TV-Kritik Der Papst, die Frauen und Sabine Christiansen

Während die Menschen weltweit den Tod des Pontifex betrauerten, setzten sich Sabine Christiansen und ihre Talk-Gäste vollmundig als Kirchenkritiker in Szene. Vor allem die Frauenfrage hatte es den Diskutanten angetan - und verführte zu manch peinlichem Resümee.
Von Matthias Matussek

Noch während die Christenheit Abschied nimmt vom Papst, erhebt die linkskatholische Kirchenkritik bei "Sabine Christiansen" ihr schreckliches Haupt: Heiner Geißler und die Frauenfrage, die diesmal wieder ungelöst bleiben musste, trotz des gewohnt ahnungslosen Einsatzes der Moderatorin. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die linke Kirchenkritik ist beleidigt darüber, dass sie in den vergangenen 26 Jahren durch die überwältigende Popularität des Papstes immens an Einfluss verloren hat.

Doch jetzt meldet sie sich zurück und macht da weiter, wo sie vor ein paar Jahrzehnten so rüde unterbrochen worden war. Während sich ein nie gesehenes Millionenheer von Pilgern aufmacht nach Rom und die Staatshäupter und Vertreter der Weltreligionen sich in Liebe und Respekt verneigen, spricht sie, die linke Kirchenkritik, na, von was wohl: von der tiefen Krise der katholischen Kirche. Das ist nur bei "Christiansen" möglich, nämlich die Lebensleistung des polnischen Giganten am Tag nach seinem Tod auf die üblichen muffigen drei Ladenhüter runterzuschnurren: Zölibat, Frauenbild, betriebliche, pardon: kirchliche Mitbestimmung.

Interessant, dass es in Deutschland immer um zweierlei geht, wenn vom Papst die Rede ist: um die Gleichberechtigung der Frau und den Spaß im Bett. Keiner geht mehr in die Kirche bei uns, aber alle behaupten unisono, der Papst habe beides vermasselt, ja, das sei seine geschichtliche Mission gewesen.

Es muss die verpatzteste Mission des Papstes gewesen sein, da genügt ein Blick auf Sabine Christiansen, die doch schließlich die Gleichberechtigung verkörpert wie nichts sonst - und auf den Rückgang der Geburten bei gleichzeitigem Anstieg trostlosesten sexuellen Rummels.


Tja, vom heutigen demographischen Elend aus betrachtet wirkt die päpstliche Verdammung von Verhütungsmitteln geradezu prophetisch, und es wäre durchaus wunderbar gewesen, wenn sich einige nach dem päpstlichen Rat gerichtet hätten.

Vielsagend die Rollenverteilungen in dieser Sendung, die ganz neue Frontverläufe im Streit um die Kirche im neuen Millennium ahnen lassen.

Es gab den evangelischen Bischof Huber, der den Papst gegen seinen katholischen Kritiker Hans Küng in Schutz nahm, und es gab den jungen Theologen Kulle, der die konservative Moraltheologie des Papstes gegen den fossilierten CDU-Progressisten Heiner Geißler verteidigte.Und zwischendrin saß Sabine Christiansen, die ihre Beine diesmal in einem knappen schwarzen Kostüm vorführte und irgendwann mit ihrem entzückendsten vorwurfsvollen Naserümpfen sagte: "Sie glauben doch wohl nicht, dass die Frauen von heute dem Frauenbild des Papstes entsprechen wollen!"

Das sagte sie zu dem jungen Theologen. Vorwurfsvoll. Sie, die sich in Religionsfragen nicht so richtig auskennt, wie man der Gesprächsführung entnehmen konnte, aber wohl bei Frauenbildern, wo sie sicher zu sein scheint, dass sie das Ideal der jungen Frauen der Welt verkörpert, was wiederum doch ein schöner Triumph ist über diesen unheimlich rückschrittlichen polnischen Mann, den sie gerade aufgebahrt im Dom verehren.

Hans Küng war wahrscheinlich nicht zu Unrecht beleidigt darüber, dass der Papst ihn nie empfangen hatte. Aber Heiner Geissler hatte er empfangen, und dass der Pontifex sich trotzdem nicht an Heiner Geißlers Rat gehalten hatte, das Zölibat endlich aufzulösen, fand der dann doch empörend. Ja, Heiner Geißler, Frauenbeauftragter der CDU, machte geltend, dass die Kirche deshalb in der von ihm beschworenen "großen Krise" sei, weil Priester nicht heiraten und so den ganz normalen Ehetrott genussvoll ausleben können. Auch, dass Frauen nicht Priester werden können, bringe die Kirche an den Abgrund. Da musste sogar der evangelische Bischof Huber leise protestieren. Aus gutem Grunde: Die protestantischen Kirchen gähnen noch leerer als die katholischen, trotz jeder Menge Pastorinnen und Familienväter in Roben.

Er war es dann auch vor allem und der junge Theologe, die den Papst über die abgestandene Kritik hinaushoben und eine Ahnung davon vermittelten, was das wahrhaft Revolutionäre dieses Papstes gewesen ist: sein weltumspannender Humanismus, sein soziales Kämpfertum, seine pazifistische Unbeirrbarkeit, seine religiöse Tiefe, sein Humor, sein Mystizismus, das Beharren auf den Kirchengeboten, seine ökumenische Glut.

Und: In diesem stetig verblödenden Zirkus der ständigen Quoten und politischen Beliebtheitsumfragen und hedonistischen Anpassungen immer öfter nein gesagt zu haben.

Dieser Papst hat, unter Umgehung aller Gremien, an den inneren Menschen appelliert. Die Millionen auf dem Weg nach Rom und rund um den Erdball haben ihn verstanden. Die "Sabine Christiansen"-Show eher nicht.

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