
Berliner Trugschloss: Wiederaufbau des Hohenzollernsitzes
Verschobener Schlossaufbau Unwürdiges Spiel mit Ulbrichts Liegewiese
Berlin - Wer in diesen Tagen im historischen Zentrum Berlins spazieren geht, kann den Aufbau einer Infobox am Schlossplatz beobachten. Dort sollen sich Besucher bald über den Wiederaufbau des Hohenzollernbaus informieren. Am Ende könnte von dem wichtigsten und umstrittenen kulturhistorischen Projekt der Republik nur dieses Infotürmchen übrig bleiben.
Denn mit der Bebauung wird es bis 2014 nichts. Mindestens. Damit ist das Projekt so gut wie tot, denn ein Jahr zuvor wird gewählt. Kommt dann eine rot-rot-grüne Regierung an die Macht, dürfte das Schloss ganz am Ende auf der Prioritätenliste stehen.
Es ist ein Streich der besonderen Art: Ausgerechnet eine bürgerliche Regierung opfert das wichtigste Projekt der Republik ihrem Spardiktat.
Wo Milliarden in die Eurozone gepumpt oder als Bürgschaften für Banken bereit gestellt, wo Unsummen für Hoteliers als Steuersenkungen vergeben werden, kühlt sich der Mut der schwarz-gelben Macher ausgerechnet an einem Projekt, das im Vergleich zu anderen Vorhaben ein Schnäppchen ist. 552 Millionen Euro - davon 400 Millionen des Bundes - sollte der Bau des Schlosses kosten, im nächsten Jahr der Startschuss fallen. Bei einer geschätzten Bauzeit von sieben Jahren wären das pro Jahr rund 80 Millionen gewesen.
Viel zu viel, sagen die Gegner. Zum Vergleich: In Berlin wächst derzeit der Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND). Es ist das größte Projekt des Bundes und soll geplante 720 Millionen kosten. Wahrscheinlich wird die Geheimdienstzentrale bei ihrer Fertigstellung 2013/14 rund 1,5 Milliarden verschlungen haben. Selbst bei Zusatzkosten, die fast immer bei Bauten anfallen, hätte das Schloss diese Dimensionen nicht erreicht.
Rechnungs-W esen statt Stadtplanung
Das BND-Beispiel zeigt: Wo der politische Wille ist, ist auch ein Weg. Der aber fehlt den Koalitionären. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, in dessen Etat der Schlossbau fällt, hat sich nie mit Verve hinter das Vorhaben gestellt. Von ihm war lediglich zu erfahren: Der Schlossneubau koste die Summe von zwölf Kilometern Autobahn.
Der CSU-Politiker, als Klavierspieler eigentlich ein Mann mit musischer Seite, hatte damit das Projekt zu einem Streichposten unter vielen degradiert. Auch der Streit um die Kosten der Kuppel offenbarte den Unwillen, sich zu bekennen. Bereits in den Koalitionsverhandlungen im Herbst stand das Projekt auf der Kippe. Es war vor allem den Kulturpolitikern von Union und FDP zu verdanken, dass sich am Ende ein Bekenntnis zum Wiederaufbau in "äußerer Gestalt des Stadtschlosses" im Koalitionsvertrag wiederfand.
Der Weg zum Schloss war zäh. Wilhelm von Boddien hatte der Republik Anfang der Neunziger mit dem Bau von Attrappen auf dem ehemaligen Schlossgelände gezeigt, was der historischen Mitte Berlins einst gewaltsam in den fünfziger Jahren entrissen worden war. Ein Mittelpunkt, auf dem sich die Bauten der Umgebung - der Dom, der Lustgarten, die Allee Unter den Linden - beziehen.
Der bürgerliche Unternehmer warb - und sein Werben fand schließlich auch Gehör bei den zunächst ablehnenden Kreisen in Rot-Grün. Dort setzte sich in maßgeblichen Teilen die Erkenntnis durch, dass alle modernen Entwürfe für diesen Platz am Ende keine stadtplanerisch angemessenen Alternativen sind.
Es war dann ein Sozialdemokrat, Ramsauers Amtsvorgänger Wolfgang Tiefensee, der sich innerhalb der Großen Koalition für den Wiederaufbau des Schlosses einsetzte. Unter seiner Ägide wurde schließlich der Wettbewerb entschieden, den der Italiener Franco Stella gewann.
Die Vorarbeiten begannen. Der Stopp des Baus ist daher nicht nur ein eklatanter Vertrauensbruch der Politik gegenüber den Planern, sondern vor allem gegenüber engagierten Bürgern, die - ob in Vereinen, Parteien oder Medien - für die Wiederherstellung eines historischen Ortes kämpften. Sie werden durch die Entscheidung der Merkel/Westerwelle-Regierung zum Gespött der Gegner gemacht. So wie Horst Köhler einfach seinen Rücktritt nahm, so stiehlt sich nun dieses politische Bündnis der Mitte aus seiner Verantwortung für das Schloss.
Auf Geschichtsvergessenheit bauen
Der eigentliche Witz der Geschichte aber ist die Geschichtsvergessenheit von Schwarz-Gelb: Auf Jahre hinaus bleibt eine Brache dort, wo einst SED-Chef Walter Ulbricht 1950 den Hohenzollern-Bau sprengen ließ. Jahrzehnte diente sie der DDR als Aufmarschfläche, bis Erich Honecker den mittlerweile abgerissenen Palast der Republik dort errichten ließ.
Auch das gehört zur Misere: Eine Regierung unter einer Kanzlerin aus Ostdeutschland beugt sich dem heute scheinbar Populären. Nach dem Motto: Irgendwie müssen wir den Menschen unseren Sparkurs verkaufen, und wo findet sich da mehr Verständnis als für die Verschiebung eines Preußen-Baus! Immerhin einen - zynischen - Trost gibt es: Heute wird auf dem Schlossplatz nicht mehr stramm marschiert, heute legt sich die Spar-Republik ganz entspannt auf die Liegewiese.
Mit ihrer Entscheidung mobilisiert eine liberal-bürgerliche Regierung noch einmal alle Klischees gegen das Projekt und nährt die Häme der Gegner, die man schon überwunden glaubte und nur noch bei der Linkspartei verortete. Jetzt verlängern Union und FDP den barbarischen Abrissakt Ulbrichts ins Unendliche.