Türkei
Tageszeitung "Sözcü" erscheint mit leeren Seiten
Zwei Mitarbeiter wurden festgenommen, zwei werden per Fahndung gesucht: Die regierungskritische Zeitung "Sözcü" gerät in der Türkei unter Druck - und reagiert mit einer "Spezialausgabe zur Pressefreiheit".
Die "19. Mai Spezialausgabe zur Pressefreiheit" der Zeitung "Sözcü"
Foto: YASIN AKGUL/ AFP
"Wenn 'Sözcü' schweigt, wird die Türkei schweigen." Das ist der Slogan der drittgrößten türkischen Zeitung - die am Samstag mit leeren Seiten erschien. Die "19. Mai Spezialausgabe zur Pressefreiheit" ist eine Reaktion auf die Festnahme von drei Mitarbeitern. Die Zeitung hatte in der Türkei insgesamt 20, im europäischen Ausland zehn unbedruckte Seiten.
Ali E. Gülen, Chefredakteur der Europaausgabe von "Sözcü", sagte, man wolle damit nicht nur ein Zeichen gegen die Festnahmen, sondern auch grundsätzlich gegen die Beschneidung der Pressefreiheit in der Türkei setzen. Man sei erstaunt über den Erfolg der Aktion. "Unser Kioskverkauf liegt ersten Schätzungen zufolge 40 Prozent höher als üblich", sagte er dem SPIEGEL. "Ein Leser schrieb uns, die leeren Seiten seien inhaltsreicher als der Inhalt der regierungsnahen Propagandablätter."
Leere Seiten als Verkaufsschlager
Foto: YASIN AKGUL/ AFP
Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hatte am Freitag Haftbefehle gegen den "Sözcü"-Eigentümer sowie drei Mitarbeiter ausgestellt. Daraufhin wurden Onlinechefin Mediha Olgun und Gökmen Ulu, der für die Berichterstattung über die westtürkische Metropole Izmir verantwortlich ist, festgenommen. Der Herausgeber des Blatts, Burak Akbay, hält sich nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu im Ausland auf.
Den vier wird nach Angaben von Anadolu vorgeworfen, Straftaten zugunsten der Gülen-Bewegung begangen zu haben. Die Gemeinschaft des islamischen Predigers Fethullah Gülen wird für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich gemacht.
Die regierungsnahe Zeitung "Sabah" berichtete, bei den Vorwürfen gegen "Sözcü" gehe es um einen Bericht vom 15. Juli 2016, in dem das Blatt den Urlaubsort von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan öffentlich machte. Stunden später begann der Umsturzversuch, bei dem Putschisten das Hotel in Marmaris angriffen. Erdogan war kurz zuvor abgereist.
Die türkische Justiz geht seit der Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch verschärft gegen kritische Medien vor. In der Türkei sitzen Dutzende Journalisten im Gefängnis, darunter auch der der deutschtürkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.