Türkische Komödien Guckst Du weg!
Er spricht gerade noch gut genug Türkisch, um die Mädchen rumzukriegen. Ihre Briefe kann er allerdings schon nicht mehr lesen. Hakan lebt in Kreuzberg und macht gelegentlich bei den Verwandten in der Türkei Ferien. Jetzt hat er Post von einer seiner Urlaubsaffären bekommen, sie schreibt irgendwas von Hochzeit und hat ein Bild ihrer beiden düster dreinblickenden Brüder beigelegt. Das kann nichts Gutes bedeuten, Hakan sieht sich schon in einer Zwangsehe. Verschleppt ins ferne und irgendwie auch fremde türkische Ausland.
Kiez-Regent und Kummerkastenonkel
Hakan (Navid Akhavan) ist einer der jungen Deutschtürken, die in der Döneria von Attila (Fahri Ogün Yardim) herumhängen. Der Imbissbesitzer steht seiner Kundschaft mit Rat und Tat zur Seite; meistens führt seine Einflussnahme allerdings zu absurden Verwicklungen. Jetzt denkt er zum Beispiel für den Womanizer Hakan schon mal über die Homo-Ehe nach und stellt sich selbst als Bräutigam zur Verfügung. Das schütze den Freund zwar nicht vor Prügel von den erbosten Brüdern seines One-Night-Stands, wohl aber vor dem Abtransport in die Türkei.
"König von Kreuzberg" (heute Abend, 21.45 Uhr, Sat.1) ist die erste Sitcom im deutschen Fernsehen, in der junge Türken der dritten Generation das Wort haben. Der Dönerbudenspaß, eine Art "Cheers" für Teetrinker, soll bei entsprechender Quote des achtteiligen Testlaufs weitergeführt werden. Der Titelheld ist Kiez-Regent und Kummerkastenonkel in einem. Für seine Gäste hat er immer ein offenes Ohr, denn er steht sowieso nur selten am Fleischspieß. Da arbeitet meist Ron (Stefan Mocker); der Ur-Berliner ist der einzige, der beflissen die Fladenbrote belegt.
Quotendeutsche im Kebab-Kosmos
Ron ist der Quotendeutsche im Kebab-Kosmos. In diesem Punkt liefert "Der König von Kreuzberg" eine Verkehrung der hiesigen Medienwirklichkeit: Im deutschen Unterhaltungsmainstream kommt der Türke ja meist nur als radebrechender Dönerschnippler daher, in der Sat.1-Sitcom dient nun der Deutsche als drolliger Sidekick mit Fleischmesser in der Hand. Das Reden überlässt Ron dann auch seinem jungen türkischen Boss, der ohnehin das bessere Deutsch zu sprechen scheint.
Wer in "König von Kreuzberg" nach der berüchtigten Parallelgesellschaft fahndet, wird also nicht fündig. Vielmehr liefert die Sitcom nach der Nummernrevue "Was guckst Du?!" vom erfolgreichen Sat.1-Comedian Kaya Yanar einen weiteren Beweis dafür, dass sich die jungen Deutschtürken nun endgültig in der bundesrepublikanischen Fernsehrealität niedergelassen haben.
Wohnst du noch oder lebst du schon?
Ob man sich deshalb für sie freuen soll, lässt sich schwer sagen. Letztendlich ist der Freitagabend, wo Sat.1 gleich eine ganze Handvoll von Halbstündern zeigt, ja nichts anderes als ein gigantisches Nivellierungsprogramm. Ob sich die Sketchshows und Sitcoms nun um Schwule, Rentner oder andere spezifische gesellschaftliche Gruppen drehen - am Ende gehen ihre Eigenheiten im einheitlichen Dekor verloren. Über alles legt sich dieses knallige Ikea-Gelb und das hübsche Weihnachtsrot des Balles aus dem Senderlogo. Bei Sat.1 weht ungefähr so viel Lebenswirklichkeit ins Freitagnachtprogramm wie in die Ausstellungsräume eines Möbelhauses. Wohnst du noch oder lebst du schon? Weder noch.
Gesellschaftspolitisch hat "König von Kreuzberg" einen schönen Nebeneffekt: Dem Soziotop aus überforderten Möchtegernmachos und gewieften türkischen Müttern wird sämtliches Phobie-Potenzial ausgetrieben. Die Sitcom wirkt wie die Simulation einer Nachbarschaft, in der soziokulturelle Besonderheiten nur noch als sanfte Folklore daherkommen. Türkenschnauzer, Kopftuch und Dönerspieß - fertig ist die Türkenfamilie. Dies ist durchaus symptomatisch für die Komödien über junge Deutsch-Türken, die zurzeit fürs Fernsehen und Kino gedreht werden. Man nutzt gerne einschlägige Großstadtquartiere als Kulisse, setzt sie dann aber stets als eine Art märchenhaftes multi-ethnisches Nirgendwo in Szene.
