Uschi Obermaier bei Beckmann Wilde Zeiten, braver Talk

68 ist immer noch eine heiße Nummer. Vor allem, wenn Uschi Obermaier von der guten alten und wilden Zeit erzählt. Schade, dass sie bei Beckmann nur altbekannte Anekdoten abspulte. Und der Moderator seinen Einsatz verpennte.

Dass jeder Alt-68er "feuchte Augen" bekommen würde angesichts dieses Zusammentreffens, hatte Beckmann vermutet, und dann schwang auch schon bald Rainer Langhans die graue Lockenperücke ins Studio, in dem sich bereits die Uschi, die Uschi-Darstellerin Natalia Avelon und der Langhans-Darsteller Matthias Schweighöfer warmgequatscht hatten: Kurz vor Start des Biopics "Das wilde Leben" über Frau Obermaier ist Uschi auf allen Kanälen.

Das stört nicht besonders, denn Uschi ist nett. Sie lacht mit großem, blitzendem Gebiss; sie redet mit Elmar Gunsch-Timbre und Bulle-von-Tölz-Idiom; sie sieht mit 60 noch immer so umwerfend aus, dass man am liebsten jetzt schon so aussehen möchte wie die Uschi mit 60. Und den Schmuck, den sie seit den Achtzigern entwirft, hält sie glücklicherweise nicht allzu prominent in die Kamera.

Beckmann fragt exakt die Fragen, die alle immer fragen, die Uschi also schon an die hundert Mal beantwortet haben muss. Und die Uschi gibt quasi eine Wiederholung eines ihrer letzten Zeitungsinterviews zum Besten: Dass sie in den Sechzigern "einfach raus" wollte; dass die Stones-Musik "genau ihre Kragenweite" war; dass sie fasziniert von Musikern war, aber erst mal "die Musik selber an sich" toll fand.

Da gewesen, Star geworden

Als Beckmann wissen will, wie das denn damals genau lief mit dem Jimi und dem Mick und dem Keith, erzählt Uschi, dass sie einfach immer an den richtigen Plätzen herumstand, und Jimi oder Mick oder Keith kamen vorbei und sagten etwas wie "You’re beautiful" oder nahmen sie schlicht an der Hand, und ab ging’s.

"Das war toll!", versichert die Uschi glaubhaft, mit blitzenden Augen, und wer will ihr da widersprechen? Beckmann jedenfalls nicht. Er versteht, dass Uschi sich überhaupt nicht als Groupie sieht, denn schließlich hat sie ja nicht wahllos mit allen Musikern, sondern nur mit den "ganz besonders wilden". Und irgendwie sieht er in diesem schlichten, fröhlichen Menschen das, was die Medien komischerweise oft in ihr sehen: eine Ikone der sexuellen Befreiung.

Warum, weiß nur allein der Wind. Schließlich hat Uschi ja nicht Dildos in ein Kloster geschmuggelt, den G-Punkt gefunden oder die Pille kreiert. Sondern sich einfach nur in einen Kerl verschossen, weil er "die wildesten Haare hatte" und "soooo klug war". Und da jener Kommunarde, jener Rainer Langhans, damals wie viele andere ein neues Wohnmodell ausprobierte, zog sie mit, war jedoch furchtbar genervt vom ewigen Diskutieren und Theoretisieren, den fehlenden Wänden und der mangelnden Intimsphäre.

So genervt, dass sie ihn irgendwann wieder verließ, für Keith, Mick, "den Bockhorn", jenen Hamburger Proletenkiezkönig, der mit ihr später bis zu seinem Unfalltod 1983 mit einem Bus durch die Welt reiste und von Luft und Liebe zu leben schien. Wovon die Uschi nach ihrer Modelkarriere tatsächlich gelebt hat, wird übrigens weder im Film noch im Gespräch thematisiert, aber konkrete Fragen gehören nicht unbedingt zu Beckmanns Verfahren.

Jedenfalls redet der Moderator anschließend noch ein bisschen mit Natalia Avelon, der sympathischen und talentierten Uschi-Darstellerin, und Matthias Schweighöfer, der Langhans im Film gutgelaunt mehr parodiert als spielt, aber das ist schon in Ordnung.

Lauter Geplauder

Als der echte Langhans das Studio betritt, wie immer in etwas Helles, Sari-artiges gekleidet, wird es kurz ganz ungemütlich, denn Beckmann bellt plötzlich Langhans an, dass man doch nicht die gesamte Elterngeneration als Mörder titulieren könne. Er jedenfalls könne seinen Soldaten-Vater sehr gut verstehen, der habe eben einfach leben wollen.

Unter anderen Umständen wäre das natürlich ein höchst interessantes Gespräch geworden und ganz in die Nähe von brisanten "Ich konnte nichts für die Mitgliedschaft in der Waffen-SS"-Rehabilitierungsthesen gerutscht. Langhans aber, gewiefter, erfahrener Esoteriker, der er ist, lässt sich nicht an den Karren fahren und verweist, ohne die Miene zu verziehen, auf das kollektive Unterbewusstsein als Sündenbock der Kriegs-Generation.

Schnell wird es wieder gemütlich. Langhans und Uschi plaudern wirklich offen – abgehoben und spirituell-weltoffen der eine, naiv-freizügig die andere – über ihre Beziehung. Wie ein altes Ehepaar lassen sie kurz durchblicken, an welchen Streitpunkten es seit Jahrzehnten immer wieder hakte; es geht sogar um Sex, was Beckmann garantiert Quote bringt, darum macht er auch ein recht zufriedenes Gesicht.

Am Ende begriff man mal wieder, wieso die Kommunarden und Kommunardinnen weiland die Zusammenarbeit mit den Medien kollektiv ablehnten. Sie hätten einem Beckmann oder einem sonstigen Medienvertreter nie beschreiben können, was sie erlebten. Damals nicht - und heute noch immer nicht.

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