"Türkisch für Anfänger" Gottes rosa Höschen
Der junge Türke meint es ernst, für die Frau seines Herzens hält er die ultimative Liebeserklärung parat: "Ich habe dich richtig gern. Nicht so wichsvorlagengern, sondern so tagebuchgern." Mehr Gefühl geht nicht für den Aufreißer-Azubi Cem, der das BH-Öffnen mit einem debilen Freund in dessen Jugendzimmer übt und sich nun in der zweiten Staffel der ARD-Serie "Türkisch für Anfänger" in seine deutsche Quasi-Stiefschwester Lena verliebt hat.
Die Zähmung türkischer Stenze mit den Mitteln der Comedy hat im deutschen Fernsehen zurzeit Konjunktur. Erst vergangenen Freitag wurde der Autoschrauber, Sprücheklopfer und Titelheld aus "Alle lieben Jimmy" auch die RTL-Serie aus dem Türkenmilieu ist gerade in die zweite Staffel gegangen abgewatscht. Als Jimmy über die Brüste einer Mitschülerin lästerte, bekam er verdienterweise von selbiger eins auf die Schnauze und versuchte die Schmach mit Geschichten über unbesiegbare Superfighter zu übertünchen.
Solche mehr oder minder gekonnten Albereien haben durchaus integrative Funktion: Man verleibt sich kulturelle Stereotypen ein, bläst sie auf wie ein buntes Kaugummi und lässt sie lustvoll zerplatzen. Das ist gut so. Wo die kontrovers diskutierte Sozialkolportage "Wut", die nicht so skandalös war wie einige Kritiker meinten, aber auch nicht so brillant wie andere aus medienpolitischen Gründen glaubten verbreiten zu müssen, den türkischen Halbstarken zum antizivilisatorischen Aggressor stilisierte, da stolpern in deutschen TV-Comedys momentan immer wieder Testosteronmonster mit Migrationshintergrund lustig über die eigenen Macho-Allüren. Das zeugt von einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit Migrantenfiguren und interkulturellen Missverständnissen.
Interkulturelles Tohuwabohu
Nachdem lange Zeit fast keine Produktion von Erfolg gekrönt war, in dem auf die eine andere Weise türkisch-deutsche Lebenswirklichkeit verhandelt wurde, hat diese nun in ganz unterschiedlichen Formaten Einzug gehalten: Der RBB zeigt gerade die Doku-Romanze "Starke Herzen" über deutsch-türkische Paare, der WDR quartierte sich erst vor kurzem für seine Reality-Soap "Die Özdags" mit einem Filmteam bei einem rheinisch-türkischen Clan ein, und ProSieben erzielte mit seiner Komödie "Meine verrückte türkische Hochzeit" nicht nur gute Zuschauerzahlen, sondern ergatterte dafür auch noch einen Grimmepreis.
Die ARD-Prestige-Serie "Türkisch für Anfänger", auch sie wurde trotz oder wegen eher mäßiger Quoten Grimmepreis-gekrönt, profitiert nun bei der zweiten Staffel ebenfalls von der deutsch-türkischen Fernsehnormalität. Wo in den ersten Folgen 2006 noch mit Zoten und Sprüchen im Sekundentakt geklotzt werden musste, um das Format der urdeutschen Vorabendfamilienserie fürs zeitgemäße interkulturelle Tohuwabohu zu vereinnahmen, geht Chefautor Bora Dagtekin nun gelassener ans Werk.
Der tragikomischen Komplexität der Sendung, von der jetzt gleich 24 neue Folgen ausgestrahlt werden, hat das durchaus gut getan. Gleichermaßen amüsant und erhellend ist es, wie die verschiedenen Mitglieder der Patchworksippschaft um eine Deutsche und einen Türken hier auf engstem Raum und doch im Verborgenen ihre geschlechter- und kulturspezifischen Ängste, Sehnsüchte und Missverständnisse pflegen.
Luder unterm Kopftuch
So holt sich der liberale türkische Vater Metin (Adnan Maral) von seiner sittenstrengen und religiösen Tochter Yagmur (Pegah Ferydoni) zwar die Erlaubnis ein, seine deutsche Lebensgefährtin Doris (Anna Stieblich) ehelichen zu dürfen, doch wagt er den ausgearbeiteten Antrag nicht vorzutragen, weil er befürchtet, so den manischen Freiheitsdrang der Hippie-Mittvierzigerin zu verstärken. Um nicht spießig zu wirken, verdrückt er sich nach Feierabend bald regelmäßig und tut so, als würde er mit Kollegen auf den Putz hauen, was wiederum die Partnerin den Verdacht hegen lässt, er habe eine Geliebte. Genährt wird die Mutmaßung von Mutti Doris noch durch einen rosa Slip, den sie beim Aufräumen findet der allerdings dem islamischen Mauerblümchen Yagmur gehört, die unterm Kopftuch zwischenzeitlich zum Ludertum konvertiert.
Verstärkt wird das Durcheinander in "Türkisch für Anfänger", dieser zärtlichen Burleske, noch durch die schwitzig-neurotischen Annäherungsversuche zwischen Metins Sohn Cem (Elyas M'Barek) und Doris' Tochter Lena (Josefine Preuß), die zur mittelschweren Familienkrise führen: Denn Therapeuten-Mom Doris ("Ich bin der Baum, du bist die Schaukel") gibt sich zwar linksliberal, an einen Goldketten tragenden Türken will sie ihre Kleine dann aber doch nicht verlieren weshalb sie mit einer Lüge der aufkeimenden Liebe den Garaus zu machen versucht.
Verklemmte 68er und sexuell befreite Muslime, machtlose Patriarchen und stotternde Machos: Der menschenverachtende Karikaturenstreit ist in "Türkisch für Anfänger" fern, aber die Karikaturen aus der Welt eines multiethnischen Großfamilienhaushalts streiten hier aufs aller menschlichste.
"Türkisch für Anfänger", dienstags bis freitags, 18.50 Uhr, ARD