Kunst trifft Biologie Van Goghs Ohr rekonstruiert

Rekonstruiertes Ohr: Die Interpretation ist dem Betrachter überlassen
Foto: Uli Deck/ dpaKarlsruhe/Hamburg - Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft beschert der Welt ein so bizarres wie faszinierendes Ausstellungsstück: Die Künstlerin Diemut Strebe rekonstruierte für ihr neues Kunstwerk das Ohr Vincent van Goghs. "Sugababe" ist eine Nachgestaltung des berühmtesten Ohrs der Kunstgeschichte, das sich der Maler vor 126 Jahren zumindest teilweise abschnitt.
Kreiert hat es die gebürtige Deutsche, die in Amerika lebt, mit der Hilfe eines 3D-Bioprinters, mit wissenschaftlicher Unterstützung und unter Verwendung des genetischen Materials eines Nachfahrens Van Goghs. Das in einer transparenten Box in nährstoffreicher Lösung aufbewahrte Ohr ist noch bis 6. Juli im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe zu sehen.
Die Interpretation des Werks, an dem sie drei Jahre lang gearbeitet hat, will Strebe den Betrachtern überlassen. "Es lebt, es ist gesund", sagte die Künstlerin in einem Interview. Geleitet habe sie Frage, ob etwas seine Identität verliere, wenn ein Teil davon verloren gehe.
Jenseits philosophischer Überlegungen erscheint der biologische Faktor interessant: Der erste Plan zur Rekonstruktion ging schief. Strebe erhielt aus Paris den Umschlag eines Originalbriefs, den Van Gogh 1883 auf den Postweg brachte. In der Schweiz wurde im September 2012 vorsichtig die Briefmarke abgehoben, um aus den Speichelresten auf der Rückseite der Marke die DNA zu extrahieren. Aber die so gewonnene genetische Information stimmte nicht mit der des Malers überein. "Der Briefträger hat es vermiest", erzählt Strebe. "Die Marke wurde von ihm auf den Umschlag aufgebracht, nicht von Van Gogh."
So musste Lieuwe van Gogh ran: Der Ururenkel von Van Goghs Bruder Theo trägt immerhin noch ein Sechzehntel des Erbguts seines Vorfahrens mit sich herum. Da Lieuwe van Gogh selbst Künstler ist, fand er die Idee Strebes gleich reizvoll und spendete ein Stück Knorpelgewebe aus seinem Ohr.
"Das ist aber nur der genetische Teil des Projekts", erklärt Strebe. "Sugababe" sei auch eine digitale Sound-Installation. "Jedes Wort, das in Richtung des künstlichen Ohrs gesprochen wird, wird von einem Computer registriert, die Antwort besteht in Impulsen, die einen Hörnerv simulieren. "Der Besucher hört dann ein Neuronengewitter", erklärt Strebe. In diesen verfremdeten Klängen sei auch ein Teil der eigenen Identität verborgen. Im Frühjahr 2015 soll "Sugababe" in New York ausgestellt werden.