Georg Diez

S.P.O.N. - Der Kritiker Die Hass-Logik

Der Anschlag von Köln zeigt: Die Gefahr von rechts darf nicht verharmlost werden. Auf die Verrohung des Denkens und der Sprache folgt die Gewalt.
Anschlag in Köln: Terror von rechts

Anschlag in Köln: Terror von rechts

Foto: Oliver Berg/ dpa

Ein Jahr Pegida und die Folgen: In Köln ereignet sich ein Akt des politischen Terrors, wie ihn Deutschland seit der RAF nicht gesehen hat. Damals kam der Terror von links, und das Land wurde umgekrempelt, als habe der Polizeiapparat nur darauf gewartet: Rasterfahndung, Radikalenerlass, Gesinnungsjustiz, Einzelhaft, Stammheim.

Heute kommt der Terror von rechts, und das Land bummelt vor sich hin, als sei der Polizeiapparat, frei nach Andreas Baader, Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.

Die Morde des NSU haben nicht gereicht, groteske V-Männer- und Verfassungsschutz-Skandale haben nicht gereicht, mehr als 500 fremdenfeindliche Straftaten allein in diesem Jahr haben nicht gereicht, Brandanschläge, gewalttätige Demonstrationen, Hetzjagden haben nicht gereicht, gesetzesfreie Zonen in Orten im Osten haben nicht gereicht, die Rufe "Volksverräter, Volksverräter" haben nicht gereicht, Galgen und Morddrohungen haben nicht gereicht.

Kommt der Terror von links, ist der Staat sofort da, um mit starkem Arm die verlorenen Kinder des Bürgertums zu zerquetschen.

Kommt der Terror von rechts, ist der Staat auffällig unauffällig, und besorgte Politiker reden mit "besorgten Bürgern", die das Klima prägen, in dem dieser Terror erst möglich ist.

Das Rad weiter nach rechts drehen

Die geistige Verbindung zwischen den Pöblern und Perlenkettenfrauen der Pegida und dem Anschlag auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker ist evident - und wer jetzt reflexhaft von einem "Einzeltäter" spricht oder einem "psychisch kranken Täter", reiht sich ein bei den Verharmlosern.

All die Leitartikler, Kolumnisten, die aus strategischen, narzisstischen oder politischen Motiven schwadronieren und seit Jahren das Rad immer weiter nach rechts drehen.

All die AfD-Biedermänner, die Gauland-Versteher in den Feuilletons, die dunklen Kreise einer neuen konservativen Revolution, wie sie Liane Bednarz und Christoph Giesa in dem Buch "Gefährliche Bürger" beschrieben haben.

All die Politiker wie Horst Seehofer mit dem Geraune von der "Notwehr", all seine CSU-Satrapen mit ihrer Scharfmacherei und dem Dauerflirt mit dem politisch motivierten Gesetzesbruch, Transitlager an den Grenzen etwa.

All die Zündler und Opportunisten also, die die Not anderer Menschen, die als Flüchtlinge in dieses Land kommen, benutzen, um die nationale Abwicklung des demokratischen Konsens zu betreiben, wonach alle Menschen gleich sind.

Aber das ist die humanitäre Basis unserer Ordnung, das ethische, theoretische, praktische Fundament, aus dem alles andere erst erwächst, und das muss man auch verteidigen, als Politiker, das muss man wieder und wieder sagen und es nicht in einer superschnellen Verschärfung des Asylrechts verscherbeln.

Zunehmende Verrohung

Die Verrohung des Denkens, die Verrohung der Sprache markiert den Beginn der Gewalt, so hat das alles bei Pegida seinen Ort - aber wie aus Hass Sprache wird und aus Hetze Verständnis und wie aus Angst Gesetze werden: Das ist eine andere und viel verstörendere Geschichte als allein die von Pegida.

Die Politiker, die nun betroffen auf dieses Attentat reagieren, haben oft selbst den Ton verschärft. Auch die große Koalition macht ja mit beim Panikspektakel der vergangenen Wochen: Statt sich in praktischer Politik zu üben und Geld umzuschichten, um den Flüchtlingen zu helfen, und Strukturen zu schaffen und Sicherheit herzustellen, die zunächst eine Sicherheit der Schwachen ist, betreibt sie zynische Symbolpolitik.

Es ist dabei erst einmal nur eine Hypothese, dass man mit schärferen Gesetzen und "Verständnis für die Sorgen" die rechtsradikalen Kräfte am besten schwächt - indem man ihnen nachgibt.

Mit gleicher oder sogar stärkerer Logik könnte man sagen, dass man rechtsradikale Kräfte am besten schwächt, indem man sich ihnen mit Stärke entgegenstellt - und deutlich macht, was die Werte sind in diesem Land.

Wenn man jetzt schon das Grundgesetz ändern will, könnte man das ja auch so tun, wie es gerade die Initiative DeutschPlus vorgeschlagen hat, ein Verbund von mehr oder weniger jungen Menschen mit Migrationshintergrund oder -vordergrund oder überhaupt Grund.

Grundgesetz updaten?

"Das Grundgesetz braucht ein Update für die Einwanderungsgesellschaft", schreibt etwa Farhad Dilmaghani in einem Essay für die "Süddeutsche Zeitung" - und schlägt vor, dass "Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe" als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden.

Was würde so eine Initiative als Signal bedeuten? Und woher kommt umgekehrt der dauernde Entschuldungsdrang, wenn es um Pegida und rechtes Denken geht? Wie groß wäre die Aufregung, wenn ein Islamist Henriette Reker niedergestochen hätte? Wer würde da von einem "Einzeltäter" reden? Wo sind jetzt die, die bei jeder Schlägerei in einem Flüchtlingsheim den Staatsnotstand ausrufen? Und warum berichten etwa die Sonntagszeitungen über das Attentat mit der gelangweilten Routine eines angeschlagenen Ex-Boxers?

Aber es ist einfach zu unangenehm, sich die Zusammenhänge genau anzuschauen. Ein Jahr Pegida bedeutet eben auch: Die Integration von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung hat nicht funktioniert - auch 25 Jahre Einheit haben nicht gereicht, um Menschen, die in einem totalitären System aufgewachsen sind, die Grundlagen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten beizubringen.

Es verbindet sie nichts mit diesem System, das wird immer deutlicher. Man hat ihnen einfach nicht erklärt, was das alles soll, die Demokratie, und wenn man die Bilder sieht aus Nauen oder Meißen, dann sieht man, was das für ein Fehler war.

Schwer zu sagen, ob es anders wäre, wenn die Einheit damals nicht nach Artikel 23, sondern nach Artikel 146 stattgefunden hätte, wenn es also eine echte und offene Diskussion gegeben hätte, was eine deutsche Demokratie sein soll.

Es wurde etwas versäumt in der Wiedervereinigungshektik. Und so schwer es offensichtlich fällt, das gerade unter dem Druck der Ereignisse zu erkennen: Man stabilisiert die Demokratie, indem man sie offener macht, nicht restriktiver.

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