Telenovela-Flops Falsch herum verliebt
Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht? Nils und Nelly, die beiden übersympathischen Protagonisten aus der Sat.1-Telenovela "Schmetterlinge im Bauch", die seit 90 Folgen nicht so recht wissen, ob sie nun zusammen gehören oder bloß beste Freunde sind, müssen sich endlich mal entscheiden. Am Montag hat Sat.1 bekannt gegeben, dem jungen Glück auf die Sprünge zu helfen. Das klingt nett, ist aber eine der radikalsten Entscheidungen im zu Ende gehenden TV-Jahr: Zum Januar stellt der Sender die Produktion seiner mit großen Hoffnungen gestarteten zweiten Telenovela ein und schmeißt sie hochkant aus dem Vorabendprogramm.
Dabei ist eigentlich Lisa Plenske an allem Schuld! Hätte sich das hässliche Entlein doch im Sommer bloß nicht in eine attraktive junge Frau verwandelt, den Mann geheiratet, den sie bis dahin nur anhimmeln durfte, und wäre anstatt in die Flitterwochen zu verschwinden zuhause in Berlin geblieben. Mit dem großen Lisa-Plenske-Finale bei "Verliebt in Berlin" (ViB) hat sich Sat.1 im vergangenen September jedenfalls keinen Gefallen getan.
Ein Telenovela-Sorgenkind zuviel
Anderthalb Jahre hat die Telenovela dem Sender immer neue Quotenrekorde am Vorabend beschert. Bei Sat.1 haben sie berauscht geglaubt, das könne auch mit einem neuen Hauptdarsteller so weitergehen und dass die Begeisterung der Zuschauer sich noch auf ein zweites Liebesmärchen übertragen ließe. Ein Irrtum.
Im Januar wird bei "Verliebt in Berlin" alles anders: An der Seite von Tim Sander spielt als neue Hauptdarstellerin Laura Osswald, die bereits in der ersten Staffel dabei war und retten soll, was noch zu retten ist. "Verliebt in Berlin" hat in den vergangenen Wochen deutlich Fans verloren Sat.1 musste reagieren. Für ein zweites Sorgenkind ist da kein Platz: "Schmetterlinge im Bauch" lag kontinuierlich unter dem Senderschnitt, den die Privaten als Argument für den Verkauf ihrer Werbezeiten einsetzen.
Gleich zwei Telenovelas zu relaunchen hätte keinen Sinn gemacht, heißt es bei Sat.1. Sendersprecherin Kristina Faßler erklärt gegenüber SPIEGEL Online: "Wir orientieren uns künftig strenger am lateinamerikanischen Telenovela-Prinzip: Eine junge Frau verliebt sich in einen Mann und hat es schwer, ihn für sich zu gewinnen." Bei "Schmetterlinge im Bauch" ist es andersherum gelaufen und das, so glaubt man in Berlin, wollten die Zuschauer nicht sehen. "Falsch herum verliebt", lautet die Einsicht.
Abschied vom Duell mit RTL
Die Produktionsfirma Producers at Work, für die Sat.1 eigens den "ViB"-Produzenten Christian Popp von der Ufa abgeworben hat, ist vorerst mit der Krimserie "RIS" beschäftigt ob es neue Telenovela-Aufträge gibt, bleibt offen. In Berlin wird jedenfalls gedruckst, dass auch "Verliebt in Berlin" nicht ewig laufen müsse. Faßler verspricht allerdings: "Sat.1 wird immer eine tägliche Serie im Programm haben nur eine zweite Telenovela wird es nicht mehr geben."
Mit dem Aus für "Schmetterlinge im Bauch", dessen übrige Folgen künftig am Samstagmorgen ab 10.30 Uhr weggesendet werden (ähnlich wie Pro Sieben es mit seinem Telenovela-Flop "Lotta in Love" am Sonntag praktiziert), verabschiedet sich Sat.1 auch vom großen Duell mit RTL, das im September die neue Soap "Alles was zählt" gegen die Sat.1-Telenovelas setzte bisher allerdings auch ohne besonderen Erfolg. Wie lange mag also RTL noch durchhalten?
Nachhaltig irritiert gibt man sich auch bei der ARD, die gerade den "Berlin, Berlin"-Nachfolger "Zwei Engel für Amor" beerdigt hat. Am Freitag lief die letzte Folge. Die Quoten waren nicht schlecht sondern miserabel. 5,5 Prozent Marktanteil sind fürs Erste am Vorabend, wo die einzigen Werbezeiten verkauft werden, ein Desaster. Verena Kulenkampff, Koordinatorin für den ARD-Vorabend, sagt zu SPIEGEL Online: "Natürlich gibt es eine gewisse Ratlosigkeit bei den Programmentwicklern damit, dass 'Zwei Engel für Amor' so schlecht laufen könnte, hatte niemand gerechnet."
Plan B fürs Erste im Herbst?
Es war bisher kein gutes Jahr für neue ARD-Projekte: Die Telenovelas "Braut wider Willen" und "Das Geheimnis meines Vaters" enttäuschten, die mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Serie "Türkisch für Anfänger" lief nur mittelmäßig, wird aber immerhin nächstes Jahr fortgesetzt: Im Frühjahr wird die erste Staffel wiederholt, die neuen Folgen laufen im Anschluss. Zuvor kommt die Harald-Schmidt Raterunde "Pssst ", bereits im Januar startet die Dokusoap "Bräuteschule 1958".
Von kurzfristigen Programmänderungen wie bei Sat.1 hält man beim Ersten nichts. Erst wenn auch "Türkisch für Anfänger" auf dem 18.50-Uhr-Sendeplatz floppen sollte, werde man sich Konsequenzen für den Herbst überlegen, sagt Kulenkampff.
Die Ratlosigkeit der Sender bleibt bestehen: Was wollen die Zuschauer am Vorabend? Offenbar keine modern erzählten Twentysomething-Problemchen wie bei "Zwei Engel für Amor" und ebenso wenig stringent durcherzählte Einheitsliebeleien mehr. Kulenkampff glaubt, dass die Schwankungen auf ein Überangebot fiktionaler Stoffe zurückzuführen sind: "Das Zeitbudget der Zuschauer am Vorabend hat sich nicht verändert aber es gibt heute viel mehr Programm für die gleiche Zielgruppe als noch vor ein paar Jahren."
Nur einen Sender muss das alles wieder einmal nicht jucken: Vox zeigt sein "Perfektes Dinner" um 19 Uhr nach wie vor mit großem Erfolg. Mal sehen, wie lange noch, wenn Pro Sieben im Januar eine ganz ähnliche Sendung startet, und die Zuschauer merken, dass den Sendern auch hier nichts anderes einfällt, als sich gegenseitig zu kopieren.