Theateraktion Erst der Handke, dann das Geld
Berlin - "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" ist nicht nur ein aktuell kursierendes Gefühl, das die Kahn und Barthez umtreibt, sondern auch titelgebend für Peter Handkes düstere Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1970. Erzählt wird vom ehemaligen Torwart Bloch, der ein Kinokassen-Mädchen ermordet und lange räsonniert über besagtes Gefühl der Beklemmung vor dem Schuss.
Beklommen muss auch Claus Peymann, Chef des Berliner Ensembles (BE), gewesen sein, als er eingefleischten Peter-Handke-Fans ein höchst eigensinniges Angebot machte: Wer in der kommenden BE-Spielzeit alle Veranstaltungen des geplanten Handke-Lesemarathons und der Handke-Filmnächte "nachgewiesenermaßen" besucht, erhält sein Eintrittsgeld zurück. Dazu gibt's eine Prämie von zehn Euro, die der Theaterchef persönlich an die Literaturbeflissenen auszahlen will.
War's Unbehagen bei der Vorstellung, das eh schon mehr und mehr in Cineplexe und andere kunstferne Stätten abwandernde Publikum dem deutschen Meisterdichter Handke auszusetzen, das Peymann dazu trieb, die Spendierhose anzulegen? Dabei ist sein Haus finanziell doch in einer prekären Lage: Man habe für die nächste Zeit "den Riemen verdammt eng geschnürt", ließ der Geldquerelen-erprobte Intendant unlängst wissen. Oder ist es doch nur eine provokante Geste: Wir lassen uns unsere Dichter was kosten - ein Zehner ist da allemal drin.
Handke jedenfalls wird reich vertreten sein in der kommenden Spielzeit des BE: Am 30. September kommt sein "Untertagblues. Ein Stationendrama" als Uraufführung in der Inszenierung von Peymann auf die Bühne. Begleitet wird die Premiere von zehn Lesungen von Texten des Autors (11. bis 22. September) und zwei Filmnächten am 13. und 14. September. Darunter ist natürlich auch die Leinwandfassung von "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" in der Regie von Wim Wenders.
Neben Handke kommt auch Botho Strauß ("Die Trilogie des Wiedersehens") mit seinem neuen Stück "General Pius" (nach Shakespeares "Titus Andronicus") auf die Bretter, die vielleicht nicht die Welt, dem Berliner Theaterfan aber sicher mehr als ein Fußballtor bedeuten. Zudem stehen in der Saison 2004/2005 neue Inszenierungen des amerikanischen Starregisseurs Robert Wilson und von Altmeister George Tabori auf dem Programm, wie Peymann am Mittwoch in Berlin ankündigte. Der Spielplan sei eine Mischung aus "neuen und alten Stücken" und eine "Kampfansage an das Theater der Videoclips", die "Zerstörung der großen Stücke" und das "Dilettieren der Schauspielkunst", so der 67-jährige Theaterchef.
Ganz abwenden von Zeitgeist und Mehrheitsgeschmack will man sich aber nicht: Gerne würde Peymann auch wieder Entertainer Harald Schmidt verpflichten, der Anfang Juni am BE aufgetreten war. Einen "Schmidt's Day" könne man sich schon vorstellen, hört man aus Berlin. Wenn das nicht ein Kick für die Theaterkasse wird!