TV-Serie "GSG 9" Action-Team im Quoteneinsatz
Wir haben einen Vorschlag für einen neuen Sat.1-Werbespruch, weil der alte ("Sat.1 zeigt's allen") ja kürzlich ausrangiert wurde und jetzt nur noch von Zeit zu Zeit verwendet werden soll. Wie wäre es denn mit: "Sat.1 kommt zur Sache"? Der passt in jedem Fall zur neuen Polizeiserie, die der Sender heute Abend mit einem Tag Verspätung ins Rennen schickt.

Hoch hinaus will Sat.1 mit seiner neuen Serie "GSG 9". Gelungene Action und straffe Dramaturgie garantieren schon mal Erfolgsaussichten
Foto: Sat1"GSG 9" heißt der nächste Versuch von Sat.1, die Zuschauer davon zu überzeugen, dass sie eben nicht ausschließlich amerikanische Serien anschauen müssen, um gut unterhalten zu werden. Während es in deutschen Krimis sonst lange Tatortbesichtigungen und verzwickt-verschachtelte Fälle gibt, die von hochsensiblen Polizei-Individualisten gelöst werden, wird bei "GSG 9" nicht lange gefackelt.
Jede Folge ist ein 45-minütiger Dauereinsatz. Und der geht so: Terroristen. Hotel. Geiseln. Spezialeinheit. Fahrstuhlschacht. Gefahr. Rückzug. Dach. Zugriff. Befreiung. Handgranate. Explosion. Abspann. Das klingt anstrengend. Aber "GSG 9" ist ein ernster Versuch, die deutsche Serie mit Action aufzumöbeln, ohne dass es dabei zugehen muss wie in "Alarm für Cobra 11".
"Auf keinen Fall Gewalt!"
Im Mittelpunkt stehen junge Polizisten der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9, die einst nach den Attentaten bei den Olympischen Spielen von München 1972 gegründet wurde, um mit einem hoch spezialisierten Team in Ausnahmesituationen eingreifen zu können.
Dazu gehört der voll auf seinen Job konzentrierte Teamleiter Geb (Marc Ben Puch), der ein Menschenleben nach dem anderen rettet, aber darunter leidet, dass zuhause seine Familie zerbricht, weil er nie da ist. Der zynische Konny (Andreas Pietschmann) wird zum zweiten Mann befördert, obwohl sich sein Kollege Demir (Bülent Sharif) schon Chancen ausgerechnet hatte. Aber dem steht viel zu oft sein eigenes Ego im Weg, um wirklich Führungsverantwortung beweisen zu können.
Beim Verhör eines Terroristen, der einen Virus in Berlin aussetzen will, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden, herrscht Demir seinen Chef an: "Lass mich ein paar Minuten mit ihm allein! Was sind schon ein paar gebrochene Rippen gegen eine scheiß Pandemie?" US-Serienheld Jack Bauer hätte sich den Mann in dieser Zeit längst schon zurechtgefoltert. Aber bei "GSG 9" sagt der Chef: "Wir wenden auf keinen Fall Gewalt an."
Explodierende Hotelzimmer
Natürlich ist es schwer, "GSG 9" jetzt einfach so mit "24" zu vergleichen, weil es nahezu unmöglich sein dürfte, Intensität und Dramatik der US-Serie zu kopieren. Und dennoch drängt sich der Vergleich auf, weil "GSG 9" ebenso wie "24" die ganz großen Probleme anpackt. Eine politisch motivierte Geiselnahme, Gefahr durch genmanipulierte Viren, ein geplanter Terroranschlag, Konflikte mit der Staatsgewalt eines anderen Landes das sind die Themen der ersten vier Folgen. So weit gehen deutsche Serienmacher sonst nicht.
Für Laien ist es schwer zu beurteilen, wie realistisch in "GSG 9" die Gefahren nachgestellt werden. Für das Training der Schauspieler arbeiteten die Macher immerhin mit ehemaligen GSG-9-Profis zusammen und bemühen sich, die Einsätze möglichst realistisch aussehen zu lassen. Das Team hat Hotelzimmer in Berlin Mitte explodieren lassen, sich in heruntergekommenen Fabrikhallen herumgetrieben und eine klaustrophisch-gruselige Einsatzzentrale aufgebaut, von der aus die Polizisten ihre Befehle bekommen.
Wie ein kleiner Spielfilm
Es mag schwer fallen, sich in der ersten Folge schon wieder auf ein neues Einsatzteam einzulassen, aber mit jeder weiteren Episode gewinnt "GSG 9" an Faszination bis in der vierten Woche ein kleiner Höhepunkt erreicht wird. Zwei GSG-9-Polizisten begleiten die Frau des Bundespräsidenten für eine harmlose Spendenveranstaltung nach Weißrussland, wo es auf dem Gelände der deutschen Botschaft jedoch zu einer Geiselnahme kommt. Die GSG-9-Kollegen fliegen aus Berlin nach Minsk, um den Kollegen zu helfen, geraten aber in Konflikt mit den weißrussischen Polizeiautoritäten, die wie sich später herausstellt in ein dreckiges Geschäft verstrickt sind.
Produziert wurde "GSG 9" von der Berliner Typhoon, die im vergangenen Jahr schon mit dem düsteren Mehrteiler "Blackout" eine respektable Leistung ablieferten bloß wollte das kaum jemand sehen, so dass Sat.1 die Reihe im Nachprogramm versenkte.
Jede Woche ein neuer Einstieg
Vermutlich hat "GSG 9" nun bessere Chancen, erfolgreich zu sein, weil die Serie den Zuschauern mit abgeschlossenen Geschichten in jeder Folge eine neue Möglichkeit zum Einstieg gibt, und denen, die von Anfang an dabei sind, Handlungsstränge am Rande bietet, die sich über mehrere Folgen hindurch ziehen. Für die Geschichten sind die nicht wichtig, aber über sie lassen sich die Charaktere entwickeln.
Es ist im Fernsehen in Mode gekommen, Kriminalfälle auf dem Obduktionstisch zu lösen wie bei "Post Mortem". Oder den einfachen Ermittlern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen wie beim "Kriminaldauerdienst". Das ist in Ordnung. Aber wenn Sat.1 nun bei "GSG 9" wieder auf Action setzt, die noch dazu recht intelligent gemacht ist, ist das eine schöne Ergänzung. Jetzt müssen nur noch die Quoten stimmen.
Dass Sat.1 den Start der Serie wegen der Champions-League-Übertragung kurzfristig vom Mittwoch um 21.15 Uhr auf Donnerstag um 20.15 Uhr verschoben hat, ohne dass das in den Programmzeitschriften berücksichtigt werden konnte, macht allerdings den Eindruck, als sei es dem Sender ziemlich egal.
"GSG 9", erste Folge an diesem Donnerstag, 20.15 Uhr, Sat.1. Ab kommender Woche mittwochs, 21.15 Uhr