
Jahrhundertsong auf der Bühne: Ging es um Jackie Kennedy?
"Like A Rolling Stone" als Theaterabend Ging es um Jackie Kennedy?
Natürlich ist das ein alberner Titel: "Song des Jahrhunderts". Aber wenn man ihn unbedingt verleihen will, dann muss man Bob Dylans "Like a Rolling Stone" aus dem Jahr 1965 zumindest in die engere Wahl nehmen, selbst wenn man nicht das "Rolling Stone"-Magazin ist.
Möglicherweise, aber das ist nur eine bösartige Unterstellung, wurde der Song von den befragten Kritikern auch deshalb an die erste Stelle gewählt, weil sich diese Musik-Nerds mit dem Text identifizierten. Es ist ein trotziger Protestsong, aber oberflächlich betrachtet wird in "Like a Rolling Stone" erst mal gegen die Arroganz hübscher It-Girls protestiert: eines von ihnen, das schwer abgestürzt ist und jetzt betteln gehen muss, wird da besungen. Und Dylans "How does it feel?" ist dabei keineswegs mitleidig, sondern klingt eher höhnisch.
Bono von U2, einer von vielen Dylan-Verehrern in der Popwelt, drückte es in seiner Hommage an den Song so aus: "Die Welt hat sich wegen einer gereizten Stimme und einem romantischen Geist verändert. Sie hat sich verändert, weil jemand aufgrund einer unerwiderten Liebe so tief verletzt war, dass er diese verzweifelt sarkastische Herabsetzung einer Person textete."
Jetzt ist Veränderung möglich
Für den Theaterregisseur Tomas Schweigen, der zwölf Jahre jünger ist als "Like a Rolling Stone", steht der Song für ein ganzes amerikanisches Jahrzehnt: "In den frühen Sechzigern gab es ein Aufbruchsgefühl, eine Stimmung, dass man dachte, jetzt ist Veränderung möglich", sagt Schweigen, seit dieser Spielzeit einer von drei Schauspieldirektoren am Theater Basel. "Aber dieses Gefühl war am Ende der Sechziger irgendwie weg. Und mittendrin hängt dieser Song."
How does it feel? Was ist da passiert in diesem Jahrzehnt, das so vielversprechend begann? Um diese Frage geht es Schweigen in seiner Inszenierung "Like a Rolling Stone", die am Freitag im Basler Schauspielhaus Premiere hat. "Es ist kein Bob-Dylan-Liederabend", sagt der Regisseur, "vielmehr wollten wir die Stimmung damals nachvollziehbar machen, weil dieses Gefühl, dass sich da ein Versprechen nicht eingelöst hat, viel mit heute zu tun hat."
Die Parallelen sind für Schweigen offensichtlich: "Nicht umsonst hat man Obama mit John F. Kennedy verglichen", sagt er. "Wenn man sich Obamas erste Antrittsrede anhört und jetzt in den Beginn der zweiten Amtszeit zappt, da sind Welten dazwischen." Das Muster sei sehr ähnlich: "Erst sieht es so aus, als gehe es einen Schritt in die richtige Richtung, aber irgendwie entgleitet es einem dann wieder. Es gibt ein paar neue Regeln, aber das ganze System läuft erschreckend reibungslos weiter."
Auf der Bühne werden viele legendäre Figuren zu sehen sein. Neben Bob Dylan selbst unter anderem seine Weggefährtin Joan Baez, der Poet Allen Ginsberg, John F. Kennedy und seine Frau Jackie, Andy Warhol und das "Vogue"-Model Edie Sedgwick, das viele für das reale Vorbild des Mädchens in "Like a Rolling Stone" halten. Und nicht nur dieser Song wird zu hören sein (natürlich in der legendären, über sechs Minuten langen Originalversion, aufgenommen am 15. und 16. Juni 1965 im Studio A von Columbia Records in New York), sondern auch diverse andere aus der Zeit, zum Teil live. Schweigens freie Theatergruppe "Far A Day Cage" (FADC), die er als "Group in residence" mit ans Theater Basel gebracht hat, wird zusammen mit drei Schauspielern aus dem festen Ensemble auf der Bühne stehen.
Der Text, berichtet Schweigen, bestehe fast ausschließlich aus Zitaten, entnommen aus Dokumentationen und Interviews; auch Ginsbergs Gedichte kommen vor. Und ein paar Texte aus Dylan-Foren im Internet, wo sich Fans und Experten streiten, unter anderem über die Frage, um wen es in diesem Song wirklich geht: Edie Sedgwick oder doch Jackie Kennedy? Und ist "Like a Rolling Stone" nun politisch zu deuten oder nicht?
"Wir lassen das offen. Man kann diesen Song nicht zu Ende erklären. Das wäre auch kontraproduktiv", sagt der Regisseur, "weil Dylan ja alles unternommen hat, um nicht eindeutig interpretierbar zu sein."
Like a Rolling Stone. Uraufführung am 8.2. im Schauspielhaus Basel. Auch am 11., 12., 17. und 26.2., Tel. 0041/61/295 11 33.