umsetzen kann. Und sich nicht die Füße dran stößt.

Und wie ist er darauf gekommen?

Kötter-Rolf ist da, typisch Ingenieur, eher zurückhaltend. Die Idee, einen Sonnenschirmständer auf diese Weise zu befestigen, findet er offensichtlich: "Es liegt in der Natur der Sache", sagt er, "dafür sind die Fugen da." Eines Frühlingstages also nahm der Ingenieur an seiner Terrasse Maß, zeichnete alles auf und brachte es seinem Bauschlosser. Fertig. Den Prototyp hat die Familie nun seit acht Jahren. "Als fünf Jahre später immer noch keiner mit so etwas auf den Markt gekommen war, habe ich ein Patent angemeldet", sagt Kötter-Rolf. Für diese umwerfend schlichte Lösung für ein altes, hässliches Problem gewann der Kölner den Red Dot Award 2011  und ist für den German Design Award 2013 nominiert.

Das wichtigste Detail

Fotostrecke

Sommerdesign: Auf der Sonnenseite des Schattens

Foto: Alexander Augsten

Abgesehen vom Anker: wohl das Material. Edelstahl. Des Holzes der Terrassenplanken wegen. Alles andere hinterlässt Flecken - Puristen stören sich daran. Wobei: "Die Plastikdinger, in die man Wasser oder Sand füllt, beschädigen zwar die Oberfläche der Holzplanken nicht", sagt Kötter-Rolf, "aber dafür können sie nach zwei, drei Jahren nur noch auf den Müll."

Edelstahl, aha. Und wie ist das Ding aufgebaut?

Zusammenbauen muss man es selbst, die Teile kommen in einer flachen Schachtel: der kleine Anker, der Kreuzfuß für kleinere oder die Scheibe für größere Schirme, die Halterung für den Sonnenschirmstock und zwei kleine Stifte mit Kugelgriffen fürs Justieren. Je nach Version wiegt das Ganze zwischen zwei und viereinhalb Kilo. Wer neulich im Baumarkt war, weiß: Kunststoffversionen zum Befüllen gibt's schon für fünf Euro. Aber jemand, der sich teures Holz für die Terrasse leistet, den jucken wohl auch rund 200 Euro für einen unauffälligen und leicht versetzbaren Ständer nicht.

Schön und gut, aber taugt dieser neue Ständer für den Sommer?

Nehmen wir mal an, im Sommer scheint die Sonne: Dann sorgt Kötter-Rolfs Erfindung zumindest dafür, dass man nicht alle halbe Stunde seine Siebensachen zusammenraffen muss, um dem Schatten hinterherzuziehen - man nimmt ihn einfach mit. Aufschrauben, umsetzen, zuschrauben, fertig.

Gab's wirklich noch nie eine ähnlich gute Lösung?

Doch, den Parasol. Funktioniert bekanntlich wie ein Regenschirm - nur eben gegen die Sonne. Das trug man so, bis Anfang des 20. Jahrhunderts, wie häufig bei den Damen auf Claude Monets Bildern  zu sehen oder auf Eadweard Muybridges Bewegungsstudien-Fotos . Der Parasol kommt dem Ideal ziemlich nahe, weil er immer genau dort Schatten wirft, wo man ihn braucht. Kunststück: Man hat ihn ja in der Hand. Auch deswegen war Picasso wohl der beste Sonnenschirmständer der Welt : Er schleppte den Schatten der jungen Françoise Gilot am Strand einfach hinterher - dank Fotograf Robert Capa weiß das ja jeder.

Und was machen andere so?

Gute Nachrichten: Sogar Design-Gott Dieter Rams  hat einen jener mit Sand befüllbaren Sonnenschirmständer entworfen: als Teil seines "Stapelprogramms 740" . Schlechte Nachricht: Die Produktion der Polystyrol-Pillen wurde Anfang der achtziger Jahre eingestellt. Heute setzen Hersteller auf maximale Beschwerung, integrieren wie die Firma Zangenberg gleich veritable Gehwegplatten in ihr Design . Oder ersinnen Ständer zum Hinterherziehen , also das, was Kötter-Rolf oben mit "Fiffi" meinte.

Ständer-Diskussionen sind ganz schön technisch. Wo bleibt da der Spaß?

Na gut, man kann sich auch erst mal auf den Sonnenschirm konzentrieren. Und darauf, was man mit ihm alles machen kann. Etwa einen traditionellen japanischen Sonnenschirmtanz einstudieren. Ja, doch, das gibt's! Beim Higasa Odori, verwandt mit dem Kabuki-Theater, gilt: Schirm auf, Schirm zu, drehen nicht vergessen - vorgeführt von der chinesischen Schauspielerin Zhang Ziyi im Film "Die Geisha" . Aber Achtung! Am besten geht's mit einem Papierschirm. Der Gartenschirm ist für Fortgeschrittene.

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