Umstrittene Filmemacherin Leni Riefenstahl ist tot
München - Leni Riefenstahl starb am Montagabend um 22.50 Uhr in ihrem Haus in Pöcking am Starnberger See, rund zwei Wochen nach ihrem 101. Geburtstag. Riefenstahls Freundin Gisela Jahn bestätigte am Dienstag entsprechende Medienberichte. "Ihr Herz ist einfach stehen geblieben", sagte ihr 40 Jahre jüngerer Lebensgefährte und Kameramann Horst Kettner, der bis zuletzt bei ihr gewesen ist. Riefenstahl soll an diesem Freitagnachmittag auf dem Münchner Ostfriedhof beigesetzt werden.
Ihren 101. Geburtstag feierte Riefenstahl am 22. August. Nach einer schweren Krebsoperation musste sie das Bett hüten. In ihren letzten Lebensjahren kämpfte sie gegen unerträgliche Rückenschmerzen und musste starke Medikamente nehmen. Bereits an ihrem 99. Geburtstag im August 2001 hatte sie das immer rascher fortschreitende Nachlassen ihrer Kräfte beklagt.
Die 1902 in Berlin geborene Riefenstahl hatte ihre berufliche Laufbahn als Ausdruckstänzerin begonnen. Nach einem Unfall erlernte sie die Filmtechnik und wurde Schauspielerin. Ihren Durchbruch als Regisseurin hatte sie 1932 mit ihrem Film "Das blaue Licht", bei dem sie gleichzeitig als Co-Autorin und Hauptdarstellerin fungierte. Danach lernte sie Adolf Hitler kennen. Eine schicksalhafte Begegnung, denn berühmt, vor allem aber berüchtigt wurde Leni Riefenstahl vor allem wegen ihrer bis heute umstrittenen Propagandafilme über die Reichsparteitage der Nationalsozialisten in Nürnberg 1934 ("Triumph des Willens") sowie ihres zweiteiligen Film über die Olympischen Spiele in Berlin 1936 ("Fest der Völker" und "Fest der Schönheit"). Sie galt - neben dem Schauspieler und Intendanten Gustaf Gründgens und dem Bildhauer Arno Breker - als das wohl prominenteste Beispiel für die Verführbarkeit des Künstlers durch die politische Macht in Deutschland.

Leni Riefenstahl (1902 - 2003): Bilder aus dem Leben der umstrittenen Kino-Ikone
Bis zuletzt beharrte Riefenstahl jedoch darauf, dass "Triumph des Willens" ein "reines Kunstwerk" sei, der Film enthalte kein einziges antisemitisches Wort. Nach dem Krieg habe man ihre Filme mit einer politischen Brille gesehen. "Ich wurde gleichgestellt mit den bösen Nazi-Sachen. Darunter habe ich schrecklich gelitten... Ich war verurteilt, ich war verdammt."
Noch zu ihrem 100. Geburtstag im August 2002 hatte Riefenstahl in ihrem Haus am Starnberger See Interviews dieser Art gegeben. Der Streit um Propaganda oder Nicht-Propaganda blieb Bestandteil der Reifenstahl-Diskussion, obwohl man gerade in den letzten Jahren eine neue Sachlichkeit in der Beurteilung der Riefenstahl-Filme beobachten konnte. Man entdeckte wieder mehr die Filmkünstlerin in ihr und interessierte sich - zu ihrer Freude - für den Ästhetizismus in ihren Arbeiten, während die Inhalte immer mehr zurücktraten. So bescheinigt ihr der Autor der im Herbst 2000 erschienenen Riefenstahl-Monografie, Rainer Rother, dass von ihrem Werk "eine bestimmte Verführung ausgeht, der man sich auch stellen sollte". Der Riefenstahl-Biograf Jürgen Trimborn sah in seinem 2002 zum 100. Geburtstag der Filmemacherin erschienenen Buch "Eine deutsche Karriere" sogar die Entstehung einer wahren "Riefenstahl-Renaissance".
Riefenstahl war, wie die Nationalsozialisten auch, von Körperbewegung und -schönheit fasziniert und konnte diese Begeisterung auch künstlerisch innovativ umsetzen. Sie hat sich jedoch immer als politisch naive Film- und Fotokünstlerin verstanden. 1987 veröffentlichte sie ihre umfangreichen Memoiren. Darin schrieb die Regisseurin, dass sie zu Hitler "kein besonderes Verhältnis" gehabt habe, überhaupt habe sie nur wenige Monate wirklich im Dienst der Nazis gestanden. Das amerikanische "Time"-Magazin zählte sie immerhin als einzige Frau zu den "100 einflussreichsten und beeindruckendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts".
Nach dem Krieg, als die Film-Aufträge wegen ihrer umstrittenen Rolle im "Dritten Reich" ausblieben, arbeitete sie vowiegend als Fotografin. Erfolgreich waren in den siebziger Jahren ihre Bildbände über den afrikanischen Volksstamm der Nuba. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München war Riefenstahl, wenn auch unter Pseudonym, als Fotografin akkreditiert. 2002 veröffentlichte sie zum ersten Mal seit den fünfziger Jahren wieder einen Film, eine Unterwasser-Arbeit über die Schönheit der Atolle im Indischen Ozean.
In den letzten Jahren wurden wieder vermehrt Riefenstahl- Fotoausstellungen organisiert, zu denen die Regisseurin auch so oft wie gesundheitlich möglich bis ins hohe Alter auch fuhr und sich den Fragen der Journalisten und des Publikums stellte. Zu einer neuen Ausstellung mit ihren Fotos von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin und von der Nuba-Kultur im Sudan im Juli 2003 konnte sie allerdings wegen ihrer angegriffenen Gesundheit nicht mehr kommen.