Fatih Akins Vermächtnis
Besonders drastisch ist das ab nächster Woche in der Klamotte "Kebab Connection" (Ab 21. April im Kino) zu sehen. Der Sat.1-Türke Fahri Ogün Yardim hat hier übrigens eine Nebenrolle. "Kebab Connection" beruht auf einer Drehbuchidee des Regisseurs Fatih Akin, der mit seinem Skript schon zu seiner Filmhochschulzeit Mitte der Neunziger das erste deutsch-türkische Kung-Fu-Movie drehen wollte. Dann kamen dem Hamburger Erfolge wie "Kurz und schmerzlos" oder der Berlinale-Sieger "Gegen die Wand" dazwischen. Die Produktionsfirma arbeitete weiter mit dem Buch, setzte unterschiedliche Autoren daran, drehte einige Runden bei den Förderungsanstalten und stellte am Ende ein eher einfallsloses Casting zusammen.
Unmotiviert irren in "Kebab Connection" einige Vertreter medialer deutsch-türkischer Großstadtmärchen durch das hippe Hamburger Schanzenviertel. Die ehemalige MTV-Moderatorin Nora Tschirner rezitiert aus "Romeo und Julia", der unvermeidliche Türkendarsteller Dennis Moschitto ("Süperseks") spielt einen Hallodri, der lernen muss Verantwortung zu übernehmen. ProSieben hätte es in einer seiner "romantic comedies" nicht schlichter hinbekommen.
Kein Platz für Lebensnähe
Nach authentischen Geschichten aus der Lebenswelt junger Deutschtürken muss man im Kino oder Fernsehen schon sehr gründlich suchen. Daran hat auch der Berlinale-Erfolg von Akins "Gegen die Wand" nichts geändert. Zwar wird überall das erzählerische und kommerzielle Potenzial des Sujets erkannt. Doch entweder reicht man die entsprechende Stoffe so lange durch die unterschiedlichen Förder- und Fernsehgremien, dass am Ende ein Gagastreifen wie "Kebab Connection" rauskommt, oder die Produktionen kommen nicht ins Kino und werden irgendwann zu nachtschlafender Zeit im TV versendet.
Ein trauriges Beispiel ist der düstere HipHop-Schocker "Urban Guerillas", der wie "König von Kreuzberg" in Berlins türkischer Hochburg spielt - inhaltlich und inszenatorisch jedoch die Antithese zur bonbonfarbigen Sitcom darstellt. Regisseur Neco Celik, der nach seinem Debüt "Alltag" in den USA schon als deutscher Spike Lee gefeiert wurde, zeigt in seinem Film eine Reihe türkischstämmiger Rapper, Sprayer und Breakdancer bei ihrem ideellen und existenziellen Selbstbehauptungskampf. Der Film hat es leider nie offiziell in die Kinos geschafft. Regiekollege Till Hastreiter hat für sein urbanes Drama "Status Yo!", das er ebenfalls mit zum Teil türkischstämmigen HipHop-Aktivisten in den Straßen von Berlin improvisiert hat, klüger kalkuliert: Er verzichtete auf die üblichen Produktions- und Vertriebspartner, remixte sein raues Bildmaterial nach mehreren Testvorführungen in Jugendzentren und brachte es eigenhändig in die deutschen Multiplexe. Eine einmalige Aktion.
Türkische Missverständnisse
Hat man einmal akzeptiert, dass im deutschen Unterhaltungsgewerbe offensichtlich noch immer kein Platz für einigermaßen lebensnahe türkische Figuren ist, so kann man sich bei "König von Kreuzberg" immerhin an dem drolligen Spiel mit den Klischees erfreuen. Die geplante Homo-Hochzeit von Hakan und Attila in der heutigen Pilotfolge wird zum Beispiel recht hübsch aufgelöst. Erst gibt Attilas traditionalistischer Vater seinem erstaunten Sohn den Segen, den vermeintlichen schwulen Freund zu ehelichen. Dann taucht auch noch Hakans Urlaubsflirt samt Brüder aus der Türkei auf. Die finstren Schnauzer-Türken wollen ihn natürlich gar nicht verprügeln, sondern in Berlin nur selbst heiraten.
Die Sitcom erzählt also auch von den Missverständnissen, die unter Türken selbst herrschen. Nicht mal ein bisschen islamistischer Ingrimm wird uns hier geboten. Keine Parallelgesellschaft, nirgends. Die Kebabbrater und Kettchenträger kommen in "König von Kreuberg" insgesamt weniger fundamentalistischer daher als, sagen wir mal, der gewöhnliche Christdemokrat.